Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.rigen Zeiten wiederfahren, erinnern, in welcher die Philosophi Morales, Als nun Justus Lipsius auf dem grossen Platz in dem Parnasso angelanget Mey-
rigen Zeiten wiederfahren, erinnern, in welcher die Philoſophi Morales, Als nun Juſtus Lipſius auf dem groſſen Platz in dem Parnaſſo angelanget Mey-
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rigen Zeiten wiederfahren, erinnern, in welcher die Philoſophi Morales,
ſo zu dieſen ungluͤckſeligen Zeiten vor lauter Pedanten und Schul-Fuͤch-
ſe gehalten werden, in ſo hohem Werth geweſen ſind, daß ſie vor das
beſte Kleinod unter allen freyen Kuͤnſten geachtet worden, und ſolches
um ſo viel deſto mehr, weil die jetzige Zeit darinnen wir leben, das Stu-
dium Politicum biß in den Himmel hinauf erhebet, und gantz unverant-
wortlicher Weiſe zulaͤſſet, daß von ſolchem auch die Philoſophia Peri-
patetica unter die Fuͤſſe getreten wird, die doch vor die hoͤchſte unter al-
len menſchlichen Wiſſenſchafften gehalten zu werden prætendiret. Se-
neca gehorchte zwar dem Befehl derer Cenſorum Morum; allein es geſchahe
ungerne. Denn es iſt denen Philoſophis Moralibus, ob ſie ſich zwar aͤuſſer-
lich ſehr demuͤthig zu ſtellen wiſſen, der Ehr-Geitz doch gemeiniglich ſehr tieff in
die Glieder eingewurtzelt.
Als nun Juſtus Lipſius auf dem groſſen Platz in dem Parnaſſo angelanget
war, wurde ihm nicht geſtattet den Apollinem in ſeiner hoͤchſten Majeſtaͤt und
Herrlichkeit bey hellem Sonnenſchein anzuſchauen. So giengen ihm auch die
Muſen nicht biß an die Stiegen des Koͤniglichen Pallaſtes entgegen. Denn
ſolche hohe Ehre wiederfaͤhret allein denenjenigen, welche Buͤcher aus eigener
Invention geſchrieben. Des hochgelehrten Lipſii Schrifften aber beſtehen nur
in groſſer Muͤhe und Arbeit, woraus eine wunderſame Beleſenheit hervor leuch-
tet. Denn neue Sachen zu erfinden, und etwas mit groſſer Muͤhe und Ar-
beit aus ſeinem eigenen Gehirn zu erdencken, nicht aber von andern Scribenten
entlehnet, bringt die wahre Ehre und den rechten Ruhm; derjenige wird demnach
vor einen armſeligen Schneider und vor einen ſchlechten Criticum gehalten, der
die zerriſſenen oder veralterten Kleider derer Gelehrten wieder zuſammen flicket.
Den aber laͤſſet man vor einen beruͤhmten und erfahrnen Meiſter paſſiren, der
neue Kleider zuſchneiden, nehen, und auf Fremde Manieren ſo noch nicht ge-
ſehen worden, zuzurichten weiß. Etliche haben davor gehalten, es ſeye Lipſio
von Sr. Parnaſſiſen Majeſtaͤt und denen Muſen, aus Unwillen, den ſie gegen
ihn gefaſſet, ſo ſchlechte Ehre wiederfahren. Denn ob ſie ihm wohl ſolche herr-
liche Gaben mitgetheilet, daß er gar wohl, auf Taciti Weiſe, die Niederlaͤndi-
ſchen Kriege haͤtte beſchreiben koͤnnen, das von maͤnniglich ſo hoch gewuͤnſchet
worden; habe er dennoch, um gewiſſer Urſachen willen, welche aber Ihro Par-
naſſiſche Majeſtaͤt nicht vor hinnlaͤnglich erkandt, ſolch ihr heimliches Einge-
ben verachtet und in den Wind geſchlagen. Jedoch iſt dieſes letztere nur eine
Mey-
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Zitationshilfe: | Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/163>, abgerufen am 16.02.2025. |