Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Dieses ernste Kleid erworben,
Doch ich möchte Jeden warnen,
Möchte flehen aller Orten:
Hütet Euch in blindem Hasse,
Menschen, vor solch' bösen Worten!" --
Nellas Haupt ist tief gesunken,
Bleich geworden sind die Wangen,
Und aus angstgequältem Herzen
Leise Seufzer sich entrangen.
"Pater Felis!" fragt sie leise,
"Saget mir bei Gottes Gnaden,
Ist es auch ein schwer' Verbrechen,
Einen Schuldigen verrathen?" --
"Was ist schuldig? seht, es trüget
Oft der Schein bei vielen Dingen,
Oft erst können lange Jahre
Eines Räthsels Lösung bringen.
Auch bei meinem Trautgesellen
Konnt' ich kaum Bedenken tragen,
Denn vor meinen Augen hatt' er
Einen Rittersmann erschlagen!"
"Und war schuldlos?" Voll Entsetzen
Zittert Nella. "Nein! o saget
Bei dem ew'gen Heil der Seele,
Daß Ihr ihn gerecht verklaget!"
"Er war schuldlos!" Dumpf und drohend
Klingt des Klausners ernste Stimme:
"Er erschlug den Mann aus Nothwehr,
Nicht, wie ich geglaubt, im Grimme;
Todschlag, und zur Wehre setzen,
Fräulein, das ist grundverschieden!
Dieſes ernſte Kleid erworben,
Doch ich möchte Jeden warnen,
Möchte flehen aller Orten:
Hütet Euch in blindem Haſſe,
Menſchen, vor ſolch' böſen Worten!“ —
Nellas Haupt iſt tief geſunken,
Bleich geworden ſind die Wangen,
Und aus angſtgequältem Herzen
Leiſe Seufzer ſich entrangen.
„Pater Felis!“ fragt ſie leiſe,
„Saget mir bei Gottes Gnaden,
Iſt es auch ein ſchwer' Verbrechen,
Einen Schuldigen verrathen?“ —
„Was iſt ſchuldig? ſeht, es trüget
Oft der Schein bei vielen Dingen,
Oft erſt können lange Jahre
Eines Räthſels Löſung bringen.
Auch bei meinem Trautgeſellen
Konnt' ich kaum Bedenken tragen,
Denn vor meinen Augen hatt' er
Einen Rittersmann erſchlagen!“
„Und war ſchuldlos?“ Voll Entſetzen
Zittert Nella. „Nein! o ſaget
Bei dem ew'gen Heil der Seele,
Daß Ihr ihn gerecht verklaget!“
„Er war ſchuldlos!“ Dumpf und drohend
Klingt des Klausners ernſte Stimme:
„Er erſchlug den Mann aus Nothwehr,
Nicht, wie ich geglaubt, im Grimme;
Todſchlag, und zur Wehre ſetzen,
Fräulein, das iſt grundverſchieden!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0179" n="165"/>
          <lg n="5">
            <l>Die&#x017F;es ern&#x017F;te Kleid erworben,</l><lb/>
            <l>Doch ich möchte Jeden warnen,</l><lb/>
            <l>Möchte flehen aller Orten:</l><lb/>
            <l>Hütet Euch in blindem Ha&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Men&#x017F;chen, vor &#x017F;olch' bö&#x017F;en Worten!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Nellas Haupt i&#x017F;t tief ge&#x017F;unken,</l><lb/>
            <l>Bleich geworden &#x017F;ind die Wangen,</l><lb/>
            <l>Und aus ang&#x017F;tgequältem Herzen</l><lb/>
            <l>Lei&#x017F;e Seufzer &#x017F;ich entrangen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Pater Felis!&#x201C; fragt &#x017F;ie lei&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Saget mir bei Gottes Gnaden,</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t es auch ein &#x017F;chwer' Verbrechen,</l><lb/>
            <l>Einen <hi rendition="#g">Schuldigen</hi> verrathen?&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Was i&#x017F;t &#x017F;chuldig? &#x017F;eht, es trüget</l><lb/>
            <l>Oft der Schein bei vielen Dingen,</l><lb/>
            <l>Oft er&#x017F;t können lange Jahre</l><lb/>
            <l>Eines Räth&#x017F;els Lö&#x017F;ung bringen.</l><lb/>
            <l>Auch bei meinem Trautge&#x017F;ellen</l><lb/>
            <l>Konnt' ich kaum Bedenken tragen,</l><lb/>
            <l>Denn vor meinen Augen hatt' er</l><lb/>
            <l>Einen Rittersmann er&#x017F;chlagen!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und war &#x017F;chuldlos?&#x201C; Voll Ent&#x017F;etzen</l><lb/>
            <l>Zittert Nella. &#x201E;Nein! o &#x017F;aget</l><lb/>
            <l>Bei dem ew'gen Heil der Seele,</l><lb/>
            <l>Daß Ihr ihn gerecht verklaget!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Er war &#x017F;chuldlos!&#x201C; Dumpf und drohend</l><lb/>
            <l>Klingt des Klausners ern&#x017F;te Stimme:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Er er&#x017F;chlug den Mann aus Nothwehr,</l><lb/>
            <l>Nicht, wie ich geglaubt, im Grimme;</l><lb/>
            <l>Tod&#x017F;chlag, und zur Wehre &#x017F;etzen,</l><lb/>
            <l>Fräulein, das i&#x017F;t grundver&#x017F;chieden!</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0179] Dieſes ernſte Kleid erworben, Doch ich möchte Jeden warnen, Möchte flehen aller Orten: Hütet Euch in blindem Haſſe, Menſchen, vor ſolch' böſen Worten!“ — Nellas Haupt iſt tief geſunken, Bleich geworden ſind die Wangen, Und aus angſtgequältem Herzen Leiſe Seufzer ſich entrangen. „Pater Felis!“ fragt ſie leiſe, „Saget mir bei Gottes Gnaden, Iſt es auch ein ſchwer' Verbrechen, Einen Schuldigen verrathen?“ — „Was iſt ſchuldig? ſeht, es trüget Oft der Schein bei vielen Dingen, Oft erſt können lange Jahre Eines Räthſels Löſung bringen. Auch bei meinem Trautgeſellen Konnt' ich kaum Bedenken tragen, Denn vor meinen Augen hatt' er Einen Rittersmann erſchlagen!“ „Und war ſchuldlos?“ Voll Entſetzen Zittert Nella. „Nein! o ſaget Bei dem ew'gen Heil der Seele, Daß Ihr ihn gerecht verklaget!“ „Er war ſchuldlos!“ Dumpf und drohend Klingt des Klausners ernſte Stimme: „Er erſchlug den Mann aus Nothwehr, Nicht, wie ich geglaubt, im Grimme; Todſchlag, und zur Wehre ſetzen, Fräulein, das iſt grundverſchieden!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/179
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/179>, abgerufen am 21.11.2024.