Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.chen überein; aber sie erwarten dasselbe geduldig, ergeben in Das unweltliche, übernatürliche Leben ist wesentlich auch *) Wie anders die alten Christen! Difficile, imo impossibile est, ut et praesentibus quis et futuris fruatur bonis. Hie- ronymus. (Epist. Juliano.) Aber freilich sie waren abstracte Chri- sten. Und jetzt leben wir im Zeitalter der Versöhnung! Ja wohl! **) Alle Ausdrücke sind erlaubt in der Schrift, wo sie bezeichnend,
wo sie nothwendig sind. chen überein; aber ſie erwarten daſſelbe geduldig, ergeben in Das unweltliche, übernatürliche Leben iſt weſentlich auch *) Wie anders die alten Chriſten! Difficile, imo impossibile est, ut et praesentibus quis et futuris fruatur bonis. Hie- ronymus. (Epist. Juliano.) Aber freilich ſie waren abſtracte Chri- ſten. Und jetzt leben wir im Zeitalter der Verſöhnung! Ja wohl! **) Alle Ausdrücke ſind erlaubt in der Schrift, wo ſie bezeichnend,
wo ſie nothwendig ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0236" n="218"/> chen überein; aber ſie erwarten daſſelbe geduldig, ergeben in<lb/> den Willen Gottes, d. h. <hi rendition="#g">in den Willen der Selbſtſucht</hi>,<lb/> der wohlbehaglichen <hi rendition="#g">Genußſucht</hi> dieſer Welt<note place="foot" n="*)">Wie anders die alten Chriſten! <hi rendition="#aq">Difficile, imo <hi rendition="#g">impossibile</hi><lb/> est, <hi rendition="#g">ut et praesentibus quis et futuris fruatur bonis. Hie-<lb/> ronymus</hi>. (Epist. Juliano.)</hi> Aber freilich ſie waren <hi rendition="#g">abſtracte</hi> Chri-<lb/> ſten. Und jetzt leben wir im Zeitalter der <hi rendition="#g">Verſöhnung</hi>! Ja wohl!</note>. Doch ich<lb/> wende mich mit Ekel und Verachtung weg von dem moder-<lb/> nen Chriſtenthum, wo die Braut Chriſti bereitwillig ſelbſt<lb/> der Polygamie huldigt, wenigſtens der ſucceſſiven Polygamie,<lb/> die ſich aber nicht weſentlich in den Augen des wahren Chri-<lb/> ſten von der gleichzeitigen unterſcheidet, aber doch zugleich —<lb/> o ſchändliche Heuchelei! — auf die ewige, allverbindende, un-<lb/> widerſprechliche, heilige Wahrheit des Wortes Gottes ſchwört,<lb/> und kehre zurück mit heiliger Scheu zur verkannten Wahrheit<lb/> der keuſchen Kloſterzelle, wo noch nicht die dem <hi rendition="#g">Himmel</hi><lb/> angetraute <hi rendition="#g">Seele</hi> mit einem <hi rendition="#g">fremden Leibe ſich ver-<lb/> miſchte</hi><note place="foot" n="**)">Alle Ausdrücke ſind erlaubt in der Schrift, wo ſie bezeichnend,<lb/> wo ſie <hi rendition="#g">nothwendig</hi> ſind.</note>!</p><lb/> <p>Das unweltliche, übernatürliche Leben iſt weſentlich auch<lb/> eheloſes Leben. Das Cälibat — freilich nicht als Geſetz —<lb/> liegt gleichfalls alſo im innerſten Weſen des Chriſtenthums.<lb/> Hinlänglich iſt dieß ſchon in der übernatürlichen Herkunft des<lb/> Heilands ausgeſprochen. In dieſem Glauben <hi rendition="#g">heiligten die<lb/> Chriſten die unbefleckte Jungfräulichkeit als das heil-<lb/> bringende Princip, als das Princip der neuen, der<lb/> chriſtlichen Welt</hi>. Komme man nicht mit ſolchen Stellen<lb/> der Bibel wie etwa: Mehret euch, oder: was Gott zuſammen-<lb/> gefügt, ſoll der Menſch nicht ſcheiden, um damit die Ehe zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0236]
chen überein; aber ſie erwarten daſſelbe geduldig, ergeben in
den Willen Gottes, d. h. in den Willen der Selbſtſucht,
der wohlbehaglichen Genußſucht dieſer Welt *). Doch ich
wende mich mit Ekel und Verachtung weg von dem moder-
nen Chriſtenthum, wo die Braut Chriſti bereitwillig ſelbſt
der Polygamie huldigt, wenigſtens der ſucceſſiven Polygamie,
die ſich aber nicht weſentlich in den Augen des wahren Chri-
ſten von der gleichzeitigen unterſcheidet, aber doch zugleich —
o ſchändliche Heuchelei! — auf die ewige, allverbindende, un-
widerſprechliche, heilige Wahrheit des Wortes Gottes ſchwört,
und kehre zurück mit heiliger Scheu zur verkannten Wahrheit
der keuſchen Kloſterzelle, wo noch nicht die dem Himmel
angetraute Seele mit einem fremden Leibe ſich ver-
miſchte **)!
Das unweltliche, übernatürliche Leben iſt weſentlich auch
eheloſes Leben. Das Cälibat — freilich nicht als Geſetz —
liegt gleichfalls alſo im innerſten Weſen des Chriſtenthums.
Hinlänglich iſt dieß ſchon in der übernatürlichen Herkunft des
Heilands ausgeſprochen. In dieſem Glauben heiligten die
Chriſten die unbefleckte Jungfräulichkeit als das heil-
bringende Princip, als das Princip der neuen, der
chriſtlichen Welt. Komme man nicht mit ſolchen Stellen
der Bibel wie etwa: Mehret euch, oder: was Gott zuſammen-
gefügt, ſoll der Menſch nicht ſcheiden, um damit die Ehe zu
*) Wie anders die alten Chriſten! Difficile, imo impossibile
est, ut et praesentibus quis et futuris fruatur bonis. Hie-
ronymus. (Epist. Juliano.) Aber freilich ſie waren abſtracte Chri-
ſten. Und jetzt leben wir im Zeitalter der Verſöhnung! Ja wohl!
**) Alle Ausdrücke ſind erlaubt in der Schrift, wo ſie bezeichnend,
wo ſie nothwendig ſind.
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