Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

von Theologischen
womit dir rächende hand des gerechten richters,
die freventlichen übertreter des gesetzes, als zum
exempel: Miriam, Vsiam, und andere zu
schlagen pflegte. So daß die mit dem aussatz
behaftete ursache fanden, zu seuftzen: Herr es
ist nichts gesundes an meinem leibe für deinen
dräuen, und ist kein friede in meinen gebeinen für
meiner sünde. Denn meine sünde gehen über
mein haupt, wie eine schwere last sind sie mir zu
schwer worden. Meine wunden stincken und ei-
tern für meiner thorheit. Meine lieben freun-
de stehen gegen mir und scheuen meine plage, und
meine nächsten treten ferne. Urtheilet nun
selbst, meine freunde, ob diese aussätzige nicht mit
rechte elende leute zu nennen? Jedoch sie erken-
nen selbst ihr elend, denn sie stehen von ferne.
Was für eine hertzens angst mag nicht in ihrer
seelen gewesen seyn, wann sie sich als ein scheu-
saal der welt, ihrer äusserlichen kranckheit wegen,
nicht unterstehen dürffen iemand unter die augen
zu treten? was für brennende regungen mögen
sie nicht empfunden haben, wenn sie sich ihrer
geistlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket für
den augen Gottes, als ein greuel für den augen
der heiligsten maiestät erinnert. Jch meine ia,
daß sie ursach gehabt, von ferne zu stehen, wie
der zöllner, und ihre augen nicht aufzuheben gen
himmel, sondern an ihre brust zu schlagen, und
zu seufzen: GOtt sey uns armen sündern gnädig.
Allein ihre erkänntniß ist eine heylsame erkännt-
niß, denn sie führet ihre füsse auf den himmels-

weg,

von Theologiſchen
womit dir raͤchende hand des gerechten richters,
die freventlichen uͤbertreter des geſetzes, als zum
exempel: Miriam, Vſiam, und andere zu
ſchlagen pflegte. So daß die mit dem auſſatz
behaftete urſache fanden, zu ſeuftzen: Herr es
iſt nichts geſundes an meinem leibe fuͤr deinen
draͤuen, und iſt kein friede in meinen gebeinen fuͤr
meiner ſuͤnde. Denn meine ſuͤnde gehen uͤber
mein haupt, wie eine ſchwere laſt ſind ſie mir zu
ſchwer worden. Meine wunden ſtincken und ei-
tern fuͤr meiner thorheit. Meine lieben freun-
de ſtehen gegen mir und ſcheuen meine plage, und
meine naͤchſten treten ferne. Urtheilet nun
ſelbſt, meine freunde, ob dieſe auſſaͤtzige nicht mit
rechte elende leute zu nennen? Jedoch ſie erken-
nen ſelbſt ihr elend, denn ſie ſtehen von ferne.
Was fuͤr eine hertzens angſt mag nicht in ihrer
ſeelen geweſen ſeyn, wann ſie ſich als ein ſcheu-
ſaal der welt, ihrer aͤuſſerlichen kranckheit wegen,
nicht unterſtehen duͤrffen iemand unter die augen
zu treten? was fuͤr brennende regungen moͤgen
ſie nicht empfunden haben, wenn ſie ſich ihrer
geiſtlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket fuͤr
den augen Gottes, als ein greuel fuͤr den augen
der heiligſten maieſtaͤt erinnert. Jch meine ia,
daß ſie urſach gehabt, von ferne zu ſtehen, wie
der zoͤllner, und ihre augen nicht aufzuheben gen
himmel, ſondern an ihre bruſt zu ſchlagen, und
zu ſeufzen: GOtt ſey uns armen ſuͤndern gnaͤdig.
Allein ihre erkaͤnntniß iſt eine heylſame erkaͤnnt-
niß, denn ſie fuͤhret ihre fuͤſſe auf den himmels-

weg,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0526" n="508"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von                                     Theologi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
womit dir ra&#x0364;chende                             hand des gerechten richters,<lb/>
die freventlichen u&#x0364;bertreter                             des ge&#x017F;etzes, als zum<lb/>
exempel: Miriam, V&#x017F;iam, und                             andere zu<lb/>
&#x017F;chlagen pflegte. So daß die mit dem                             au&#x017F;&#x017F;atz<lb/>
behaftete ur&#x017F;ache fanden, zu                             &#x017F;euftzen: Herr es<lb/>
i&#x017F;t nichts ge&#x017F;undes an                             meinem leibe fu&#x0364;r deinen<lb/>
dra&#x0364;uen, und i&#x017F;t kein                             friede in meinen gebeinen fu&#x0364;r<lb/>
meiner &#x017F;u&#x0364;nde.                             Denn meine &#x017F;u&#x0364;nde gehen u&#x0364;ber<lb/>
mein haupt, wie                             eine &#x017F;chwere la&#x017F;t &#x017F;ind &#x017F;ie mir zu<lb/>
&#x017F;chwer worden. Meine wunden &#x017F;tincken und ei-<lb/>
tern                             fu&#x0364;r meiner thorheit. Meine lieben freun-<lb/>
de &#x017F;tehen                             gegen mir und &#x017F;cheuen meine plage, und<lb/>
meine                             na&#x0364;ch&#x017F;ten treten ferne. Urtheilet nun<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, meine freunde, ob die&#x017F;e                             au&#x017F;&#x017F;a&#x0364;tzige nicht mit<lb/>
rechte elende leute zu                             nennen? Jedoch &#x017F;ie erken-<lb/>
nen &#x017F;elb&#x017F;t ihr                             elend, denn &#x017F;ie &#x017F;tehen von ferne.<lb/>
Was fu&#x0364;r                             eine hertzens ang&#x017F;t mag nicht in ihrer<lb/>
&#x017F;eelen                             gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, wann &#x017F;ie &#x017F;ich als ein                             &#x017F;cheu-<lb/>
&#x017F;aal der welt, ihrer                             a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen kranckheit wegen,<lb/>
nicht                             unter&#x017F;tehen du&#x0364;rffen iemand unter die augen<lb/>
zu                             treten? was fu&#x0364;r brennende regungen mo&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;ie                             nicht empfunden haben, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich ihrer<lb/>
gei&#x017F;tlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket fu&#x0364;r<lb/>
den augen Gottes, als ein greuel fu&#x0364;r den augen<lb/>
der                             heilig&#x017F;ten maie&#x017F;ta&#x0364;t erinnert. Jch meine ia,<lb/>
daß &#x017F;ie ur&#x017F;ach gehabt, von ferne zu &#x017F;tehen,                             wie<lb/>
der zo&#x0364;llner, und ihre augen nicht aufzuheben gen<lb/>
himmel, &#x017F;ondern an ihre bru&#x017F;t zu &#x017F;chlagen, und<lb/>
zu &#x017F;eufzen: GOtt &#x017F;ey uns armen &#x017F;u&#x0364;ndern                             gna&#x0364;dig.<lb/>
Allein ihre erka&#x0364;nntniß i&#x017F;t eine                             heyl&#x017F;ame erka&#x0364;nnt-<lb/>
niß, denn &#x017F;ie                             fu&#x0364;hret ihre fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e auf den himmels-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weg,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0526] von Theologiſchen womit dir raͤchende hand des gerechten richters, die freventlichen uͤbertreter des geſetzes, als zum exempel: Miriam, Vſiam, und andere zu ſchlagen pflegte. So daß die mit dem auſſatz behaftete urſache fanden, zu ſeuftzen: Herr es iſt nichts geſundes an meinem leibe fuͤr deinen draͤuen, und iſt kein friede in meinen gebeinen fuͤr meiner ſuͤnde. Denn meine ſuͤnde gehen uͤber mein haupt, wie eine ſchwere laſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Meine wunden ſtincken und ei- tern fuͤr meiner thorheit. Meine lieben freun- de ſtehen gegen mir und ſcheuen meine plage, und meine naͤchſten treten ferne. Urtheilet nun ſelbſt, meine freunde, ob dieſe auſſaͤtzige nicht mit rechte elende leute zu nennen? Jedoch ſie erken- nen ſelbſt ihr elend, denn ſie ſtehen von ferne. Was fuͤr eine hertzens angſt mag nicht in ihrer ſeelen geweſen ſeyn, wann ſie ſich als ein ſcheu- ſaal der welt, ihrer aͤuſſerlichen kranckheit wegen, nicht unterſtehen duͤrffen iemand unter die augen zu treten? was fuͤr brennende regungen moͤgen ſie nicht empfunden haben, wenn ſie ſich ihrer geiſtlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket fuͤr den augen Gottes, als ein greuel fuͤr den augen der heiligſten maieſtaͤt erinnert. Jch meine ia, daß ſie urſach gehabt, von ferne zu ſtehen, wie der zoͤllner, und ihre augen nicht aufzuheben gen himmel, ſondern an ihre bruſt zu ſchlagen, und zu ſeufzen: GOtt ſey uns armen ſuͤndern gnaͤdig. Allein ihre erkaͤnntniß iſt eine heylſame erkaͤnnt- niß, denn ſie fuͤhret ihre fuͤſſe auf den himmels- weg,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/526
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/526>, abgerufen am 22.11.2024.