Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. Standes und des höchsten Geschmacks entsprechen. Der Ritterwie die Dame mußten, wo sie erschienen, stets wohlgekleidet sein, und überhaupt in ihrer ganzen Erscheinung die äußerste Reinlich- keit, Nettigkeit und Wohlanständigkeit zur Schau tragen. Es hatten sich in dieser Beziehung bestimmte Meinungen und Vor- schriften über das Geziemende festgestellt. So unterrichtet ein alter provencalischer Ritter, ein Kenner des weiblichen Geschlechts, jüngere Genossen, wie sie sich nach ihrem Vermögen zu kleiden haben: wenn sie nicht Kleider von gutem Tuch haben können, so möchten sie ihre Aufmerksamkeit verdoppeln, daß solche wenig- stens nach ihrem Wuchse gut gemacht werden; daß sie namentlich gut frisirt und mit guter Fußbekleidung versehen seien, auch daß sie sich durch die Reinlichkeit ihres Gürtels, ihres Dolchs und ihrer Börse auszeichnen sollen; insbesondere möchten sie eher durchschnittene und zerrissene als aufgetrennte Kleider tragen, "denn diese zeugen von Nachlässigkeit, welche ein Fehler ist, jene beweisen bloß Armuth, welche das nie gewesen ist." In Deutsch- land hatte man folgende Verse über Dinge, die einem Ritter zur Schande gereichen: "Welch Ritter bei einer Messe steht Und nicht zu dem Opfer geht, Und Schüsseln spült und spielt mit Schälken, Und beginnt die Kühe zu melken, Und geflickte Schuh anträgt, Und einen Armen verschmäht, Und seine Kleider schickt, daß man sie ihm wend't -- Der hat sein Ritterschaft geschänd't." Schöne Kleider waren überall ersehnte Dinge und daher ein be- II. Das Mittelalter. Standes und des höchſten Geſchmacks entſprechen. Der Ritterwie die Dame mußten, wo ſie erſchienen, ſtets wohlgekleidet ſein, und überhaupt in ihrer ganzen Erſcheinung die äußerſte Reinlich- keit, Nettigkeit und Wohlanſtändigkeit zur Schau tragen. Es hatten ſich in dieſer Beziehung beſtimmte Meinungen und Vor- ſchriften über das Geziemende feſtgeſtellt. So unterrichtet ein alter provençaliſcher Ritter, ein Kenner des weiblichen Geſchlechts, jüngere Genoſſen, wie ſie ſich nach ihrem Vermögen zu kleiden haben: wenn ſie nicht Kleider von gutem Tuch haben können, ſo möchten ſie ihre Aufmerkſamkeit verdoppeln, daß ſolche wenig- ſtens nach ihrem Wuchſe gut gemacht werden; daß ſie namentlich gut friſirt und mit guter Fußbekleidung verſehen ſeien, auch daß ſie ſich durch die Reinlichkeit ihres Gürtels, ihres Dolchs und ihrer Börſe auszeichnen ſollen; insbeſondere möchten ſie eher durchſchnittene und zerriſſene als aufgetrennte Kleider tragen, „denn dieſe zeugen von Nachläſſigkeit, welche ein Fehler iſt, jene beweiſen bloß Armuth, welche das nie geweſen iſt.“ In Deutſch- land hatte man folgende Verſe über Dinge, die einem Ritter zur Schande gereichen: „Welch Ritter bei einer Meſſe ſteht Und nicht zu dem Opfer geht, Und Schüſſeln ſpült und ſpielt mit Schälken, Und beginnt die Kühe zu melken, Und geflickte Schuh anträgt, Und einen Armen verſchmäht, Und ſeine Kleider ſchickt, daß man ſie ihm wend’t — Der hat ſein Ritterſchaft geſchänd’t.“ Schöne Kleider waren überall erſehnte Dinge und daher ein be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0170" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> Standes und des höchſten Geſchmacks entſprechen. 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II. Das Mittelalter.
Standes und des höchſten Geſchmacks entſprechen. Der Ritter
wie die Dame mußten, wo ſie erſchienen, ſtets wohlgekleidet ſein,
und überhaupt in ihrer ganzen Erſcheinung die äußerſte Reinlich-
keit, Nettigkeit und Wohlanſtändigkeit zur Schau tragen. Es
hatten ſich in dieſer Beziehung beſtimmte Meinungen und Vor-
ſchriften über das Geziemende feſtgeſtellt. So unterrichtet ein
alter provençaliſcher Ritter, ein Kenner des weiblichen Geſchlechts,
jüngere Genoſſen, wie ſie ſich nach ihrem Vermögen zu kleiden
haben: wenn ſie nicht Kleider von gutem Tuch haben können, ſo
möchten ſie ihre Aufmerkſamkeit verdoppeln, daß ſolche wenig-
ſtens nach ihrem Wuchſe gut gemacht werden; daß ſie namentlich
gut friſirt und mit guter Fußbekleidung verſehen ſeien, auch daß
ſie ſich durch die Reinlichkeit ihres Gürtels, ihres Dolchs und
ihrer Börſe auszeichnen ſollen; insbeſondere möchten ſie eher
durchſchnittene und zerriſſene als aufgetrennte Kleider tragen,
„denn dieſe zeugen von Nachläſſigkeit, welche ein Fehler iſt, jene
beweiſen bloß Armuth, welche das nie geweſen iſt.“ In Deutſch-
land hatte man folgende Verſe über Dinge, die einem Ritter zur
Schande gereichen:
„Welch Ritter bei einer Meſſe ſteht
Und nicht zu dem Opfer geht,
Und Schüſſeln ſpült und ſpielt mit Schälken,
Und beginnt die Kühe zu melken,
Und geflickte Schuh anträgt,
Und einen Armen verſchmäht,
Und ſeine Kleider ſchickt, daß man ſie ihm wend’t —
Der hat ſein Ritterſchaft geſchänd’t.“
Schöne Kleider waren überall erſehnte Dinge und daher ein be-
liebter Gegenſtand des Schenkens, ſowohl von Seiten der Da-
men an die Ritter, welche ſie zu Turnieren und andern Feſtlich-
keiten mit neuen und ſchönen, von ihnen ſelbſt gearbeiteten oder
geſtickten Gewändern ausrüſteten, als auch von Seiten der Für-
ſten an die Gäſte und Angehörigen ihres Hofes und von Seiten
der Herren an ihre Diener. Dieſe Freigebigkeit war daher ein
ganz beſonderes Lob im Munde der Dichter, wie Peter Suchen-
wirt von König Ludwig von Ungarn ſagt:
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