Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Die Reaction und die spanische Tracht.

Wie es sich mit der Kröse oder dem "Mühlsteinkragen" noch
um 1594 verhielt, schildert uns der Adelsspiegel: "Es sehe doch
einer von Wunderswegen, welch ein Unstand es ist, wenn ein
feiner junger Held (viel närrischer stehet's den Alten an) also
herein zeucht, daß ihm ein Haufen Leinwad, zusammen gekreuselt,
gedrehet und gehalten, bis über die Ohren und den Kopf herum,
wie eine umlaufende Wehre oder Stacket, über sich ragend oder
bis auf die Schultern herabhängend um den Hals herpampelt,
wie man die schendlichen Gekröse jetzund machet, oder auch wohl
vorne über die Hände herfürhangen, wie dem Adler die Federn
über die Klauen. Es stehet doch zumal heßlich und giebt keine
Anzeigung eines mannlichen tapfern Gemüts, das etwan wich-
tigen, nöthigen und nützlichen Sachen fleißig nachdenken und
um den gemeinen Nutzen sich bekümmern möchte."

In Bezug auf das Beinkleid vermochte die spanische
Tracht nur einen sehr getheilten Sieg zu erringen, denn nicht nur
gelangte es in seiner eigentlichen oben beschriebenen Gestalt bloß
in den Höhen der Gesellschaft zur unbedingten Herrschaft, son-
dern die folgende für alle Zeit wichtige Entwicklung knüpfte auch
direct an die Haupterrungenschaft der deutschen Pluderhose an,
nämlich an die Knieeöffnung oder die Trennung von Hose und
Strumpf. In Hans Weigels Trachtenbuch (1579) tragen zwar
schon Nürnberger Patrizier die spanische Hose, aber der deutsche
adlige Hofmann geht in der Pluderhose und im bauschigen
Wamms. Vecellio bildet ihn nach und versichert, daß die Deut-
schen so gekleidet gingen, wenn sie nach Italien kämen. Freilich
ist es nicht mehr ganz die Hose des Landsknechts, denn der aus-
gebauschte Stoff tritt nur breit heraus und fällt nicht bis zu den
Füßen herab. Breite und Masse des Stoffes sind überhaupt
noch die Eigenschaften der spezifisch deutschen Kleidung, mit wel-
cher sie der spanischen Zierlichkeit und affectirten Steifheit ent-
gegentritt; diesen Charakter zeigt auch das bauschige Wamms.

Die deutschen Fürsten waren die heftigsten Gegner dieser
Tracht, wovon wir schon einige Beispiele oben bei der Pluder-
hose haben kennen lernen. Ein anderes wird in Spangenbergs

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.

Wie es ſich mit der Kröſe oder dem „Mühlſteinkragen“ noch
um 1594 verhielt, ſchildert uns der Adelsſpiegel: „Es ſehe doch
einer von Wunderswegen, welch ein Unſtand es iſt, wenn ein
feiner junger Held (viel närriſcher ſtehet’s den Alten an) alſo
herein zeucht, daß ihm ein Haufen Leinwad, zuſammen gekreuſelt,
gedrehet und gehalten, bis über die Ohren und den Kopf herum,
wie eine umlaufende Wehre oder Stacket, über ſich ragend oder
bis auf die Schultern herabhängend um den Hals herpampelt,
wie man die ſchendlichen Gekröſe jetzund machet, oder auch wohl
vorne über die Hände herfürhangen, wie dem Adler die Federn
über die Klauen. Es ſtehet doch zumal heßlich und giebt keine
Anzeigung eines mannlichen tapfern Gemüts, das etwan wich-
tigen, nöthigen und nützlichen Sachen fleißig nachdenken und
um den gemeinen Nutzen ſich bekümmern möchte.“

In Bezug auf das Beinkleid vermochte die ſpaniſche
Tracht nur einen ſehr getheilten Sieg zu erringen, denn nicht nur
gelangte es in ſeiner eigentlichen oben beſchriebenen Geſtalt bloß
in den Höhen der Geſellſchaft zur unbedingten Herrſchaft, ſon-
dern die folgende für alle Zeit wichtige Entwicklung knüpfte auch
direct an die Haupterrungenſchaft der deutſchen Pluderhoſe an,
nämlich an die Knieeöffnung oder die Trennung von Hoſe und
Strumpf. In Hans Weigels Trachtenbuch (1579) tragen zwar
ſchon Nürnberger Patrizier die ſpaniſche Hoſe, aber der deutſche
adlige Hofmann geht in der Pluderhoſe und im bauſchigen
Wamms. Vecellio bildet ihn nach und verſichert, daß die Deut-
ſchen ſo gekleidet gingen, wenn ſie nach Italien kämen. Freilich
iſt es nicht mehr ganz die Hoſe des Landsknechts, denn der aus-
gebauſchte Stoff tritt nur breit heraus und fällt nicht bis zu den
Füßen herab. Breite und Maſſe des Stoffes ſind überhaupt
noch die Eigenſchaften der ſpezifiſch deutſchen Kleidung, mit wel-
cher ſie der ſpaniſchen Zierlichkeit und affectirten Steifheit ent-
gegentritt; dieſen Charakter zeigt auch das bauſchige Wamms.

Die deutſchen Fürſten waren die heftigſten Gegner dieſer
Tracht, wovon wir ſchon einige Beiſpiele oben bei der Pluder-
hoſe haben kennen lernen. Ein anderes wird in Spangenbergs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0133" n="121"/>
          <fw place="top" type="header">2. Die Reaction und die &#x017F;pani&#x017F;che Tracht.</fw><lb/>
          <p>Wie es &#x017F;ich mit der Krö&#x017F;e oder dem &#x201E;Mühl&#x017F;teinkragen&#x201C; noch<lb/>
um 1594 verhielt, &#x017F;childert uns der Adels&#x017F;piegel: &#x201E;Es &#x017F;ehe doch<lb/>
einer von Wunderswegen, welch ein Un&#x017F;tand es i&#x017F;t, wenn ein<lb/>
feiner junger Held (viel närri&#x017F;cher &#x017F;tehet&#x2019;s den Alten an) al&#x017F;o<lb/>
herein zeucht, daß ihm ein Haufen Leinwad, zu&#x017F;ammen gekreu&#x017F;elt,<lb/>
gedrehet und gehalten, bis über die Ohren und den Kopf herum,<lb/>
wie eine umlaufende Wehre oder Stacket, über &#x017F;ich ragend oder<lb/>
bis auf die Schultern herabhängend um den Hals herpampelt,<lb/>
wie man die &#x017F;chendlichen Gekrö&#x017F;e jetzund machet, oder auch wohl<lb/>
vorne über die Hände herfürhangen, wie dem Adler die Federn<lb/>
über die Klauen. Es &#x017F;tehet doch zumal heßlich und giebt keine<lb/>
Anzeigung eines mannlichen tapfern Gemüts, das etwan wich-<lb/>
tigen, nöthigen und nützlichen Sachen fleißig nachdenken und<lb/>
um den gemeinen Nutzen &#x017F;ich bekümmern möchte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>In Bezug auf das <hi rendition="#g">Beinkleid</hi> vermochte die &#x017F;pani&#x017F;che<lb/>
Tracht nur einen &#x017F;ehr getheilten Sieg zu erringen, denn nicht nur<lb/>
gelangte es in &#x017F;einer eigentlichen oben be&#x017F;chriebenen Ge&#x017F;talt bloß<lb/>
in den Höhen der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zur unbedingten Herr&#x017F;chaft, &#x017F;on-<lb/>
dern die folgende für alle Zeit wichtige Entwicklung knüpfte auch<lb/>
direct an die Haupterrungen&#x017F;chaft der deut&#x017F;chen Pluderho&#x017F;e an,<lb/>
nämlich an die Knieeöffnung oder die Trennung von Ho&#x017F;e und<lb/>
Strumpf. In Hans Weigels Trachtenbuch (1579) tragen zwar<lb/>
&#x017F;chon Nürnberger Patrizier die &#x017F;pani&#x017F;che Ho&#x017F;e, aber der deut&#x017F;che<lb/>
adlige Hofmann geht in der Pluderho&#x017F;e und im bau&#x017F;chigen<lb/>
Wamms. Vecellio bildet ihn nach und ver&#x017F;ichert, daß die Deut-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;o gekleidet gingen, wenn &#x017F;ie nach Italien kämen. Freilich<lb/>
i&#x017F;t es nicht mehr ganz die Ho&#x017F;e des Landsknechts, denn der aus-<lb/>
gebau&#x017F;chte Stoff tritt nur breit heraus und fällt nicht bis zu den<lb/>
Füßen herab. Breite und Ma&#x017F;&#x017F;e des Stoffes &#x017F;ind überhaupt<lb/>
noch die Eigen&#x017F;chaften der &#x017F;pezifi&#x017F;ch deut&#x017F;chen Kleidung, mit wel-<lb/>
cher &#x017F;ie der &#x017F;pani&#x017F;chen Zierlichkeit und affectirten Steifheit ent-<lb/>
gegentritt; die&#x017F;en Charakter zeigt auch das bau&#x017F;chige Wamms.</p><lb/>
          <p>Die deut&#x017F;chen Für&#x017F;ten waren die heftig&#x017F;ten Gegner die&#x017F;er<lb/>
Tracht, wovon wir &#x017F;chon einige Bei&#x017F;piele oben bei der Pluder-<lb/>
ho&#x017F;e haben kennen lernen. Ein anderes wird in Spangenbergs<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0133] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. Wie es ſich mit der Kröſe oder dem „Mühlſteinkragen“ noch um 1594 verhielt, ſchildert uns der Adelsſpiegel: „Es ſehe doch einer von Wunderswegen, welch ein Unſtand es iſt, wenn ein feiner junger Held (viel närriſcher ſtehet’s den Alten an) alſo herein zeucht, daß ihm ein Haufen Leinwad, zuſammen gekreuſelt, gedrehet und gehalten, bis über die Ohren und den Kopf herum, wie eine umlaufende Wehre oder Stacket, über ſich ragend oder bis auf die Schultern herabhängend um den Hals herpampelt, wie man die ſchendlichen Gekröſe jetzund machet, oder auch wohl vorne über die Hände herfürhangen, wie dem Adler die Federn über die Klauen. Es ſtehet doch zumal heßlich und giebt keine Anzeigung eines mannlichen tapfern Gemüts, das etwan wich- tigen, nöthigen und nützlichen Sachen fleißig nachdenken und um den gemeinen Nutzen ſich bekümmern möchte.“ In Bezug auf das Beinkleid vermochte die ſpaniſche Tracht nur einen ſehr getheilten Sieg zu erringen, denn nicht nur gelangte es in ſeiner eigentlichen oben beſchriebenen Geſtalt bloß in den Höhen der Geſellſchaft zur unbedingten Herrſchaft, ſon- dern die folgende für alle Zeit wichtige Entwicklung knüpfte auch direct an die Haupterrungenſchaft der deutſchen Pluderhoſe an, nämlich an die Knieeöffnung oder die Trennung von Hoſe und Strumpf. In Hans Weigels Trachtenbuch (1579) tragen zwar ſchon Nürnberger Patrizier die ſpaniſche Hoſe, aber der deutſche adlige Hofmann geht in der Pluderhoſe und im bauſchigen Wamms. Vecellio bildet ihn nach und verſichert, daß die Deut- ſchen ſo gekleidet gingen, wenn ſie nach Italien kämen. Freilich iſt es nicht mehr ganz die Hoſe des Landsknechts, denn der aus- gebauſchte Stoff tritt nur breit heraus und fällt nicht bis zu den Füßen herab. Breite und Maſſe des Stoffes ſind überhaupt noch die Eigenſchaften der ſpezifiſch deutſchen Kleidung, mit wel- cher ſie der ſpaniſchen Zierlichkeit und affectirten Steifheit ent- gegentritt; dieſen Charakter zeigt auch das bauſchige Wamms. Die deutſchen Fürſten waren die heftigſten Gegner dieſer Tracht, wovon wir ſchon einige Beiſpiele oben bei der Pluder- hoſe haben kennen lernen. Ein anderes wird in Spangenbergs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/133
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/133>, abgerufen am 21.11.2024.