Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.ligkeit. Aber die guten Werke kommen bei ihm nicht aus den *) "Wie kann ich Dir dann Deine Liebesthaten im Werk erstatten? doch ist noch etwas, das Dir angenehme, wenn ich des Fleisches Lüste dämpf und zähme, daß sie aufs neu mein Herz nicht entzünden mit neuen Sün- den." "Will sich die Sünde regen, so bin ich nicht verlegen, der Blick auf Jesu Kreuze ertödtet ihre Reize." Gesangbuch der evangel. Brü- derge meinen. **) Auch der Protestantismus anerkannte noch diese Tugend und setzte
ligkeit. Aber die guten Werke kommen bei ihm nicht aus den *) „Wie kann ich Dir dann Deine Liebesthaten im Werk erſtatten? doch iſt noch etwas, das Dir angenehme, wenn ich des Fleiſches Lüſte dämpf und zähme, daß ſie aufs neu mein Herz nicht entzünden mit neuen Sün- den.“ „Will ſich die Sünde regen, ſo bin ich nicht verlegen, der Blick auf Jeſu Kreuze ertödtet ihre Reize.“ Geſangbuch der evangel. Brü- derge meinen. **) Auch der Proteſtantismus anerkannte noch dieſe Tugend und ſetzte
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ligkeit. Aber die guten Werke kommen bei ihm nicht aus den
Geſinnungen der Tugend ſelbſt. Nicht die Liebe ſelbſt, nicht
der Gegenſtand der Liebe, der Menſch, die Baſis aller
Moral, iſt die Triebfeder ſeiner guten Handlungen. Nein!
er thut Gutes nicht um des Guten, nicht um des Menſchen,
ſondern um Gottes willen — aus Dankbarkeit gegen Gott,
der Alles für ihn gethan und für den er daher auch ſeinerſeits
wieder Alles thun muß, was nur immer in ſeinem Vermögen
ſteht. Er unterläßt die Sünde, weil ſie Gott, ſeinen Heiland,
ſeinen Wohlthäter beleidigt *). Der Begriff der Tugend iſt
hier der Begriff des vergeltenden Opfers. Gott hat ſich für
den Menſchen geopfert; dafür muß ſich jetzt wieder der Menſch
Gott opfern. Je größer das Opfer, deſto beſſer die Handlung.
Je mehr etwas dem Menſchen, der Natur widerſpricht, je grö-
ßer die Negation, deſto größer auch die Tugend. Dieſen nur
negativen Begriff des Guten hat beſonders der Katholicismus
verwirklicht und ausgebildet. Sein höchſter moraliſcher Be-
griff iſt der des Opfers — daher die hohe Bedeutung der
Verneinung der Geſchlechtsliebe — der Castitas. Die Keuſch-
heit iſt die charakteriſtiſche Tugend des katholiſchen Glau-
bens — deßwegen, weil ſie keine Baſis in der Natur hat —
die überſchwänglichſte, transcendenteſte, phantaſtiſchſte Tugend,
die Tugend des ſupranaturaliſtiſchen Glaubens **) — dem
*) „Wie kann ich Dir dann Deine Liebesthaten im Werk erſtatten?
doch iſt noch etwas, das Dir angenehme, wenn ich des Fleiſches Lüſte dämpf
und zähme, daß ſie aufs neu mein Herz nicht entzünden mit neuen Sün-
den.“ „Will ſich die Sünde regen, ſo bin ich nicht verlegen, der Blick auf
Jeſu Kreuze ertödtet ihre Reize.“ Geſangbuch der evangel. Brü-
derge meinen.
**) Auch der Proteſtantismus anerkannte noch dieſe Tugend und ſetzte
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