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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
stalt, denn die Ausladung an Hüften und Oberschenkeln lag ein-
mal, gleich dem Reifrock der Frauen, im Zeitgeschmack. Die
dicken Polster, gleich "Mehlsäcken", ausgestopft mit Werg, Wolle
oder gar mit Kleie und Weizen, hingen von den Hüften bis zum
Knie um die Beine, straff gespannt oder auch schlaffer als
"Schlumperhose." In dieser Gestalt ging sie tief herunter durch
alle Schichten des Volkes, nachdem sie besonders bei den Solda-
ten des spanisch-niederländischen Kriegs beliebt geworden war.
In Holland wurde sie dann, nachdem sie aus der modischen Welt
wieder verschwunden war, unterscheidende Volkstracht und war
als solche noch in diesem Jahrhundert sichtbar. Auch in Deutsch-
land wurde die Ausstopfung in gleicher Weise wie in den Nieder-
landen übertrieben und erregte die Opposition der Fürsten wie
der Geistlichen; dessenungeachtet hielt sie sich nicht bloß, sondern
war um das Ende des Jahrhunderts sogar in dem Grade vor-
herrschende Tracht, daß die alte spanische Form fast auf fürstliche
Personen beschränkt blieb, und auch die deutsche Pluderhose sich
nur noch in vereinzelten Beispielen zeigt.

Das Wamms blieb insofern unverändert, als es, von der
starken Ausladung des Beinkleides abhängig, sich nicht verlän-
gern konnte; nur durch das unnatürliche Herabrücken der Taille
wuchs es ein wenig. Daher sehen wir fast immer die Schöße,
wenn man sie bei ihrer Kleinheit so nennen kann, nur etwa zwei
Finger breit unter den Gürtel herabreichen. Die deutsche Mode
giebt sich noch bis gegen das Ende des Jahrhunderts, aber immer
seltner an den weiten zerschnittenen oder bauschigen Aermeln zu
erkennen, während die spanische mit engen, wenn auch wattirten
Aermeln, größeren oder kleineren Schulterwülsten und nament-
lich mit Ausstopfung der Brust um so mehr Boden gewinnt.
Das deutsche Wamms wird von Magister Strauß also beschrie-
ben: "Der Leib am Wamms, ob er wohl fein glatt angemacht
wird, so muß er doch mit Seide durch- und umsteppet sein. Vorn
sind seltsame Kneuffel daran von Stein, Corallen, Glas oder
Horn. Ober ist ein Kragen darauf, der weit hinausstarret. Er-
mel sind daran, die einer wegen der Weite und Größe kaum am

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ſtalt, denn die Ausladung an Hüften und Oberſchenkeln lag ein-
mal, gleich dem Reifrock der Frauen, im Zeitgeſchmack. Die
dicken Polſter, gleich „Mehlſäcken“, ausgeſtopft mit Werg, Wolle
oder gar mit Kleie und Weizen, hingen von den Hüften bis zum
Knie um die Beine, ſtraff geſpannt oder auch ſchlaffer als
„Schlumperhoſe.“ In dieſer Geſtalt ging ſie tief herunter durch
alle Schichten des Volkes, nachdem ſie beſonders bei den Solda-
ten des ſpaniſch-niederländiſchen Kriegs beliebt geworden war.
In Holland wurde ſie dann, nachdem ſie aus der modiſchen Welt
wieder verſchwunden war, unterſcheidende Volkstracht und war
als ſolche noch in dieſem Jahrhundert ſichtbar. Auch in Deutſch-
land wurde die Ausſtopfung in gleicher Weiſe wie in den Nieder-
landen übertrieben und erregte die Oppoſition der Fürſten wie
der Geiſtlichen; deſſenungeachtet hielt ſie ſich nicht bloß, ſondern
war um das Ende des Jahrhunderts ſogar in dem Grade vor-
herrſchende Tracht, daß die alte ſpaniſche Form faſt auf fürſtliche
Perſonen beſchränkt blieb, und auch die deutſche Pluderhoſe ſich
nur noch in vereinzelten Beiſpielen zeigt.

Das Wamms blieb inſofern unverändert, als es, von der
ſtarken Ausladung des Beinkleides abhängig, ſich nicht verlän-
gern konnte; nur durch das unnatürliche Herabrücken der Taille
wuchs es ein wenig. Daher ſehen wir faſt immer die Schöße,
wenn man ſie bei ihrer Kleinheit ſo nennen kann, nur etwa zwei
Finger breit unter den Gürtel herabreichen. Die deutſche Mode
giebt ſich noch bis gegen das Ende des Jahrhunderts, aber immer
ſeltner an den weiten zerſchnittenen oder bauſchigen Aermeln zu
erkennen, während die ſpaniſche mit engen, wenn auch wattirten
Aermeln, größeren oder kleineren Schulterwülſten und nament-
lich mit Ausſtopfung der Bruſt um ſo mehr Boden gewinnt.
Das deutſche Wamms wird von Magiſter Strauß alſo beſchrie-
ben: „Der Leib am Wamms, ob er wohl fein glatt angemacht
wird, ſo muß er doch mit Seide durch- und umſteppet ſein. Vorn
ſind ſeltſame Kneuffel daran von Stein, Corallen, Glas oder
Horn. Ober iſt ein Kragen darauf, der weit hinausſtarret. Er-
mel ſind daran, die einer wegen der Weite und Größe kaum am

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[123/0135] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. ſtalt, denn die Ausladung an Hüften und Oberſchenkeln lag ein- mal, gleich dem Reifrock der Frauen, im Zeitgeſchmack. Die dicken Polſter, gleich „Mehlſäcken“, ausgeſtopft mit Werg, Wolle oder gar mit Kleie und Weizen, hingen von den Hüften bis zum Knie um die Beine, ſtraff geſpannt oder auch ſchlaffer als „Schlumperhoſe.“ In dieſer Geſtalt ging ſie tief herunter durch alle Schichten des Volkes, nachdem ſie beſonders bei den Solda- ten des ſpaniſch-niederländiſchen Kriegs beliebt geworden war. In Holland wurde ſie dann, nachdem ſie aus der modiſchen Welt wieder verſchwunden war, unterſcheidende Volkstracht und war als ſolche noch in dieſem Jahrhundert ſichtbar. Auch in Deutſch- land wurde die Ausſtopfung in gleicher Weiſe wie in den Nieder- landen übertrieben und erregte die Oppoſition der Fürſten wie der Geiſtlichen; deſſenungeachtet hielt ſie ſich nicht bloß, ſondern war um das Ende des Jahrhunderts ſogar in dem Grade vor- herrſchende Tracht, daß die alte ſpaniſche Form faſt auf fürſtliche Perſonen beſchränkt blieb, und auch die deutſche Pluderhoſe ſich nur noch in vereinzelten Beiſpielen zeigt. Das Wamms blieb inſofern unverändert, als es, von der ſtarken Ausladung des Beinkleides abhängig, ſich nicht verlän- gern konnte; nur durch das unnatürliche Herabrücken der Taille wuchs es ein wenig. Daher ſehen wir faſt immer die Schöße, wenn man ſie bei ihrer Kleinheit ſo nennen kann, nur etwa zwei Finger breit unter den Gürtel herabreichen. Die deutſche Mode giebt ſich noch bis gegen das Ende des Jahrhunderts, aber immer ſeltner an den weiten zerſchnittenen oder bauſchigen Aermeln zu erkennen, während die ſpaniſche mit engen, wenn auch wattirten Aermeln, größeren oder kleineren Schulterwülſten und nament- lich mit Ausſtopfung der Bruſt um ſo mehr Boden gewinnt. Das deutſche Wamms wird von Magiſter Strauß alſo beſchrie- ben: „Der Leib am Wamms, ob er wohl fein glatt angemacht wird, ſo muß er doch mit Seide durch- und umſteppet ſein. Vorn ſind ſeltſame Kneuffel daran von Stein, Corallen, Glas oder Horn. Ober iſt ein Kragen darauf, der weit hinausſtarret. Er- mel ſind daran, die einer wegen der Weite und Größe kaum am

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/135>, abgerufen am 24.11.2024.