Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.2. Die Reaction und die spanische Tracht. Haube, die aber das über den Schläfen emporgerichtete Haar un-bedeckt ließ, bald frisirte sie ihr natürliches schwarzes Haar in sehr mannigfaltiger Art, immer jedoch so, daß es von Stirn und Nacken sich aufrichtete; zuweilen auch trug sie eine niedliche Per- rücke, d. h. einen kleinen Haaraufsatz. Auch des Schleiers wußte sie sich in verschiedener Art vortheilhaft zu bedienen. Hüte und Hauben, von denen die ersteren spanisch geformt waren, wurden auch mit Federn geschmückt. Die Erste, welche es wagte, der französischen Sitte entgegen die Federn so anzubringen, daß sie gegen oder über die Stirn hereinwankten, war wieder die Köni- gin Margaretha. Man nannte diese Weise adoniser. Dem Könige aber gefiel sie gar nicht, und als eine Hofdame Marga- rethens Beispiel folgte, ließ er sie wissen, daß er ihr das nächste Mal, wenn sie wieder so erscheine, eine deutsche Flöte reichen lasse. Das sollte eine Anspielung auf flandrische Flötenspielerin- nen sein, die sich so trugen. Allein dessenungeachtet fuhren die Damen dennoch fort sich zu adonisiren. Es gab auch Weisen, die Federn aufzustecken, welche man a la Guelfe und a la Gibel- line nannte. Unter Heinrich IV. wurde noch vorzugsweise bei den Damen 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. Haube, die aber das über den Schläfen emporgerichtete Haar un-bedeckt ließ, bald friſirte ſie ihr natürliches ſchwarzes Haar in ſehr mannigfaltiger Art, immer jedoch ſo, daß es von Stirn und Nacken ſich aufrichtete; zuweilen auch trug ſie eine niedliche Per- rücke, d. h. einen kleinen Haaraufſatz. Auch des Schleiers wußte ſie ſich in verſchiedener Art vortheilhaft zu bedienen. Hüte und Hauben, von denen die erſteren ſpaniſch geformt waren, wurden auch mit Federn geſchmückt. Die Erſte, welche es wagte, der franzöſiſchen Sitte entgegen die Federn ſo anzubringen, daß ſie gegen oder über die Stirn hereinwankten, war wieder die Köni- gin Margaretha. Man nannte dieſe Weiſe adoniser. Dem Könige aber gefiel ſie gar nicht, und als eine Hofdame Marga- rethens Beiſpiel folgte, ließ er ſie wiſſen, daß er ihr das nächſte Mal, wenn ſie wieder ſo erſcheine, eine deutſche Flöte reichen laſſe. Das ſollte eine Anſpielung auf flandriſche Flötenſpielerin- nen ſein, die ſich ſo trugen. Allein deſſenungeachtet fuhren die Damen dennoch fort ſich zu adoniſiren. Es gab auch Weiſen, die Federn aufzuſtecken, welche man à la Guelfe und à la Gibel- line nannte. Unter Heinrich IV. wurde noch vorzugsweiſe bei den Damen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="107"/><fw place="top" type="header">2. 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Hein-<lb/> rich <hi rendition="#aq">IV.</hi> kam die Maske auch bei ſeinen verliebten Abenteuern<lb/> wohl zu ſtatten. Man trug ſie bei jedem Beſuche, oder wo vor-<lb/> nehme Herren und Damen ſonſt öffentlich oder ſelbſt in Geſell-<lb/> ſchaft ſich zeigten. Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi> erſchien mit derſelben auch im<lb/> geheimen Rath, wo ſie ihm nur ſeine geliebte Gabriele d’Etr<hi rendition="#aq">é</hi>es,<lb/> die überall ihm folgte, abnahm, um ihn küſſen zu können. Nur<lb/> die Königin Margaretha emancipirte ſich von der Sitte. Bran-<lb/> tome erzählt, daß ſie nur ſelten eine Maske getragen habe; mit<lb/> entblößtem Geſicht ſei ſie einſt ſelbſt in der Prozeſſion zu Blois<lb/> gegangen. In Deutſchland wollte die Maske keinen Boden fin-<lb/> den, obwohl Anſpielungen vorkommen; in England dagegen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0119]
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
Haube, die aber das über den Schläfen emporgerichtete Haar un-
bedeckt ließ, bald friſirte ſie ihr natürliches ſchwarzes Haar in ſehr
mannigfaltiger Art, immer jedoch ſo, daß es von Stirn und
Nacken ſich aufrichtete; zuweilen auch trug ſie eine niedliche Per-
rücke, d. h. einen kleinen Haaraufſatz. Auch des Schleiers wußte
ſie ſich in verſchiedener Art vortheilhaft zu bedienen. Hüte und
Hauben, von denen die erſteren ſpaniſch geformt waren, wurden
auch mit Federn geſchmückt. Die Erſte, welche es wagte, der
franzöſiſchen Sitte entgegen die Federn ſo anzubringen, daß ſie
gegen oder über die Stirn hereinwankten, war wieder die Köni-
gin Margaretha. Man nannte dieſe Weiſe adoniser. Dem
Könige aber gefiel ſie gar nicht, und als eine Hofdame Marga-
rethens Beiſpiel folgte, ließ er ſie wiſſen, daß er ihr das nächſte
Mal, wenn ſie wieder ſo erſcheine, eine deutſche Flöte reichen
laſſe. Das ſollte eine Anſpielung auf flandriſche Flötenſpielerin-
nen ſein, die ſich ſo trugen. Allein deſſenungeachtet fuhren die
Damen dennoch fort ſich zu adoniſiren. Es gab auch Weiſen,
die Federn aufzuſtecken, welche man à la Guelfe und à la Gibel-
line nannte.
Unter Heinrich IV. wurde noch vorzugsweiſe bei den Damen
eine Sitte gebräuchlich, welche wohl ihren Urſprung aus Italien
herzuleiten hat, die Sitte des Maskentragens. Wenn wir von
den Carnevalsfeſten abſehen, ſo bediente man ſich ihrer zuerſt auf
Reiſen, um den Teint vor Luft und Sonne zu ſchützen. Hein-
rich IV. kam die Maske auch bei ſeinen verliebten Abenteuern
wohl zu ſtatten. Man trug ſie bei jedem Beſuche, oder wo vor-
nehme Herren und Damen ſonſt öffentlich oder ſelbſt in Geſell-
ſchaft ſich zeigten. Heinrich IV. erſchien mit derſelben auch im
geheimen Rath, wo ſie ihm nur ſeine geliebte Gabriele d’Etrées,
die überall ihm folgte, abnahm, um ihn küſſen zu können. Nur
die Königin Margaretha emancipirte ſich von der Sitte. Bran-
tome erzählt, daß ſie nur ſelten eine Maske getragen habe; mit
entblößtem Geſicht ſei ſie einſt ſelbſt in der Prozeſſion zu Blois
gegangen. In Deutſchland wollte die Maske keinen Boden fin-
den, obwohl Anſpielungen vorkommen; in England dagegen
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