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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
quette, die von Burgund in viel verschärfterem Maße auf Spanien
übergegangen war. Wir begreifen in diesem Costüm die gespreizte
und in allen tragikomischen Streichen des Schicksals unerschütterte
Höflichkeit, wie sie die Blume der irrenden Ritterschaft, Don
Quichote, das classische Wunderproduct dieser Zeit, an den Tag
legt, seine ausgesuchte Artigkeit, bei der lächerlichen Trauergestalt
die feinsten und edelsten Manieren des Ritterthums, sowie die
zierlichst gedrechselten Redensarten, die duftenden Blüthen der
Höflichkeit, die nun allen Ernstes von Spanien aus mit der
spanischen Mode den Weg zu den Höfen und den gebildeten Clas-
sen der christlichen Länder machten.

Das Bild des Spaniers hat auch seine Gegenseite, von
welcher ihn seine Feinde auffaßten, die seinen Uebermuth und
seinen Stolz nicht zu ertragen vermochten. Freilich stand Spanien
damals noch auf dem Höhepunkte der Macht und dem Gipfel
des Ruhmes und dünkte sich das erste Land der Welt zu sein.
Die Satire fand in seiner äußeren Erscheinung nichts als Eitel-
keit, Aufgeblasenheit, leere Hohlheit und Renommisterei. Auf
einem fliegenden Blatte, welches seine Untugenden in Bildern
und Versen darstellt und zu dieser Zeit in den Niederlanden er-
schien, wird die folgende Beschreibung von ihm gemacht:

Ein Pfau auf der Gassen.
"Macht Platz, ihr Leut, jetzt kommt die Sau,
Welch sich verwandelt in ein Pfau,
Mit großen Kragen einhergeht,
Damit ziert er sein Gravitet.
Wenn sich der Pfau zu zeigen begehrt,
Umgürt er sich mit eim Schwert,
Langsam, hoffertig einhertritt,
Zehlet im Gehen alle Schritt,
Thut auf den Seiten umher gaffen,
Ob auch die Leut ansehn den Affen,
Wer ihn nicht ehrt für ein Hidalgo,
Schilt er ein Perro oder Galgo.
Er ist der Mann, der alls erfahren,
Und in India oft gefahren,

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
quette, die von Burgund in viel verſchärfterem Maße auf Spanien
übergegangen war. Wir begreifen in dieſem Coſtüm die geſpreizte
und in allen tragikomiſchen Streichen des Schickſals unerſchütterte
Höflichkeit, wie ſie die Blume der irrenden Ritterſchaft, Don
Quichote, das claſſiſche Wunderproduct dieſer Zeit, an den Tag
legt, ſeine ausgeſuchte Artigkeit, bei der lächerlichen Trauergeſtalt
die feinſten und edelſten Manieren des Ritterthums, ſowie die
zierlichſt gedrechſelten Redensarten, die duftenden Blüthen der
Höflichkeit, die nun allen Ernſtes von Spanien aus mit der
ſpaniſchen Mode den Weg zu den Höfen und den gebildeten Claſ-
ſen der chriſtlichen Länder machten.

Das Bild des Spaniers hat auch ſeine Gegenſeite, von
welcher ihn ſeine Feinde auffaßten, die ſeinen Uebermuth und
ſeinen Stolz nicht zu ertragen vermochten. Freilich ſtand Spanien
damals noch auf dem Höhepunkte der Macht und dem Gipfel
des Ruhmes und dünkte ſich das erſte Land der Welt zu ſein.
Die Satire fand in ſeiner äußeren Erſcheinung nichts als Eitel-
keit, Aufgeblaſenheit, leere Hohlheit und Renommiſterei. Auf
einem fliegenden Blatte, welches ſeine Untugenden in Bildern
und Verſen darſtellt und zu dieſer Zeit in den Niederlanden er-
ſchien, wird die folgende Beſchreibung von ihm gemacht:

Ein Pfau auf der Gaſſen.
„Macht Platz, ihr Leut, jetzt kommt die Sau,
Welch ſich verwandelt in ein Pfau,
Mit großen Kragen einhergeht,
Damit ziert er ſein Gravitet.
Wenn ſich der Pfau zu zeigen begehrt,
Umgürt er ſich mit eim Schwert,
Langſam, hoffertig einhertritt,
Zehlet im Gehen alle Schritt,
Thut auf den Seiten umher gaffen,
Ob auch die Leut anſehn den Affen,
Wer ihn nicht ehrt für ein Hidalgo,
Schilt er ein Perro oder Galgo.
Er iſt der Mann, der alls erfahren,
Und in India oft gefahren,
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[91/0103] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. quette, die von Burgund in viel verſchärfterem Maße auf Spanien übergegangen war. Wir begreifen in dieſem Coſtüm die geſpreizte und in allen tragikomiſchen Streichen des Schickſals unerſchütterte Höflichkeit, wie ſie die Blume der irrenden Ritterſchaft, Don Quichote, das claſſiſche Wunderproduct dieſer Zeit, an den Tag legt, ſeine ausgeſuchte Artigkeit, bei der lächerlichen Trauergeſtalt die feinſten und edelſten Manieren des Ritterthums, ſowie die zierlichſt gedrechſelten Redensarten, die duftenden Blüthen der Höflichkeit, die nun allen Ernſtes von Spanien aus mit der ſpaniſchen Mode den Weg zu den Höfen und den gebildeten Claſ- ſen der chriſtlichen Länder machten. Das Bild des Spaniers hat auch ſeine Gegenſeite, von welcher ihn ſeine Feinde auffaßten, die ſeinen Uebermuth und ſeinen Stolz nicht zu ertragen vermochten. Freilich ſtand Spanien damals noch auf dem Höhepunkte der Macht und dem Gipfel des Ruhmes und dünkte ſich das erſte Land der Welt zu ſein. Die Satire fand in ſeiner äußeren Erſcheinung nichts als Eitel- keit, Aufgeblaſenheit, leere Hohlheit und Renommiſterei. Auf einem fliegenden Blatte, welches ſeine Untugenden in Bildern und Verſen darſtellt und zu dieſer Zeit in den Niederlanden er- ſchien, wird die folgende Beſchreibung von ihm gemacht: Ein Pfau auf der Gaſſen. „Macht Platz, ihr Leut, jetzt kommt die Sau, Welch ſich verwandelt in ein Pfau, Mit großen Kragen einhergeht, Damit ziert er ſein Gravitet. Wenn ſich der Pfau zu zeigen begehrt, Umgürt er ſich mit eim Schwert, Langſam, hoffertig einhertritt, Zehlet im Gehen alle Schritt, Thut auf den Seiten umher gaffen, Ob auch die Leut anſehn den Affen, Wer ihn nicht ehrt für ein Hidalgo, Schilt er ein Perro oder Galgo. Er iſt der Mann, der alls erfahren, Und in India oft gefahren,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/103>, abgerufen am 21.11.2024.