[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802Vertheidiger dessen, was er für wahr und Recht Entbehren und Genießen sind die Wen- Vertheidiger deſſen, was er fuͤr wahr und Recht Entbehren und Genießen ſind die Wen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="184"/> Vertheidiger deſſen, was er fuͤr wahr und Recht<lb/> hielt. — Er kannte die Pflicht, in der Ausbil-<lb/> dung ſeines Geiſtes fortzuſchreiten, mithin den<lb/> Grund, den Umfang und den Gehalt ſeiner mo-<lb/> raliſchen Einſichten, oͤfters zu uͤberſchauen, zu pruͤ-<lb/> fen, zu berichtigen: aber ein beſchwerliches und<lb/> ermuͤdendes Amt beſchraͤnkte ſeine Zeit und ſeine<lb/> Kraft zu dieſem hoͤchſten und heiligſten Geſchaͤft<lb/> des Menſchen. Mehr alſo in ſeinen aͤußern Ver-<lb/> haͤltniſſen, als in ſeinem Willen lag der Grund,<lb/> aus dem Neigungen und Leidenſchaften bald uͤber<lb/> die ſchwaͤchere Einſicht, bald uͤber die beſſere Ue-<lb/> berzeugung in ihm bisweilen ſiegen konnten. Ließ<lb/> ihm der Drang aͤußerer Umſtaͤnde ſeine voͤllige<lb/> Geiſtesruhe und Beſonnenheit, ſo fand das Gute<lb/> in ihm unfehlbar ſeinen warmen Anhaͤnger und<lb/> Befoͤrderer, die Wahrheit ihren freimuͤthigen Be-<lb/> kenner, das Recht ſeinen beherzten Vertheidiger.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Entbehren</hi> und <hi rendition="#g">Genießen</hi> ſind die Wen-<lb/> depunkte des menſchlichen Lebens, und die beiden<lb/> Grenzpunkte aller Lebensweisheit. Die Fertigkeit<lb/> zu entbehren wird dem Menſchen fruͤher oder ſpaͤter<lb/> von dem ſtrengen Geſetze der Nothwendigkeit auf-<lb/> gedrungen. Er hat nichts weiter dabei zu thun,<lb/> als ſich demſelben mit <hi rendition="#g">Anſtand und Wuͤrde</hi><lb/> zu unterwerfen. Und hierin koͤnnen es auch ganz<lb/> gewoͤhnliche Menſchen ziemlich weit bringen. Aber<lb/><hi rendition="#g">die Kunſt zu genießen</hi> muß muͤhſam erlernt<lb/> und anhaltend geuͤbt werden. Die Meiſter in<lb/> dieſer Kunſt ſind ſo ſelten, daß nur der mit ſich<lb/> ſelbſt voͤllig unbekannte Thor ſie uͤberall ſehen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0202]
Vertheidiger deſſen, was er fuͤr wahr und Recht
hielt. — Er kannte die Pflicht, in der Ausbil-
dung ſeines Geiſtes fortzuſchreiten, mithin den
Grund, den Umfang und den Gehalt ſeiner mo-
raliſchen Einſichten, oͤfters zu uͤberſchauen, zu pruͤ-
fen, zu berichtigen: aber ein beſchwerliches und
ermuͤdendes Amt beſchraͤnkte ſeine Zeit und ſeine
Kraft zu dieſem hoͤchſten und heiligſten Geſchaͤft
des Menſchen. Mehr alſo in ſeinen aͤußern Ver-
haͤltniſſen, als in ſeinem Willen lag der Grund,
aus dem Neigungen und Leidenſchaften bald uͤber
die ſchwaͤchere Einſicht, bald uͤber die beſſere Ue-
berzeugung in ihm bisweilen ſiegen konnten. Ließ
ihm der Drang aͤußerer Umſtaͤnde ſeine voͤllige
Geiſtesruhe und Beſonnenheit, ſo fand das Gute
in ihm unfehlbar ſeinen warmen Anhaͤnger und
Befoͤrderer, die Wahrheit ihren freimuͤthigen Be-
kenner, das Recht ſeinen beherzten Vertheidiger.
Entbehren und Genießen ſind die Wen-
depunkte des menſchlichen Lebens, und die beiden
Grenzpunkte aller Lebensweisheit. Die Fertigkeit
zu entbehren wird dem Menſchen fruͤher oder ſpaͤter
von dem ſtrengen Geſetze der Nothwendigkeit auf-
gedrungen. Er hat nichts weiter dabei zu thun,
als ſich demſelben mit Anſtand und Wuͤrde
zu unterwerfen. Und hierin koͤnnen es auch ganz
gewoͤhnliche Menſchen ziemlich weit bringen. Aber
die Kunſt zu genießen muß muͤhſam erlernt
und anhaltend geuͤbt werden. Die Meiſter in
dieſer Kunſt ſind ſo ſelten, daß nur der mit ſich
ſelbſt voͤllig unbekannte Thor ſie uͤberall ſehen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |