Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Die Neuzeit.
Jetzt kommt er aus Orient,
Morgen lauft er nach Occident,
In Asia und Afrika,
Gar zu gemein ist Europa.
Von China redt er gar gewiß,
Als der solchs hat erfahren am Tisch."

Die bisherige Beschreibung galt nur dem nobeln Spanier,
vorzugsweise wie er sich in Deutschland und den Niederlanden in
diesem Jahrhundert mit eleganter Tournüre darstellt. Sie be-
darf noch einiger Vervollständigung. Denn theils hatten sich in
Spanien, sei es durch die Beziehungen mit der sarazenischen
Welt, sei es durch die schnellere Unterdrückung der reformatori-
schen Bewegung, früher als anderswo verschiedenartige Volks-
trachten festgesetzt, die wir freilich hier nicht berücksichtigen können
theils fanden auch in der vornehmen Welt Abweichungen statt,
die sich durch größere oder geringere Eleganz unterschieden. So
gehörte die oben geschilderte "Pumphose", wie man sie in Deutsch-
land nannte, mit den übergezogenen "angehäkelten" Polstern zur
feinsten Tracht; im Volk oder überhaupt bei weniger eleganter
Toilette trug man die Hose bis zum Knie hin dickwulstig ausge-
stopft und Strümpfe dazu, wenigstens seit der Mitte des Jahr-
hunderts; auf dem Lande war sie auch schlicht nach alter Weise.
Dieser Umstand erklärt uns eine Stelle im Don Quichote, da
die gute Sanchica grade dazu kommt, wie der Page ihrer Mutter
die Nachricht von der Statthalterschaft Sancho Pansa's bringt.
"Sagt mir, lieber Herr," fragt sie, "trägt denn mein Herr Vater
vielleicht angehäkelte Hosen, seitdem er Statthalter ist?" Ohne
Zweifel, meint der Page. "Ach du liebster Gott," versetzt
Sanchica, "o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit
Pumphosen zu sehen! ist es nicht recht besonders, daß ich, seit
ich auf der Welt bin, das schrecklichste Verlangen habe, meinen
Vater in angehäkelten Hosen zu sehen?" -- Von andern Herrlich-
keiten zierlicher Männerkleidung erzählt uns Altesidora in dem
verliebten Lied, das sie nächtlicher Weile vor den Fenstern des
irrenden Ritters singt; sie gebraucht sie als Lockmittel:

III. Die Neuzeit.
Jetzt kommt er aus Orient,
Morgen lauft er nach Occident,
In Aſia und Afrika,
Gar zu gemein iſt Europa.
Von China redt er gar gewiß,
Als der ſolchs hat erfahren am Tiſch.“

Die bisherige Beſchreibung galt nur dem nobeln Spanier,
vorzugsweiſe wie er ſich in Deutſchland und den Niederlanden in
dieſem Jahrhundert mit eleganter Tournüre darſtellt. Sie be-
darf noch einiger Vervollſtändigung. Denn theils hatten ſich in
Spanien, ſei es durch die Beziehungen mit der ſarazeniſchen
Welt, ſei es durch die ſchnellere Unterdrückung der reformatori-
ſchen Bewegung, früher als anderswo verſchiedenartige Volks-
trachten feſtgeſetzt, die wir freilich hier nicht berückſichtigen können
theils fanden auch in der vornehmen Welt Abweichungen ſtatt,
die ſich durch größere oder geringere Eleganz unterſchieden. So
gehörte die oben geſchilderte „Pumphoſe“, wie man ſie in Deutſch-
land nannte, mit den übergezogenen „angehäkelten“ Polſtern zur
feinſten Tracht; im Volk oder überhaupt bei weniger eleganter
Toilette trug man die Hoſe bis zum Knie hin dickwulſtig ausge-
ſtopft und Strümpfe dazu, wenigſtens ſeit der Mitte des Jahr-
hunderts; auf dem Lande war ſie auch ſchlicht nach alter Weiſe.
Dieſer Umſtand erklärt uns eine Stelle im Don Quichote, da
die gute Sanchica grade dazu kommt, wie der Page ihrer Mutter
die Nachricht von der Statthalterſchaft Sancho Panſa’s bringt.
„Sagt mir, lieber Herr,“ fragt ſie, „trägt denn mein Herr Vater
vielleicht angehäkelte Hoſen, ſeitdem er Statthalter iſt?“ Ohne
Zweifel, meint der Page. „Ach du liebſter Gott,“ verſetzt
Sanchica, „o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit
Pumphoſen zu ſehen! iſt es nicht recht beſonders, daß ich, ſeit
ich auf der Welt bin, das ſchrecklichſte Verlangen habe, meinen
Vater in angehäkelten Hoſen zu ſehen?“ — Von andern Herrlich-
keiten zierlicher Männerkleidung erzählt uns Alteſidora in dem
verliebten Lied, das ſie nächtlicher Weile vor den Fenſtern des
irrenden Ritters ſingt; ſie gebraucht ſie als Lockmittel:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0104" n="92"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/>
            <l>Jetzt kommt er aus Orient,</l><lb/>
            <l>Morgen lauft er nach Occident,</l><lb/>
            <l>In A&#x017F;ia und Afrika,</l><lb/>
            <l>Gar zu gemein i&#x017F;t Europa.</l><lb/>
            <l>Von China redt er gar gewiß,</l><lb/>
            <l>Als der &#x017F;olchs hat erfahren am Ti&#x017F;ch.&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <p>Die bisherige Be&#x017F;chreibung galt nur dem nobeln Spanier,<lb/>
vorzugswei&#x017F;e wie er &#x017F;ich in Deut&#x017F;chland und den Niederlanden in<lb/>
die&#x017F;em Jahrhundert mit eleganter Tournüre dar&#x017F;tellt. Sie be-<lb/>
darf noch einiger Vervoll&#x017F;tändigung. Denn theils hatten &#x017F;ich in<lb/>
Spanien, &#x017F;ei es durch die Beziehungen mit der &#x017F;arazeni&#x017F;chen<lb/>
Welt, &#x017F;ei es durch die &#x017F;chnellere Unterdrückung der reformatori-<lb/>
&#x017F;chen Bewegung, früher als anderswo ver&#x017F;chiedenartige Volks-<lb/>
trachten fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, die wir freilich hier nicht berück&#x017F;ichtigen können<lb/>
theils fanden auch in der vornehmen Welt Abweichungen &#x017F;tatt,<lb/>
die &#x017F;ich durch größere oder geringere Eleganz unter&#x017F;chieden. So<lb/>
gehörte die oben ge&#x017F;childerte &#x201E;Pumpho&#x017F;e&#x201C;, wie man &#x017F;ie in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land nannte, mit den übergezogenen &#x201E;angehäkelten&#x201C; Pol&#x017F;tern zur<lb/>
fein&#x017F;ten Tracht; im Volk oder überhaupt bei weniger eleganter<lb/>
Toilette trug man die Ho&#x017F;e bis zum Knie hin dickwul&#x017F;tig ausge-<lb/>
&#x017F;topft und Strümpfe dazu, wenig&#x017F;tens &#x017F;eit der Mitte des Jahr-<lb/>
hunderts; auf dem Lande war &#x017F;ie auch &#x017F;chlicht nach alter Wei&#x017F;e.<lb/>
Die&#x017F;er Um&#x017F;tand erklärt uns eine Stelle im Don Quichote, da<lb/>
die gute Sanchica grade dazu kommt, wie der Page ihrer Mutter<lb/>
die Nachricht von der Statthalter&#x017F;chaft Sancho Pan&#x017F;a&#x2019;s bringt.<lb/>
&#x201E;Sagt mir, lieber Herr,&#x201C; fragt &#x017F;ie, &#x201E;trägt denn mein Herr Vater<lb/>
vielleicht angehäkelte Ho&#x017F;en, &#x017F;eitdem er Statthalter i&#x017F;t?&#x201C; Ohne<lb/>
Zweifel, meint der Page. &#x201E;Ach du lieb&#x017F;ter Gott,&#x201C; ver&#x017F;etzt<lb/>
Sanchica, &#x201E;o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit<lb/>
Pumpho&#x017F;en zu &#x017F;ehen! i&#x017F;t es nicht recht be&#x017F;onders, daß ich, &#x017F;eit<lb/>
ich auf der Welt bin, das &#x017F;chrecklich&#x017F;te Verlangen habe, meinen<lb/>
Vater in angehäkelten Ho&#x017F;en zu &#x017F;ehen?&#x201C; &#x2014; Von andern Herrlich-<lb/>
keiten zierlicher Männerkleidung erzählt uns Alte&#x017F;idora in dem<lb/>
verliebten Lied, das &#x017F;ie nächtlicher Weile vor den Fen&#x017F;tern des<lb/>
irrenden Ritters &#x017F;ingt; &#x017F;ie gebraucht &#x017F;ie als Lockmittel:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0104] III. Die Neuzeit. Jetzt kommt er aus Orient, Morgen lauft er nach Occident, In Aſia und Afrika, Gar zu gemein iſt Europa. Von China redt er gar gewiß, Als der ſolchs hat erfahren am Tiſch.“ Die bisherige Beſchreibung galt nur dem nobeln Spanier, vorzugsweiſe wie er ſich in Deutſchland und den Niederlanden in dieſem Jahrhundert mit eleganter Tournüre darſtellt. Sie be- darf noch einiger Vervollſtändigung. Denn theils hatten ſich in Spanien, ſei es durch die Beziehungen mit der ſarazeniſchen Welt, ſei es durch die ſchnellere Unterdrückung der reformatori- ſchen Bewegung, früher als anderswo verſchiedenartige Volks- trachten feſtgeſetzt, die wir freilich hier nicht berückſichtigen können theils fanden auch in der vornehmen Welt Abweichungen ſtatt, die ſich durch größere oder geringere Eleganz unterſchieden. So gehörte die oben geſchilderte „Pumphoſe“, wie man ſie in Deutſch- land nannte, mit den übergezogenen „angehäkelten“ Polſtern zur feinſten Tracht; im Volk oder überhaupt bei weniger eleganter Toilette trug man die Hoſe bis zum Knie hin dickwulſtig ausge- ſtopft und Strümpfe dazu, wenigſtens ſeit der Mitte des Jahr- hunderts; auf dem Lande war ſie auch ſchlicht nach alter Weiſe. Dieſer Umſtand erklärt uns eine Stelle im Don Quichote, da die gute Sanchica grade dazu kommt, wie der Page ihrer Mutter die Nachricht von der Statthalterſchaft Sancho Panſa’s bringt. „Sagt mir, lieber Herr,“ fragt ſie, „trägt denn mein Herr Vater vielleicht angehäkelte Hoſen, ſeitdem er Statthalter iſt?“ Ohne Zweifel, meint der Page. „Ach du liebſter Gott,“ verſetzt Sanchica, „o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit Pumphoſen zu ſehen! iſt es nicht recht beſonders, daß ich, ſeit ich auf der Welt bin, das ſchrecklichſte Verlangen habe, meinen Vater in angehäkelten Hoſen zu ſehen?“ — Von andern Herrlich- keiten zierlicher Männerkleidung erzählt uns Alteſidora in dem verliebten Lied, das ſie nächtlicher Weile vor den Fenſtern des irrenden Ritters ſingt; ſie gebraucht ſie als Lockmittel:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/104
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/104>, abgerufen am 21.11.2024.