Wenn diese Erscheinung einerseits im ganzen Wesen der Zeit begründet liegt, so fand sich doch auch eine Ursache, die in directerer Weise mitwirkte. Wir müssen uns erinnern, daß die Periode des Zopfes auch die einer "erleuchteten und aufgeklär- ten" Büreaukratie ist. Der Büreaustaat, der bekanntlich alles schematisirt und auf Regeln zieht, liebt die Gleichmacherei, und so waren die bunten Volkstrachten ein schreiender Mißklang in dem farblosen Bilde seiner Weltanschauung. Wie er alle Häuser weiß anstrich, die Ornamente herunterputzte und die Gesimse herabschlug, um blanke Fläche zu haben, so hätte er auch am liebsten die ganze Welt mit dem Puder seiner Altklugheit über- streut und ihr den Zopf angehängt, den er selber trug. Zumal da die Volkstracht keineswegs eine billige Kleidung zu sein pflegte, so vermeinte er zugleich dem Luxus zu steuern, wenn er ihr opponirte. Ein Gesetz, welches dahin zielte, war namentlich die Verordnung, die vom Kurfürsten Maximilian Joseph 1749 für München erlassen und in den folgenden Jahren wiederholt und eingeschärft wurde. Gegen die reichen Goldborten vorzugsweise gerichtet, traf sie vor allem die Riegelhauben und die goldenen Brusteinsätze der Münchner Bürgerfrauen. Die Execution wurde mit wenig Rücksicht ausgeführt. Als am Neujahrstage 1750 früh zwischen sechs und sieben Uhr die Frauen in ihrem Staat zur Kirche gingen, wenig bekümmert um das vorher erlassene Mandat, standen schon die Amtsdiener bereit und rissen ihnen die goldbordirten Hauben vom Kopf und die goldenen Bruststücke aus dem Mieder. Andere Frauen hatten bis zur Kirche schwarze Hauben getragen und dann unter dem Portal die goldenen auf- gesetzt, welche sie verborgen mit sich gebracht hatten: allein es wurde den Amtsleuten bekannt, und als sie aus der Kirche traten, wurden sie untersucht und des verbotenen Schmuckes beraubt. Mit den Frauen der Rathsherren hatte man öffentlich etwas mehr Schonung, aber man notirte sie und legte ihnen auf die Nacht militärische Execution in's Haus.
Wenn es nun auch hier und da der Büreaukratie und mehr noch dem allgemeinen Geiste des Zopfes gelang, einen starken
5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
Wenn dieſe Erſcheinung einerſeits im ganzen Weſen der Zeit begründet liegt, ſo fand ſich doch auch eine Urſache, die in directerer Weiſe mitwirkte. Wir müſſen uns erinnern, daß die Periode des Zopfes auch die einer „erleuchteten und aufgeklär- ten“ Büreaukratie iſt. Der Büreauſtaat, der bekanntlich alles ſchematiſirt und auf Regeln zieht, liebt die Gleichmacherei, und ſo waren die bunten Volkstrachten ein ſchreiender Mißklang in dem farbloſen Bilde ſeiner Weltanſchauung. Wie er alle Häuſer weiß anſtrich, die Ornamente herunterputzte und die Geſimſe herabſchlug, um blanke Fläche zu haben, ſo hätte er auch am liebſten die ganze Welt mit dem Puder ſeiner Altklugheit über- ſtreut und ihr den Zopf angehängt, den er ſelber trug. Zumal da die Volkstracht keineswegs eine billige Kleidung zu ſein pflegte, ſo vermeinte er zugleich dem Luxus zu ſteuern, wenn er ihr opponirte. Ein Geſetz, welches dahin zielte, war namentlich die Verordnung, die vom Kurfürſten Maximilian Joſeph 1749 für München erlaſſen und in den folgenden Jahren wiederholt und eingeſchärft wurde. Gegen die reichen Goldborten vorzugsweiſe gerichtet, traf ſie vor allem die Riegelhauben und die goldenen Bruſteinſätze der Münchner Bürgerfrauen. Die Execution wurde mit wenig Rückſicht ausgeführt. Als am Neujahrstage 1750 früh zwiſchen ſechs und ſieben Uhr die Frauen in ihrem Staat zur Kirche gingen, wenig bekümmert um das vorher erlaſſene Mandat, ſtanden ſchon die Amtsdiener bereit und riſſen ihnen die goldbordirten Hauben vom Kopf und die goldenen Bruſtſtücke aus dem Mieder. Andere Frauen hatten bis zur Kirche ſchwarze Hauben getragen und dann unter dem Portal die goldenen auf- geſetzt, welche ſie verborgen mit ſich gebracht hatten: allein es wurde den Amtsleuten bekannt, und als ſie aus der Kirche traten, wurden ſie unterſucht und des verbotenen Schmuckes beraubt. Mit den Frauen der Rathsherren hatte man öffentlich etwas mehr Schonung, aber man notirte ſie und legte ihnen auf die Nacht militäriſche Execution in’s Haus.
Wenn es nun auch hier und da der Büreaukratie und mehr noch dem allgemeinen Geiſte des Zopfes gelang, einen ſtarken
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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
Wenn dieſe Erſcheinung einerſeits im ganzen Weſen der
Zeit begründet liegt, ſo fand ſich doch auch eine Urſache, die in
directerer Weiſe mitwirkte. Wir müſſen uns erinnern, daß die
Periode des Zopfes auch die einer „erleuchteten und aufgeklär-
ten“ Büreaukratie iſt. Der Büreauſtaat, der bekanntlich alles
ſchematiſirt und auf Regeln zieht, liebt die Gleichmacherei, und
ſo waren die bunten Volkstrachten ein ſchreiender Mißklang in
dem farbloſen Bilde ſeiner Weltanſchauung. Wie er alle Häuſer
weiß anſtrich, die Ornamente herunterputzte und die Geſimſe
herabſchlug, um blanke Fläche zu haben, ſo hätte er auch am
liebſten die ganze Welt mit dem Puder ſeiner Altklugheit über-
ſtreut und ihr den Zopf angehängt, den er ſelber trug. Zumal
da die Volkstracht keineswegs eine billige Kleidung zu ſein
pflegte, ſo vermeinte er zugleich dem Luxus zu ſteuern, wenn er
ihr opponirte. Ein Geſetz, welches dahin zielte, war namentlich
die Verordnung, die vom Kurfürſten Maximilian Joſeph 1749 für
München erlaſſen und in den folgenden Jahren wiederholt und
eingeſchärft wurde. Gegen die reichen Goldborten vorzugsweiſe
gerichtet, traf ſie vor allem die Riegelhauben und die goldenen
Bruſteinſätze der Münchner Bürgerfrauen. Die Execution wurde
mit wenig Rückſicht ausgeführt. Als am Neujahrstage 1750
früh zwiſchen ſechs und ſieben Uhr die Frauen in ihrem Staat
zur Kirche gingen, wenig bekümmert um das vorher erlaſſene
Mandat, ſtanden ſchon die Amtsdiener bereit und riſſen ihnen
die goldbordirten Hauben vom Kopf und die goldenen Bruſtſtücke
aus dem Mieder. Andere Frauen hatten bis zur Kirche ſchwarze
Hauben getragen und dann unter dem Portal die goldenen auf-
geſetzt, welche ſie verborgen mit ſich gebracht hatten: allein es
wurde den Amtsleuten bekannt, und als ſie aus der Kirche
traten, wurden ſie unterſucht und des verbotenen Schmuckes
beraubt. Mit den Frauen der Rathsherren hatte man öffentlich
etwas mehr Schonung, aber man notirte ſie und legte ihnen auf
die Nacht militäriſche Execution in’s Haus.
Wenn es nun auch hier und da der Büreaukratie und mehr
noch dem allgemeinen Geiſte des Zopfes gelang, einen ſtarken
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/305>, abgerufen am 24.11.2024.
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