Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.
Der Katzenritter. Auf schwellendem Lager Schön-Nella liegt,
Vom Frühroth die Kissen gesäumet, Es glüht ihre Wange, der Athem fliegt, Sie lächelt, sie seufzet und träumet. Im Schlafen, im Wachen, o qualvolle Pein! Verfolgt sie das Auge, die Stimme sein, Wie soll sie vor ihnen sich retten? O, daß er wollt' öffnen das schwarze Visir, Damit sie sein Antlitz kann schauen, So blitzen die Augen allein nur herfür Und füllen mit Angst sie und Grauen, Doch wundervoll sind sie, so strahlend und groß, Und blicken so heiß und erbarmungslos, Die Zauberaugen der Katze! "Wer mag er wohl sein? und welch' Räthsel hält Die Holzenburg heimlich umsponnen? Und ob sich einst Wohlverleih's Sprüchlein erfüllt, Das ihn mir zum Gatten ersonnen? Ich weiß es ja, daß er kein Höllengeist ist, Er trägt auf der Brust ein Kreuz wie ein Christ." So sinnet, so träumet Schön-Nella. Wie sie gestern sich einsam im Burgfried erging, Wo zum Wald führt die felsige Treppe, Da huschte ein Kätzlein, ein herziges Ding, Spielt zutraulich ihr um die Schleppe; Erst wollt' sie es stoßen zurück voller Haß, Der Katzenritter. Auf ſchwellendem Lager Schön-Nella liegt,
Vom Frühroth die Kiſſen geſäumet, Es glüht ihre Wange, der Athem fliegt, Sie lächelt, ſie ſeufzet und träumet. Im Schlafen, im Wachen, o qualvolle Pein! Verfolgt ſie das Auge, die Stimme ſein, Wie ſoll ſie vor ihnen ſich retten? O, daß er wollt' öffnen das ſchwarze Viſir, Damit ſie ſein Antlitz kann ſchauen, So blitzen die Augen allein nur herfür Und füllen mit Angſt ſie und Grauen, Doch wundervoll ſind ſie, ſo ſtrahlend und groß, Und blicken ſo heiß und erbarmungslos, Die Zauberaugen der Katze! „Wer mag er wohl ſein? und welch' Räthſel hält Die Holzenburg heimlich umſponnen? Und ob ſich einſt Wohlverleih's Sprüchlein erfüllt, Das ihn mir zum Gatten erſonnen? Ich weiß es ja, daß er kein Höllengeiſt iſt, Er trägt auf der Bruſt ein Kreuz wie ein Chriſt.“ So ſinnet, ſo träumet Schön-Nella. Wie ſie geſtern ſich einſam im Burgfried erging, Wo zum Wald führt die felſige Treppe, Da huſchte ein Kätzlein, ein herziges Ding, Spielt zutraulich ihr um die Schleppe; Erſt wollt' ſie es ſtoßen zurück voller Haß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0142" n="128"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Der Katzenritter.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Auf ſchwellendem Lager Schön-Nella liegt,</l><lb/> <l>Vom Frühroth die Kiſſen geſäumet,</l><lb/> <l>Es glüht ihre Wange, der Athem fliegt,</l><lb/> <l>Sie lächelt, ſie ſeufzet und träumet.</l><lb/> <l>Im Schlafen, im Wachen, o qualvolle Pein!</l><lb/> <l>Verfolgt ſie das Auge, die Stimme ſein,</l><lb/> <l>Wie ſoll ſie vor ihnen ſich retten?</l><lb/> <l>O, daß er wollt' öffnen das ſchwarze Viſir,</l><lb/> <l>Damit ſie ſein Antlitz kann ſchauen,</l><lb/> <l>So blitzen die Augen allein nur herfür</l><lb/> <l>Und füllen mit Angſt ſie und Grauen,</l><lb/> <l>Doch wundervoll ſind ſie, ſo ſtrahlend und groß,</l><lb/> <l>Und blicken ſo heiß und erbarmungslos,</l><lb/> <l>Die Zauberaugen der Katze!</l><lb/> <l>„Wer mag er wohl ſein? und welch' Räthſel hält</l><lb/> <l>Die Holzenburg heimlich umſponnen?</l><lb/> <l>Und ob ſich einſt Wohlverleih's Sprüchlein erfüllt,</l><lb/> <l>Das ihn mir zum Gatten erſonnen?</l><lb/> <l>Ich weiß es ja, daß er kein Höllengeiſt iſt,</l><lb/> <l>Er trägt auf der Bruſt ein Kreuz wie ein Chriſt.“</l><lb/> <l>So ſinnet, ſo träumet Schön-Nella.</l><lb/> <l>Wie ſie geſtern ſich einſam im Burgfried erging,</l><lb/> <l>Wo zum Wald führt die felſige Treppe,</l><lb/> <l>Da huſchte ein Kätzlein, ein herziges Ding,</l><lb/> <l>Spielt zutraulich ihr um die Schleppe;</l><lb/> <l>Erſt wollt' ſie es ſtoßen zurück voller Haß,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [128/0142]
Der Katzenritter.
Auf ſchwellendem Lager Schön-Nella liegt,
Vom Frühroth die Kiſſen geſäumet,
Es glüht ihre Wange, der Athem fliegt,
Sie lächelt, ſie ſeufzet und träumet.
Im Schlafen, im Wachen, o qualvolle Pein!
Verfolgt ſie das Auge, die Stimme ſein,
Wie ſoll ſie vor ihnen ſich retten?
O, daß er wollt' öffnen das ſchwarze Viſir,
Damit ſie ſein Antlitz kann ſchauen,
So blitzen die Augen allein nur herfür
Und füllen mit Angſt ſie und Grauen,
Doch wundervoll ſind ſie, ſo ſtrahlend und groß,
Und blicken ſo heiß und erbarmungslos,
Die Zauberaugen der Katze!
„Wer mag er wohl ſein? und welch' Räthſel hält
Die Holzenburg heimlich umſponnen?
Und ob ſich einſt Wohlverleih's Sprüchlein erfüllt,
Das ihn mir zum Gatten erſonnen?
Ich weiß es ja, daß er kein Höllengeiſt iſt,
Er trägt auf der Bruſt ein Kreuz wie ein Chriſt.“
So ſinnet, ſo träumet Schön-Nella.
Wie ſie geſtern ſich einſam im Burgfried erging,
Wo zum Wald führt die felſige Treppe,
Da huſchte ein Kätzlein, ein herziges Ding,
Spielt zutraulich ihr um die Schleppe;
Erſt wollt' ſie es ſtoßen zurück voller Haß,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/142 |
| Zitationshilfe: | Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/142>, abgerufen am 21.11.2024. |
