Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. ein Nest oder einen Knoten gesammelt ist, sodaß auch der Nackenvollkommen frei bleibt. Einzelne bestimmte Formen kehren öfter wieder. Darunter ist besonders eine auffallend, bei welcher sich über der Stirn zu beiden Seiten des Scheitels zwei stattliche, sehr künstlich aufgebaute Lockenhörner erheben, womit die Da- men, wie Vecellio sagt, die Göttin der Keuschheit nachahmen wollen, welche die Kunst als Luna mit dem Halbmond über der Stirn darstellt. Auch in Deutschland fand diese Frisur viele Liebhaberinnen, ohne daß dieselben den poetischen Hintergedan- ken dabei hatten. Die größte Mühe um das Haar gaben sich die Venetia- Die Tracht der italienischen Männer wich weniger ab von III. Die Neuzeit. ein Neſt oder einen Knoten geſammelt iſt, ſodaß auch der Nackenvollkommen frei bleibt. Einzelne beſtimmte Formen kehren öfter wieder. Darunter iſt beſonders eine auffallend, bei welcher ſich über der Stirn zu beiden Seiten des Scheitels zwei ſtattliche, ſehr künſtlich aufgebaute Lockenhörner erheben, womit die Da- men, wie Vecellio ſagt, die Göttin der Keuſchheit nachahmen wollen, welche die Kunſt als Luna mit dem Halbmond über der Stirn darſtellt. Auch in Deutſchland fand dieſe Friſur viele Liebhaberinnen, ohne daß dieſelben den poetiſchen Hintergedan- ken dabei hatten. Die größte Mühe um das Haar gaben ſich die Venetia- Die Tracht der italieniſchen Männer wich weniger ab von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> ein Neſt oder einen Knoten geſammelt iſt, ſodaß auch der Nacken<lb/> vollkommen frei bleibt. Einzelne beſtimmte Formen kehren öfter<lb/> wieder. Darunter iſt beſonders eine auffallend, bei welcher ſich<lb/> über der Stirn zu beiden Seiten des Scheitels zwei ſtattliche,<lb/> ſehr künſtlich aufgebaute Lockenhörner erheben, womit die Da-<lb/> men, wie Vecellio ſagt, die Göttin der Keuſchheit nachahmen<lb/> wollen, welche die Kunſt als Luna mit dem Halbmond über der<lb/> Stirn darſtellt. Auch in Deutſchland fand dieſe Friſur viele<lb/> Liebhaberinnen, ohne daß dieſelben den poetiſchen Hintergedan-<lb/> ken dabei hatten.</p><lb/> <p>Die größte Mühe um das Haar gaben ſich die Venetia-<lb/> nerinnen, welche nach der Verſicherung ihres Landsmannes Ve-<lb/> cellio von allen Italienerinnen am meiſten die natürliche Schön-<lb/> heit durch die Kunſt zu verbeſſern befliſſen waren. Wie wir das<lb/> ſchon im Mittelalter geſehen haben, ſo war noch mehr in dieſer<lb/> Zeit das blonde Haar von ihnen aufs höchſte geſchätzt, und um<lb/> es künſtlich herzuſtellen, unterzogen ſie ſich einem ſehr läſtigen<lb/> Verfahren, bei welchem ſie ſich ſelbſt bedienen mußten. Nicht<lb/> grade ſeltne Bilder geben uns davon die deutlichſte Anſchauung.<lb/> Die venetianiſchen Häuſer pflegten auf dem Dache eine offene<lb/> hölzerne Altane zu haben. Auf dieſe ſetzten ſich die Damen, ge-<lb/> hüllt in ein hemdartig weites, langes Gewand von weißer Seide<lb/> oder der feinſten Leinwand und bedeckt mit dem außerordentlich<lb/> breiten Rande eines Strohhutes ohne Boden oder Kopf, über<lb/> welchen die aus der Oeffnung herausgezogenen Haare ausge-<lb/> breitet waren. So vorbereitet, nahmen ſie einen Schwamm, der<lb/> an der Spitze eines Stäbchens befeſtigt war, tauchten ihn in ein<lb/> nebenſtehendes künſtliches Waſſer, welches man kaufen konnte<lb/> oder ſich ſelbſt im Hauſe bereitete, und wuſchen mit demſelben<lb/> die vor der Sonne auseinander gelegten Haare. So ſaßen ſie<lb/> den ganzen Tag, Tage lang, von der Sonne beſchienen, je heißer<lb/> deſto beſſer, bis unter dieſer Procedur das Haar blond wurde.<lb/> Der breite Hut ſchützte Geſicht, Nacken und Schultern vor dem<lb/> Verderbniß des Teints.</p><lb/> <p>Die Tracht der italieniſchen Männer wich weniger ab von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0114]
III. Die Neuzeit.
ein Neſt oder einen Knoten geſammelt iſt, ſodaß auch der Nacken
vollkommen frei bleibt. Einzelne beſtimmte Formen kehren öfter
wieder. Darunter iſt beſonders eine auffallend, bei welcher ſich
über der Stirn zu beiden Seiten des Scheitels zwei ſtattliche,
ſehr künſtlich aufgebaute Lockenhörner erheben, womit die Da-
men, wie Vecellio ſagt, die Göttin der Keuſchheit nachahmen
wollen, welche die Kunſt als Luna mit dem Halbmond über der
Stirn darſtellt. Auch in Deutſchland fand dieſe Friſur viele
Liebhaberinnen, ohne daß dieſelben den poetiſchen Hintergedan-
ken dabei hatten.
Die größte Mühe um das Haar gaben ſich die Venetia-
nerinnen, welche nach der Verſicherung ihres Landsmannes Ve-
cellio von allen Italienerinnen am meiſten die natürliche Schön-
heit durch die Kunſt zu verbeſſern befliſſen waren. Wie wir das
ſchon im Mittelalter geſehen haben, ſo war noch mehr in dieſer
Zeit das blonde Haar von ihnen aufs höchſte geſchätzt, und um
es künſtlich herzuſtellen, unterzogen ſie ſich einem ſehr läſtigen
Verfahren, bei welchem ſie ſich ſelbſt bedienen mußten. Nicht
grade ſeltne Bilder geben uns davon die deutlichſte Anſchauung.
Die venetianiſchen Häuſer pflegten auf dem Dache eine offene
hölzerne Altane zu haben. Auf dieſe ſetzten ſich die Damen, ge-
hüllt in ein hemdartig weites, langes Gewand von weißer Seide
oder der feinſten Leinwand und bedeckt mit dem außerordentlich
breiten Rande eines Strohhutes ohne Boden oder Kopf, über
welchen die aus der Oeffnung herausgezogenen Haare ausge-
breitet waren. So vorbereitet, nahmen ſie einen Schwamm, der
an der Spitze eines Stäbchens befeſtigt war, tauchten ihn in ein
nebenſtehendes künſtliches Waſſer, welches man kaufen konnte
oder ſich ſelbſt im Hauſe bereitete, und wuſchen mit demſelben
die vor der Sonne auseinander gelegten Haare. So ſaßen ſie
den ganzen Tag, Tage lang, von der Sonne beſchienen, je heißer
deſto beſſer, bis unter dieſer Procedur das Haar blond wurde.
Der breite Hut ſchützte Geſicht, Nacken und Schultern vor dem
Verderbniß des Teints.
Die Tracht der italieniſchen Männer wich weniger ab von
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