Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Arm tragen kann, darein mancher sein Hab und Gut verstecket,wie jener Fürst zu einem seiner Ritter sagt: ich halt, du hast dein Rittergut in die Ermel gestecket. Diese Ermel müssen vorn auch eingefeltet sein, daß sie Kröß gewinnen, die trägt man an Armen, wie die Gartenknechte ihre Commißseckel an den Armen tragen." Im Jahre 1586 gedenkt Osiander auch des Gänse- bauchs in Deutschland: "Ein gar herrlicher Schmuck aber seind die häßlichen langen ausgefüllte Ganßbäuch, die oben gleich un- der dem Hals anfangen und herab bis weit unter die Gürtel hangen, wie ein Erker an eim Haus hanget, das er schier um- ziehen möchte." Gleich den Pumphosen wurde auch der Gänse- bauch in den Niederlanden zur größtmöglichen Ausbildung ge- bracht. Das Wamms wurde zur Zierde mit buntem Besatz in Streifen von Seide, Sammet oder Goldstoff oder mit goldenen und silbernen Schnüren versehen, welche letztere oft lose darauf lagen und wie ein Netz das ganze Kleidungsstück sammt den Pol- stern des Beinkleids überzogen. Portraits vornehmer Personen geben uns häufige Beispiele. Am erbarmenswürdigsten erging es in diesem großen III. Die Neuzeit. Arm tragen kann, darein mancher ſein Hab und Gut verſtecket,wie jener Fürſt zu einem ſeiner Ritter ſagt: ich halt, du haſt dein Rittergut in die Ermel geſtecket. Dieſe Ermel müſſen vorn auch eingefeltet ſein, daß ſie Kröß gewinnen, die trägt man an Armen, wie die Gartenknechte ihre Commißſeckel an den Armen tragen.“ Im Jahre 1586 gedenkt Oſiander auch des Gänſe- bauchs in Deutſchland: „Ein gar herrlicher Schmuck aber ſeind die häßlichen langen ausgefüllte Ganßbäuch, die oben gleich un- der dem Hals anfangen und herab bis weit unter die Gürtel hangen, wie ein Erker an eim Haus hanget, das er ſchier um- ziehen möchte.“ Gleich den Pumphoſen wurde auch der Gänſe- bauch in den Niederlanden zur größtmöglichen Ausbildung ge- bracht. Das Wamms wurde zur Zierde mit buntem Beſatz in Streifen von Seide, Sammet oder Goldſtoff oder mit goldenen und ſilbernen Schnüren verſehen, welche letztere oft loſe darauf lagen und wie ein Netz das ganze Kleidungsſtück ſammt den Pol- ſtern des Beinkleids überzogen. Portraits vornehmer Perſonen geben uns häufige Beiſpiele. Am erbarmenswürdigſten erging es in dieſem großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0136" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Arm tragen kann, darein mancher ſein Hab und Gut verſtecket,<lb/> wie jener Fürſt zu einem ſeiner Ritter ſagt: ich halt, du haſt<lb/> dein Rittergut in die Ermel geſtecket. Dieſe Ermel müſſen vorn<lb/> auch eingefeltet ſein, daß ſie Kröß gewinnen, die trägt man an<lb/> Armen, wie die Gartenknechte ihre Commißſeckel an den Armen<lb/> tragen.“ Im Jahre 1586 gedenkt Oſiander auch des Gänſe-<lb/> bauchs in Deutſchland: „Ein gar herrlicher Schmuck aber ſeind<lb/> die häßlichen langen ausgefüllte Ganßbäuch, die oben gleich un-<lb/> der dem Hals anfangen und herab bis weit unter die Gürtel<lb/> hangen, wie ein Erker an eim Haus hanget, das er ſchier um-<lb/> ziehen möchte.“ Gleich den Pumphoſen wurde auch der Gänſe-<lb/> bauch in den Niederlanden zur größtmöglichen Ausbildung ge-<lb/> bracht. Das Wamms wurde zur Zierde mit buntem Beſatz in<lb/> Streifen von Seide, Sammet oder Goldſtoff oder mit goldenen<lb/> und ſilbernen Schnüren verſehen, welche letztere oft loſe darauf<lb/> lagen und wie ein Netz das ganze Kleidungsſtück ſammt den Pol-<lb/> ſtern des Beinkleids überzogen. Portraits vornehmer Perſonen<lb/> geben uns häufige Beiſpiele.</p><lb/> <p>Am erbarmenswürdigſten erging es in dieſem großen<lb/> Kampfe der <hi rendition="#g">Schaube</hi>, dem breiten, ſtattlichen, pelzverbrämten<lb/> deutſchen Ehrenkleide. Am Schluſſe des Jahrhunderts iſt es<lb/> kaum noch wiederzuerkennen, wenn man nicht den Gang, den es<lb/> genommen hat, verfolgen könnte. Um ſeinem Gegner, dem ſpa-<lb/> niſchen kurzen Mantel, gegenüber ſich halten zu können, ſucht es<lb/> ſich ihm möglichſt zu nähern und ſich ſo auf der Höhe des Mo-<lb/> dernen zu behaupten. Früher in reicher Weite bis auf das Knie<lb/> und darunter herabfallend, ſchwindet es nun zuſammen, daß es<lb/> kaum die Hüften erreicht und ſomit dem Mäntelchen an Kürze<lb/> gleich kommt. Die Aermel werden ſoweit abgeſchnitten, daß ſie<lb/> bloß die Schulterpuffen umfaſſen, oder ganz abgelegt, und indem<lb/> auch die Schulterlöcher ſich ſchließen und der Kragen ſich ſtehend<lb/> im Nacken aufrichtet, iſt kaum noch ein Unterſchied vom ſpani-<lb/> ſchen Mantel. Denn auch die Fütterung und Verbrämung mit<lb/> Pelz iſt ſeltner geworden. Es iſt die erſte Zeit, da vor dem<lb/> Ueberwiegen ſüdlicher Feinheit, Leichtigkeit und Zierlichkeit das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0136]
III. Die Neuzeit.
Arm tragen kann, darein mancher ſein Hab und Gut verſtecket,
wie jener Fürſt zu einem ſeiner Ritter ſagt: ich halt, du haſt
dein Rittergut in die Ermel geſtecket. Dieſe Ermel müſſen vorn
auch eingefeltet ſein, daß ſie Kröß gewinnen, die trägt man an
Armen, wie die Gartenknechte ihre Commißſeckel an den Armen
tragen.“ Im Jahre 1586 gedenkt Oſiander auch des Gänſe-
bauchs in Deutſchland: „Ein gar herrlicher Schmuck aber ſeind
die häßlichen langen ausgefüllte Ganßbäuch, die oben gleich un-
der dem Hals anfangen und herab bis weit unter die Gürtel
hangen, wie ein Erker an eim Haus hanget, das er ſchier um-
ziehen möchte.“ Gleich den Pumphoſen wurde auch der Gänſe-
bauch in den Niederlanden zur größtmöglichen Ausbildung ge-
bracht. Das Wamms wurde zur Zierde mit buntem Beſatz in
Streifen von Seide, Sammet oder Goldſtoff oder mit goldenen
und ſilbernen Schnüren verſehen, welche letztere oft loſe darauf
lagen und wie ein Netz das ganze Kleidungsſtück ſammt den Pol-
ſtern des Beinkleids überzogen. Portraits vornehmer Perſonen
geben uns häufige Beiſpiele.
Am erbarmenswürdigſten erging es in dieſem großen
Kampfe der Schaube, dem breiten, ſtattlichen, pelzverbrämten
deutſchen Ehrenkleide. Am Schluſſe des Jahrhunderts iſt es
kaum noch wiederzuerkennen, wenn man nicht den Gang, den es
genommen hat, verfolgen könnte. Um ſeinem Gegner, dem ſpa-
niſchen kurzen Mantel, gegenüber ſich halten zu können, ſucht es
ſich ihm möglichſt zu nähern und ſich ſo auf der Höhe des Mo-
dernen zu behaupten. Früher in reicher Weite bis auf das Knie
und darunter herabfallend, ſchwindet es nun zuſammen, daß es
kaum die Hüften erreicht und ſomit dem Mäntelchen an Kürze
gleich kommt. Die Aermel werden ſoweit abgeſchnitten, daß ſie
bloß die Schulterpuffen umfaſſen, oder ganz abgelegt, und indem
auch die Schulterlöcher ſich ſchließen und der Kragen ſich ſtehend
im Nacken aufrichtet, iſt kaum noch ein Unterſchied vom ſpani-
ſchen Mantel. Denn auch die Fütterung und Verbrämung mit
Pelz iſt ſeltner geworden. Es iſt die erſte Zeit, da vor dem
Ueberwiegen ſüdlicher Feinheit, Leichtigkeit und Zierlichkeit das
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