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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
grecque und die Restauration konnten und wollten diese Zierde
nicht wieder verbergen. Hatten aber die Damen schon von jeher
viel auf eine zierliche Fußbekleidung gegeben, so war sie jetzt zur
Nothwendigkeit geworden. Der Schuh, vorne spitz geformt,
deckte gewöhnlich nicht viel mehr als die Zehen und war na-
mentlich hinten und an den Seiten äußerst schmal; doch kamen
auch halbstiefelartige Formen nicht selten vor. Immer hatte er
sehr hohe gefärbte Absätze, welche im Contour schön geschweift
waren. Sein Stoff war das feinste farbige Leder, gewöhnlicher
aber noch Seide oder Atlas, seine Zierde Stickerei und Bänd-
chen und Schnalle. Draußen bei schlechtem Wetter wurden Ga-
loschen verschiedener Art getragen, welche, wie die hohen Absätze,
den Gang keineswegs erleichterten.

Wie wir das modische Costüm bis hierher als ein der Zopf-
zeit eigenthümlich angehörendes haben kennen lernen, mit der
Puderfrisur, sei sie hoch oder niedrig, sei sie Schwanzperrücke
oder Eigenzopf, mit der Nüchternheit der männlichen Erschei-
nung und der Aufgeblasenheit der weiblichen, so fand es in der
ganzen civilisirten Welt noch bei weitem größeren Eingang als
die Staatsperrücke und ihr Gefolge. Denn vor dem Zopfcostüm
beginnt selbst in Rußland und Polen das Nationalcostüm, we-
nigstens weiblicherseits, zu wanken, und in Deutschland weichen
sogar die kaum consolidirten Volkstrachten in bedenklicher
Weise vor ihm zurück. Wenn wir von den Amtstrachten ab-
sehen, welche erst die französische Revolution oder in ihrem Ge-
folge die veränderten Stadtverfassungen beseitigten, so verliert
sich aus den Städten im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts
alles dasjenige wieder, was das sechszehnte und siebzehnte an
original scheinenden Formen zurückgelassen hatte, oder es bleibt
einzig und allein bei gewissen arbeitenden Classen stehen. So
können wir z. B. in Hamburg und Lübeck bei den Packern, Trä-
gern und andern Handlangern des kaufmännischen Verkehrs noch
heutiges Tages die weite Kniehose in der Form wie zur Zeit
des dreißigjährigen Kriegs nebst Strümpfen und Schuhen fin-
den. Die gesammte bürgerliche Welt, soviel sie sich nur einiger-

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
grecque und die Reſtauration konnten und wollten dieſe Zierde
nicht wieder verbergen. Hatten aber die Damen ſchon von jeher
viel auf eine zierliche Fußbekleidung gegeben, ſo war ſie jetzt zur
Nothwendigkeit geworden. Der Schuh, vorne ſpitz geformt,
deckte gewöhnlich nicht viel mehr als die Zehen und war na-
mentlich hinten und an den Seiten äußerſt ſchmal; doch kamen
auch halbſtiefelartige Formen nicht ſelten vor. Immer hatte er
ſehr hohe gefärbte Abſätze, welche im Contour ſchön geſchweift
waren. Sein Stoff war das feinſte farbige Leder, gewöhnlicher
aber noch Seide oder Atlas, ſeine Zierde Stickerei und Bänd-
chen und Schnalle. Draußen bei ſchlechtem Wetter wurden Ga-
loſchen verſchiedener Art getragen, welche, wie die hohen Abſätze,
den Gang keineswegs erleichterten.

Wie wir das modiſche Coſtüm bis hierher als ein der Zopf-
zeit eigenthümlich angehörendes haben kennen lernen, mit der
Puderfriſur, ſei ſie hoch oder niedrig, ſei ſie Schwanzperrücke
oder Eigenzopf, mit der Nüchternheit der männlichen Erſchei-
nung und der Aufgeblaſenheit der weiblichen, ſo fand es in der
ganzen civiliſirten Welt noch bei weitem größeren Eingang als
die Staatsperrücke und ihr Gefolge. Denn vor dem Zopfcoſtüm
beginnt ſelbſt in Rußland und Polen das Nationalcoſtüm, we-
nigſtens weiblicherſeits, zu wanken, und in Deutſchland weichen
ſogar die kaum conſolidirten Volkstrachten in bedenklicher
Weiſe vor ihm zurück. Wenn wir von den Amtstrachten ab-
ſehen, welche erſt die franzöſiſche Revolution oder in ihrem Ge-
folge die veränderten Stadtverfaſſungen beſeitigten, ſo verliert
ſich aus den Städten im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts
alles dasjenige wieder, was das ſechszehnte und ſiebzehnte an
original ſcheinenden Formen zurückgelaſſen hatte, oder es bleibt
einzig und allein bei gewiſſen arbeitenden Claſſen ſtehen. So
können wir z. B. in Hamburg und Lübeck bei den Packern, Trä-
gern und andern Handlangern des kaufmänniſchen Verkehrs noch
heutiges Tages die weite Kniehoſe in der Form wie zur Zeit
des dreißigjährigen Kriegs nebſt Strümpfen und Schuhen fin-
den. Die geſammte bürgerliche Welt, ſoviel ſie ſich nur einiger-

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[291/0303] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. grecque und die Reſtauration konnten und wollten dieſe Zierde nicht wieder verbergen. Hatten aber die Damen ſchon von jeher viel auf eine zierliche Fußbekleidung gegeben, ſo war ſie jetzt zur Nothwendigkeit geworden. Der Schuh, vorne ſpitz geformt, deckte gewöhnlich nicht viel mehr als die Zehen und war na- mentlich hinten und an den Seiten äußerſt ſchmal; doch kamen auch halbſtiefelartige Formen nicht ſelten vor. Immer hatte er ſehr hohe gefärbte Abſätze, welche im Contour ſchön geſchweift waren. Sein Stoff war das feinſte farbige Leder, gewöhnlicher aber noch Seide oder Atlas, ſeine Zierde Stickerei und Bänd- chen und Schnalle. Draußen bei ſchlechtem Wetter wurden Ga- loſchen verſchiedener Art getragen, welche, wie die hohen Abſätze, den Gang keineswegs erleichterten. Wie wir das modiſche Coſtüm bis hierher als ein der Zopf- zeit eigenthümlich angehörendes haben kennen lernen, mit der Puderfriſur, ſei ſie hoch oder niedrig, ſei ſie Schwanzperrücke oder Eigenzopf, mit der Nüchternheit der männlichen Erſchei- nung und der Aufgeblaſenheit der weiblichen, ſo fand es in der ganzen civiliſirten Welt noch bei weitem größeren Eingang als die Staatsperrücke und ihr Gefolge. Denn vor dem Zopfcoſtüm beginnt ſelbſt in Rußland und Polen das Nationalcoſtüm, we- nigſtens weiblicherſeits, zu wanken, und in Deutſchland weichen ſogar die kaum conſolidirten Volkstrachten in bedenklicher Weiſe vor ihm zurück. Wenn wir von den Amtstrachten ab- ſehen, welche erſt die franzöſiſche Revolution oder in ihrem Ge- folge die veränderten Stadtverfaſſungen beſeitigten, ſo verliert ſich aus den Städten im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts alles dasjenige wieder, was das ſechszehnte und ſiebzehnte an original ſcheinenden Formen zurückgelaſſen hatte, oder es bleibt einzig und allein bei gewiſſen arbeitenden Claſſen ſtehen. So können wir z. B. in Hamburg und Lübeck bei den Packern, Trä- gern und andern Handlangern des kaufmänniſchen Verkehrs noch heutiges Tages die weite Kniehoſe in der Form wie zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs nebſt Strümpfen und Schuhen fin- den. Die geſammte bürgerliche Welt, ſoviel ſie ſich nur einiger- 19*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/303>, abgerufen am 24.11.2024.