geschmack der welt, dergleichen fast nicht um- gang haben.
§. 8. Die regeln der klugheit erfodern, daß man angeführte argumenta mit unterschied und nicht an dem unrechten ort anbringe. Denen geldgeitzigen fehlt es überhaupt an der menschenliebe, also muß man sich wohl etwas mühe geben ihre gewogenheit zu gewinnen, und eben diese muß man zu erhalten suchen, bey leuten, welche etwa wieder unsern fürtrag, durch allerhand vorurtheile möchten einge- nommen seyn, oder wo unsre person und sache vielleicht etwas an sich hätte, daß der phan- tasie und dem affect des zuhörers unangenehm fürkommen könte. Ehrgeitzige, hohe, einge- bildete gemüther, entziehen leicht allen ihre hochachtung, weil sie zu viel für sich selbst ha- ben müssen, also muß man bey diesen schon mehr fleiß anwenden, bey ihnen estimiret zu werden, wenn sie zumahl sich nichts sonderli- ches versprächen von dem redner, da er ihnen unbekannt, unerfahren, furchtsam, iung und übel berüchtiget fürkäme, oder wann diesache, dem ersten ansehen nach, von geringer wichtig- keit schiene. Wollüstige leute sind wie Sosia beym Terentio: amis de tout le monde, und gehen auch mit ihrem estim sehr verschwende- risch um, aber flatterhaftig sind sie, also däch- te ich, man hätte wohl ursach, ihren mercurium zu figiren, und sie attent zu machen. Eben dieses ist auch nöthig, wann der zuhörer die sa-
che
von bewegungs-gruͤnden.
geſchmack der welt, dergleichen faſt nicht um- gang haben.
§. 8. Die regeln der klugheit erfodern, daß man angefuͤhrte argumenta mit unterſchied und nicht an dem unrechten ort anbringe. Denen geldgeitzigen fehlt es uͤberhaupt an der menſchenliebe, alſo muß man ſich wohl etwas muͤhe geben ihre gewogenheit zu gewinnen, und eben dieſe muß man zu erhalten ſuchen, bey leuten, welche etwa wieder unſern fuͤrtrag, durch allerhand vorurtheile moͤchten einge- nommen ſeyn, oder wo unſre perſon und ſache vielleicht etwas an ſich haͤtte, daß der phan- taſie und dem affect des zuhoͤrers unangenehm fuͤrkommen koͤnte. Ehrgeitzige, hohe, einge- bildete gemuͤther, entziehen leicht allen ihre hochachtung, weil ſie zu viel fuͤr ſich ſelbſt ha- ben muͤſſen, alſo muß man bey dieſen ſchon mehr fleiß anwenden, bey ihnen eſtimiret zu werden, wenn ſie zumahl ſich nichts ſonderli- ches verſpraͤchen von dem redner, da er ihnen unbekannt, unerfahren, furchtſam, iung und uͤbel beruͤchtiget fuͤrkaͤme, oder wann dieſache, dem erſten anſehen nach, von geringer wichtig- keit ſchiene. Wolluͤſtige leute ſind wie Soſia beym Terentio: amis de tout le monde, und gehen auch mit ihrem eſtim ſehr verſchwende- riſch um, aber flatterhaftig ſind ſie, alſo daͤch- te ich, man haͤtte wohl urſach, ihren mercurium zu figiren, und ſie attent zu machen. Eben dieſes iſt auch noͤthig, wann der zuhoͤrer die ſa-
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von bewegungs-gruͤnden.
geſchmack der welt, dergleichen faſt nicht um-
gang haben.
§. 8. Die regeln der klugheit erfodern, daß
man angefuͤhrte argumenta mit unterſchied
und nicht an dem unrechten ort anbringe.
Denen geldgeitzigen fehlt es uͤberhaupt an der
menſchenliebe, alſo muß man ſich wohl etwas
muͤhe geben ihre gewogenheit zu gewinnen,
und eben dieſe muß man zu erhalten ſuchen,
bey leuten, welche etwa wieder unſern fuͤrtrag,
durch allerhand vorurtheile moͤchten einge-
nommen ſeyn, oder wo unſre perſon und ſache
vielleicht etwas an ſich haͤtte, daß der phan-
taſie und dem affect des zuhoͤrers unangenehm
fuͤrkommen koͤnte. Ehrgeitzige, hohe, einge-
bildete gemuͤther, entziehen leicht allen ihre
hochachtung, weil ſie zu viel fuͤr ſich ſelbſt ha-
ben muͤſſen, alſo muß man bey dieſen ſchon
mehr fleiß anwenden, bey ihnen eſtimiret zu
werden, wenn ſie zumahl ſich nichts ſonderli-
ches verſpraͤchen von dem redner, da er ihnen
unbekannt, unerfahren, furchtſam, iung und
uͤbel beruͤchtiget fuͤrkaͤme, oder wann dieſache,
dem erſten anſehen nach, von geringer wichtig-
keit ſchiene. Wolluͤſtige leute ſind wie Soſia
beym Terentio: amis de tout le monde, und
gehen auch mit ihrem eſtim ſehr verſchwende-
riſch um, aber flatterhaftig ſind ſie, alſo daͤch-
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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/145>, abgerufen am 30.11.2024.
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