Gott in Person für sich selbst ist, das ist eine besondere Gna- densache, Inhalt eines besondern Glaubens. Aber eben deß- wegen, weil nur auf besondere Weise geoffenbart, ist auch der Gegenstand dieses Glaubens selbst ein besonderes Wesen. Der Gott der Christen ist wohl auch der Gott der Heiden, aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied, gerade ein solcher Unterschied, wie zwischen mir, wie ich dem Freunde und mir, wie ich einem Fremden, der mich aus der Ferne nur kennt, Gegenstand bin. Gott, wie er den Christen Gegenstand, ist ein ganz anderer als wie er den Heiden Gegenstand ist. Die Christen kennen Gott von Person, von Angesicht zu Angesicht. Die Heiden wissen nur -- und das ist schon fast zu viel ein- geräumt -- "was" Gott ist, aber nicht: "wer" Gott ist, weßwegen die Heiden auch in Götzendienst verfielen. Die Identität der Heiden und Christen von Gott ist daher eine ganz vage; was die Heiden mit den Christen und umgekehrt gemein haben -- wenn wir anders so liberal sein wollen, etwas Gemeinsames zu statuiren -- dieß ist nicht das speci- fisch christliche, nicht das, was den Glauben constituirt. Worin die Christen Christen sind, darin sind sie eben von den Heiden distinguirt. Sie sind es aber durch ihre besondre Gotteserkenntniß; ihr Unterscheidungsmerkmal ist also Gott. Die Besonderheit ist das Salz, welches dem gemei- nen Wesen erst Geschmack beibringt. Was ein Wesen ins- besondre ist, das erst ist es. Nur wer mich in specie kennt, kennt mich. Der specielle Gott also, der Gott, wie er insbesondre den Christen Gegenstand, der persönliche Gott, der erst ist Gott. Und dieser ist den Heiden, den Ungläubigen überhaupt unbekannt, nicht für sie. Er soll allerdings auch für die Heiden werden, aber mittelbar, erst dadurch,
Gott in Perſon für ſich ſelbſt iſt, das iſt eine beſondere Gna- denſache, Inhalt eines beſondern Glaubens. Aber eben deß- wegen, weil nur auf beſondere Weiſe geoffenbart, iſt auch der Gegenſtand dieſes Glaubens ſelbſt ein beſonderes Weſen. Der Gott der Chriſten iſt wohl auch der Gott der Heiden, aber es iſt doch ein gewaltiger Unterſchied, gerade ein ſolcher Unterſchied, wie zwiſchen mir, wie ich dem Freunde und mir, wie ich einem Fremden, der mich aus der Ferne nur kennt, Gegenſtand bin. Gott, wie er den Chriſten Gegenſtand, iſt ein ganz anderer als wie er den Heiden Gegenſtand iſt. Die Chriſten kennen Gott von Perſon, von Angeſicht zu Angeſicht. Die Heiden wiſſen nur — und das iſt ſchon faſt zu viel ein- geräumt — „was“ Gott iſt, aber nicht: „wer“ Gott iſt, weßwegen die Heiden auch in Götzendienſt verfielen. Die Identität der Heiden und Chriſten von Gott iſt daher eine ganz vage; was die Heiden mit den Chriſten und umgekehrt gemein haben — wenn wir anders ſo liberal ſein wollen, etwas Gemeinſames zu ſtatuiren — dieß iſt nicht das ſpeci- fiſch chriſtliche, nicht das, was den Glauben conſtituirt. Worin die Chriſten Chriſten ſind, darin ſind ſie eben von den Heiden diſtinguirt. Sie ſind es aber durch ihre beſondre Gotteserkenntniß; ihr Unterſcheidungsmerkmal iſt alſo Gott. Die Beſonderheit iſt das Salz, welches dem gemei- nen Weſen erſt Geſchmack beibringt. Was ein Weſen ins- beſondre iſt, das erſt iſt es. Nur wer mich in specie kennt, kennt mich. Der ſpecielle Gott alſo, der Gott, wie er insbeſondre den Chriſten Gegenſtand, der perſönliche Gott, der erſt iſt Gott. Und dieſer iſt den Heiden, den Ungläubigen überhaupt unbekannt, nicht für ſie. Er ſoll allerdings auch für die Heiden werden, aber mittelbar, erſt dadurch,
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Gott in Perſon für ſich ſelbſt iſt, das iſt eine beſondere Gna-
denſache, Inhalt eines beſondern Glaubens. Aber eben deß-
wegen, weil nur auf beſondere Weiſe geoffenbart, iſt auch der
Gegenſtand dieſes Glaubens ſelbſt ein beſonderes Weſen.
Der Gott der Chriſten iſt wohl auch der Gott der Heiden,
aber es iſt doch ein gewaltiger Unterſchied, gerade ein ſolcher
Unterſchied, wie zwiſchen mir, wie ich dem Freunde und mir,
wie ich einem Fremden, der mich aus der Ferne nur kennt,
Gegenſtand bin. Gott, wie er den Chriſten Gegenſtand, iſt
ein ganz anderer als wie er den Heiden Gegenſtand iſt. Die
Chriſten kennen Gott von Perſon, von Angeſicht zu Angeſicht.
Die Heiden wiſſen nur — und das iſt ſchon faſt zu viel ein-
geräumt — „was“ Gott iſt, aber nicht: „wer“ Gott iſt,
weßwegen die Heiden auch in Götzendienſt verfielen. Die
Identität der Heiden und Chriſten von Gott iſt daher eine
ganz vage; was die Heiden mit den Chriſten und umgekehrt
gemein haben — wenn wir anders ſo liberal ſein wollen,
etwas Gemeinſames zu ſtatuiren — dieß iſt nicht das ſpeci-
fiſch chriſtliche, nicht das, was den Glauben conſtituirt.
Worin die Chriſten Chriſten ſind, darin ſind ſie eben von
den Heiden diſtinguirt. Sie ſind es aber durch ihre beſondre
Gotteserkenntniß; ihr Unterſcheidungsmerkmal iſt alſo
Gott. Die Beſonderheit iſt das Salz, welches dem gemei-
nen Weſen erſt Geſchmack beibringt. Was ein Weſen ins-
beſondre iſt, das erſt iſt es. Nur wer mich in specie
kennt, kennt mich. Der ſpecielle Gott alſo, der Gott, wie er
insbeſondre den Chriſten Gegenſtand, der perſönliche Gott,
der erſt iſt Gott. Und dieſer iſt den Heiden, den Ungläubigen
überhaupt unbekannt, nicht für ſie. Er ſoll allerdings
auch für die Heiden werden, aber mittelbar, erſt dadurch,
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/356>, abgerufen am 05.12.2024.
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