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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von bewegungs-gründen.
che für bekannt, obscur, unnütze, ihm contrair,
ansiehet, oder wann sie an sich etwas trocken
und ernsthaft ist. Doch muß man bey allen,
sich nicht mercken lassen, wie man eben ihre ge-
wogenheit oder hochachtung oder aufmerck-
samkeit, durch solche griffe zu gewinnen suche.

Jch werde vielleicht einigen bey dieser art von ar-
gumentis zu wenig, einigen zu viel gesaget ha-
ben, alleine ich habe von anfang, dieser leute
ihre gedancken vorausgesehen, und also gesucht
es beyden recht zu machen, darüber bin ich auf
die mittelstrasse gerathen, damit ich nemlich
von keinem zu weit abkäme. Juzwischen ist
nicht meine meinung, als ob ein redner, alles
was ich gesetzt, schlechthin anbringen müsse,
auch nicht, daß er ausser dem, was ich beyge-
bracht, nicht noch etwas anders und vielleicht
bessers aussinnen könne. Sondern wir versi-
ren hier in den regeln der klugheit, da niemahls
keine gantz universelle, aber auch keine gar zu
specielle regel kan gegeben werden, und doch
gute erinnerungen nicht schaden können. Man
schlage die auctores, welche von der erfindung
geschrieben, hiebey nach, aber man studire auch
dabey die erkänntniß der welt, aus der Moral
und erfahrung.

§. 9. Mit diesen argumentis haben die ei-
gentlich so genannten commoventia, eine genaue
verwandschaft, vermittelst welcher man den
zuhörer zu überreden bemühet ist, daß die sache
nicht nur an sich selbst gut und so beschaffen sey,
wie sie der zuhörer wünschet, sondern daß sie
auch ins besondere, dem zuhörer zuträglich sey.
Dabey man also die äusserste kraft zugebrau-

chen,

von bewegungs-gruͤnden.
che fuͤr bekannt, obſcur, unnuͤtze, ihm contrair,
anſiehet, oder wann ſie an ſich etwas trocken
und ernſthaft iſt. Doch muß man bey allen,
ſich nicht mercken laſſen, wie man eben ihre ge-
wogenheit oder hochachtung oder aufmerck-
ſamkeit, durch ſolche griffe zu gewinnen ſuche.

Jch werde vielleicht einigen bey dieſer art von ar-
gumentis zu wenig, einigen zu viel geſaget ha-
ben, alleine ich habe von anfang, dieſer leute
ihre gedancken vorausgeſehen, und alſo geſucht
es beyden recht zu machen, daruͤber bin ich auf
die mittelſtraſſe gerathen, damit ich nemlich
von keinem zu weit abkaͤme. Juzwiſchen iſt
nicht meine meinung, als ob ein redner, alles
was ich geſetzt, ſchlechthin anbringen muͤſſe,
auch nicht, daß er auſſer dem, was ich beyge-
bracht, nicht noch etwas anders und vielleicht
beſſers ausſinnen koͤnne. Sondern wir verſi-
ren hier in den regeln der klugheit, da niemahls
keine gantz univerſelle, aber auch keine gar zu
ſpecielle regel kan gegeben werden, und doch
gute erinnerungen nicht ſchaden koͤnnen. Man
ſchlage die auctores, welche von der erfindung
geſchrieben, hiebey nach, aber man ſtudire auch
dabey die erkaͤnntniß der welt, aus der Moral
und erfahrung.

§. 9. Mit dieſen argumentis haben die ei-
gentlich ſo genannten com̃oventia, eine genaue
verwandſchaft, vermittelſt welcher man den
zuhoͤrer zu uͤberreden bemuͤhet iſt, daß die ſache
nicht nur an ſich ſelbſt gut und ſo beſchaffen ſey,
wie ſie der zuhoͤrer wuͤnſchet, ſondern daß ſie
auch ins beſondere, dem zuhoͤrer zutraͤglich ſey.
Dabey man alſo die aͤuſſerſte kraft zugebrau-

chen,
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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/146>, abgerufen am 14.05.2024.