Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

dium und meine Erfahrungen schon einzeln als
Neuerung und Verunstaltung erkannt hatte, war
verschwunden; rein und kräftig ward das alte
Evangelium verkündigt; die drei Gr. L. strahlten
in ihrem vollen Glanze, keine falsche Feierlichkeit
zog den Blick von ihnen ab, keine erregte Furcht
verwirrte das Gemüth. Ohne alle Erniedrigung
trat der Mann zu Männern, um sich mit vollem
Bewußtseyn mit ihnen zu großen und schönen
Zwecken zu vereinigen, und von ihnen die wahre
Kunst des Lebens zu erlernen. -- Ich fühlte es
mit der lebendigsten Ueberzeugung: alles, was posi-
tiv, nicht historisch, von Maurerei gesagt werden
kann, ward hier aufs vollständigste ausgesprochen;
es blieb nichts mehr übrig, was man mit gleichem
Fug hätte Maurerei nennen können. Ich er-
schrak vor mir selbst, als ich mir gestand, daß durch
diese Aufnahme das, was rein und ächt maurerisch
ist, vollendet sey, und daß ich nun nicht wisse, was
mit allen übrigen Gr. werden solle. -- Das aller-
älteste Ritual, das wir kennen, und dessen Aecht-
heit außer Zweifel gesetzt ist, lag in seiner Einfach-
heit zum Grunde, es war trefflich übersetzt, und
ward mit der größten Würde ausgesprochen. Nie-
mand der Handelnden hatte ein Blatt vor sich,
man sprach mit vollkommner Freiheit des Geistes;
und aus der Schönheit und Bedeutsamkeit, mit
der einige der Handelnden sprachen, merkte ich
wohl, daß sie sich nicht streng an den Buchstaben
hielten, sondern daß der Geist der Brüderschaft
aus ihnen sprach. Soll ich noch von dem Anstand,

dium und meine Erfahrungen ſchon einzeln als
Neuerung und Verunſtaltung erkannt hatte, war
verſchwunden; rein und kraͤftig ward das alte
Evangelium verkuͤndigt; die drei Gr. L. ſtrahlten
in ihrem vollen Glanze, keine falſche Feierlichkeit
zog den Blick von ihnen ab, keine erregte Furcht
verwirrte das Gemuͤth. Ohne alle Erniedrigung
trat der Mann zu Maͤnnern, um ſich mit vollem
Bewußtſeyn mit ihnen zu großen und ſchoͤnen
Zwecken zu vereinigen, und von ihnen die wahre
Kunſt des Lebens zu erlernen. — Ich fuͤhlte es
mit der lebendigſten Ueberzeugung: alles, was poſi-
tiv, nicht hiſtoriſch, von Maurerei geſagt werden
kann, ward hier aufs vollſtaͤndigſte ausgeſprochen;
es blieb nichts mehr uͤbrig, was man mit gleichem
Fug haͤtte Maurerei nennen koͤnnen. Ich er-
ſchrak vor mir ſelbſt, als ich mir geſtand, daß durch
dieſe Aufnahme das, was rein und aͤcht maureriſch
iſt, vollendet ſey, und daß ich nun nicht wiſſe, was
mit allen uͤbrigen Gr. werden ſolle. — Das aller-
aͤlteſte Ritual, das wir kennen, und deſſen Aecht-
heit außer Zweifel geſetzt iſt, lag in ſeiner Einfach-
heit zum Grunde, es war trefflich uͤberſetzt, und
ward mit der groͤßten Wuͤrde ausgeſprochen. Nie-
mand der Handelnden hatte ein Blatt vor ſich,
man ſprach mit vollkommner Freiheit des Geiſtes;
und aus der Schoͤnheit und Bedeutſamkeit, mit
der einige der Handelnden ſprachen, merkte ich
wohl, daß ſie ſich nicht ſtreng an den Buchſtaben
hielten, ſondern daß der Geiſt der Bruͤderſchaft
aus ihnen ſprach. Soll ich noch von dem Anſtand,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="229"/>
dium und meine Erfahrungen &#x017F;chon einzeln als<lb/>
Neuerung und Verun&#x017F;taltung erkannt hatte, war<lb/>
ver&#x017F;chwunden; rein und kra&#x0364;ftig ward das alte<lb/>
Evangelium verku&#x0364;ndigt; die drei Gr. L. &#x017F;trahlten<lb/>
in ihrem vollen Glanze, keine fal&#x017F;che Feierlichkeit<lb/>
zog den Blick von ihnen ab, keine erregte Furcht<lb/>
verwirrte das Gemu&#x0364;th. Ohne alle Erniedrigung<lb/>
trat der Mann zu Ma&#x0364;nnern, um &#x017F;ich mit vollem<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn mit ihnen zu großen und &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Zwecken zu vereinigen, und von ihnen die wahre<lb/>
Kun&#x017F;t des Lebens zu erlernen. &#x2014; Ich fu&#x0364;hlte es<lb/>
mit der lebendig&#x017F;ten Ueberzeugung: alles, was po&#x017F;i-<lb/>
tiv, nicht hi&#x017F;tori&#x017F;ch, von Maurerei ge&#x017F;agt werden<lb/>
kann, ward hier aufs voll&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te ausge&#x017F;prochen;<lb/>
es blieb nichts mehr u&#x0364;brig, was man mit gleichem<lb/>
Fug ha&#x0364;tte <hi rendition="#g">Maurerei</hi> nennen ko&#x0364;nnen. Ich er-<lb/>
&#x017F;chrak vor mir &#x017F;elb&#x017F;t, als ich mir ge&#x017F;tand, daß durch<lb/>
die&#x017F;e Aufnahme das, was rein und a&#x0364;cht maureri&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t, vollendet &#x017F;ey, und daß ich nun nicht wi&#x017F;&#x017F;e, was<lb/>
mit allen u&#x0364;brigen Gr. werden &#x017F;olle. &#x2014; Das aller-<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;te Ritual, das wir kennen, und de&#x017F;&#x017F;en Aecht-<lb/>
heit außer Zweifel ge&#x017F;etzt i&#x017F;t, lag in &#x017F;einer Einfach-<lb/>
heit zum Grunde, es war trefflich u&#x0364;ber&#x017F;etzt, und<lb/>
ward mit der gro&#x0364;ßten Wu&#x0364;rde ausge&#x017F;prochen. Nie-<lb/>
mand der Handelnden hatte ein Blatt vor &#x017F;ich,<lb/>
man &#x017F;prach mit vollkommner Freiheit des Gei&#x017F;tes;<lb/>
und aus der Scho&#x0364;nheit und Bedeut&#x017F;amkeit, mit<lb/>
der einige der Handelnden &#x017F;prachen, merkte ich<lb/>
wohl, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;treng an den Buch&#x017F;taben<lb/>
hielten, &#x017F;ondern daß der <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi> der Bru&#x0364;der&#x017F;chaft<lb/>
aus ihnen &#x017F;prach. Soll ich noch von dem An&#x017F;tand,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0251] dium und meine Erfahrungen ſchon einzeln als Neuerung und Verunſtaltung erkannt hatte, war verſchwunden; rein und kraͤftig ward das alte Evangelium verkuͤndigt; die drei Gr. L. ſtrahlten in ihrem vollen Glanze, keine falſche Feierlichkeit zog den Blick von ihnen ab, keine erregte Furcht verwirrte das Gemuͤth. Ohne alle Erniedrigung trat der Mann zu Maͤnnern, um ſich mit vollem Bewußtſeyn mit ihnen zu großen und ſchoͤnen Zwecken zu vereinigen, und von ihnen die wahre Kunſt des Lebens zu erlernen. — Ich fuͤhlte es mit der lebendigſten Ueberzeugung: alles, was poſi- tiv, nicht hiſtoriſch, von Maurerei geſagt werden kann, ward hier aufs vollſtaͤndigſte ausgeſprochen; es blieb nichts mehr uͤbrig, was man mit gleichem Fug haͤtte Maurerei nennen koͤnnen. Ich er- ſchrak vor mir ſelbſt, als ich mir geſtand, daß durch dieſe Aufnahme das, was rein und aͤcht maureriſch iſt, vollendet ſey, und daß ich nun nicht wiſſe, was mit allen uͤbrigen Gr. werden ſolle. — Das aller- aͤlteſte Ritual, das wir kennen, und deſſen Aecht- heit außer Zweifel geſetzt iſt, lag in ſeiner Einfach- heit zum Grunde, es war trefflich uͤberſetzt, und ward mit der groͤßten Wuͤrde ausgeſprochen. Nie- mand der Handelnden hatte ein Blatt vor ſich, man ſprach mit vollkommner Freiheit des Geiſtes; und aus der Schoͤnheit und Bedeutſamkeit, mit der einige der Handelnden ſprachen, merkte ich wohl, daß ſie ſich nicht ſtreng an den Buchſtaben hielten, ſondern daß der Geiſt der Bruͤderſchaft aus ihnen ſprach. Soll ich noch von dem Anſtand,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/251
Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/251>, abgerufen am 22.11.2024.