Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.Griechenland, welches vor Zeiten eine Mutter aller Geschicklichkeit, In- Q
Griechenland, welches vor Zeiten eine Mutter aller Geſchicklichkeit, In- Q
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Griechenland, welches vor Zeiten eine Mutter aller Geſchicklichkeit,
eine Koͤnigin aller Wiſſenſchafften, eine ſichere beruͤhmte Woh-
nung derer freyen Kuͤnſte, ein Luſt-Garten der gantzen Welt,
ein Vaterland aller Gelehrten, ſo jemals gefunden worden, nun-
mehro zu einer gaͤntzlichen Unwiſſenheit und Wildniß worden,
gantz unbewohnt, auch dermaſſen aller derer herrlichen Pallaͤſte,
die ſowohl das gemeine Weſen, als Privat-Perſonen in ſo groſſer
Menge gehabt, beraubet, daß heut zu Tage an denen meiſten
Orten nur geringe Bauers-Huͤtten und zwar in kleiner Anzahl
allda zu ſehen? ja, daß die beruͤhmteſten alten Philoſophi, Oratores
und Hiſtorici von Athen, zu dieſen truͤbſeligen Zeiten arme Gaͤrt-
ner zu Conſtantinopel worden? daß aber hingegen die Nieder-
lande, ſo zu meiner Zeit eine lautere Einſamkeit, mit Waͤldern
und Teichen allenthalben umgeben, voller wilden Thiere, und ei-
ner Behauſung rauher und grober Leute, wilder als die Thiere
ſelbſten, zugeſchweigen, daß ſie um gute Kuͤnſte ſich ſolten bekuͤm-
mert haben, nunmehro zu einer ſchoͤnen fruchtbaren und luſti-
gen Landſchafft worden, voll hoͤfflicher, reicher und arbeitſamer
Einwohner, und vortrefflicher Staͤdte, auch mit uͤberaus ſchoͤnen
Pallaͤſten gezieret, und was mich am allermeiſten Wunder
nimmet, eine gluͤckſelige Landſchafft, in welcher ſcheinet, als ob
die Griechiſche und Lateiniſche Sprache ihre Wohnung aufge-
ſchlagen habe, ewiglich allda zu bleiben. Dieſe des Pauſaniæ Rede
gieng allen Gelehrten aus Griechenland dermaſſen zu Hertzen, daß Ariſtote-
les, Plato, Demoſthenes, Pindarus, und andere mehr des Weinens ſich laͤn-
ger nicht enthalten kunten, ſondern, ehe die Ceremonien mit Lipſio ihre End-
ſchafft erreichten, ein ſolches Geheul anflengen, daß Lipſius, weil alle Ge-
lehrte denen weinenden Griechen nachfolgten, und er alſo ſahe daß ſeine Ora-
tion wegen des groſſen Geraͤuſches, Weinens und Klagens nicht kunte ver-
nommen werden, von der Cathedra herunter ſtieg, die Ungelegenheit und den
Mißfallen, ſo ihm Pauſanias mit dieſer Verhinderung verurſachet hatte, mit
dem herrlichen Ruhm und Lob, ſo er dargegen ſeinem Vaterland, und der gan-
tzen Niederlaͤndiſchen Nation gegeben gegen einander hielt, und alſo eines gegen
das andere aufhub.
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