Gegenstand einer förmlichen, persönlichen Liebe. O Domine Jesu, si adeo sunt dulces istae la- chrymae, quae ex memoria et desiderio tui ex- citantur, quam dulce erit gaudium, quod ex manifesta tui visione capietur? Si adeo dulce est flere pro te, quam dulce erit gaudere de te. Sed quid hujusmodi secreta colloquia proferimus in publicum? Cur ineffabiles et innarrabiles affectus communibus verbis conamur ex- primere? Inexperti talia non intelligunt. Zelotypus est sponsus iste .... Delicatus est sponsus iste. Scala Claustralium (sive de modo orandi. Unter den unächten Schriften des h. Bernhard.) Luge propter amorem Jesu Christi, sponsi tui, quousque eum videre possis. (De modo bene vivendi. Sermo X. Ebend.)
Der Unterschied zwischen dem sohnerfüllten oder sinnlichen und dem sohnlosen oder sinnlichkeitslosen Gott ist nichts weiter als der Unterschied zwischen dem mystischen und dem rationel- len, vernünftigen Menschen. Der vernünftige Mensch lebt und denkt; er ergänzt den Mangel des Denkens durch das Leben, und den Mangel des Lebens durch das Denken, sowohl theoretisch, indem er aus der Vernunft selbst sich von der Realität der Sinnlichkeit überzeugt, als praktisch, indem er die Lebensthätigkeit mit der geistigen Thätigkeit verbindet. Was ich im Leben habe, brauche ich nicht im Geiste, nicht im metaphysischen Wesen, nicht in Gott zu setzen -- Liebe, Freund- schaft, Anschauung, die Welt überhaupt gibt mir, was mir das Denken nicht gibt, nicht geben kann, aber auch nicht geben soll. Aber eben deßwegen lege ich im Denken die sinnlichen Herzensbedürfnisse beiseite, um die Vernunft nicht durch Be- gierden zu verdunkeln -- in der Sonderung der Thätig- keiten besteht die Weisheit des Lebens und Denkens -- ich brauche keinen Gott, der mir durch eine mystische, imagi- näre Physik den Mangel der wirklichen ersetzt. Mein Herz ist befriedigt, wenn ich geistig thätig bin -- ich denke daher dem ungebehrdigen, seine Gränzen überspringenden, sich in die
Gegenſtand einer förmlichen, perſönlichen Liebe. O Domine Jesu, si adeo sunt dulces istae la- chrymae, quae ex memoria et desiderio tui ex- citantur, quam dulce erit gaudium, quod ex manifesta tui visione capietur? Si adeo dulce est flere pro te, quam dulce erit gaudere de te. Sed quid hujusmodi secreta colloquia proferimus in publicum? Cur ineffabiles et innarrabiles affectus communibus verbis conamur ex- primere? Inexperti talia non intelligunt. Zelotypus est sponsus iste .... Delicatus est sponsus iste. Scala Claustralium (sive de modo orandi. Unter den unächten Schriften des h. Bernhard.) Luge propter amorem Jesu Christi, sponsi tui, quousque eum videre possis. (De modo bene vivendi. Sermo X. Ebend.)
Der Unterſchied zwiſchen dem ſohnerfüllten oder ſinnlichen und dem ſohnloſen oder ſinnlichkeitsloſen Gott iſt nichts weiter als der Unterſchied zwiſchen dem myſtiſchen und dem rationel- len, vernünftigen Menſchen. Der vernünftige Menſch lebt und denkt; er ergänzt den Mangel des Denkens durch das Leben, und den Mangel des Lebens durch das Denken, ſowohl theoretiſch, indem er aus der Vernunft ſelbſt ſich von der Realität der Sinnlichkeit überzeugt, als praktiſch, indem er die Lebensthätigkeit mit der geiſtigen Thätigkeit verbindet. Was ich im Leben habe, brauche ich nicht im Geiſte, nicht im metaphyſiſchen Weſen, nicht in Gott zu ſetzen — Liebe, Freund- ſchaft, Anſchauung, die Welt überhaupt gibt mir, was mir das Denken nicht gibt, nicht geben kann, aber auch nicht geben ſoll. Aber eben deßwegen lege ich im Denken die ſinnlichen Herzensbedürfniſſe beiſeite, um die Vernunft nicht durch Be- gierden zu verdunkeln — in der Sonderung der Thätig- keiten beſteht die Weisheit des Lebens und Denkens — ich brauche keinen Gott, der mir durch eine myſtiſche, imagi- näre Phyſik den Mangel der wirklichen erſetzt. Mein Herz iſt befriedigt, wenn ich geiſtig thätig bin — ich denke daher dem ungebehrdigen, ſeine Gränzen überſpringenden, ſich in die
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Gegenſtand einer förmlichen, perſönlichen Liebe.
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Der Unterſchied zwiſchen dem ſohnerfüllten oder ſinnlichen
und dem ſohnloſen oder ſinnlichkeitsloſen Gott iſt nichts weiter
als der Unterſchied zwiſchen dem myſtiſchen und dem rationel-
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und denkt; er ergänzt den Mangel des Denkens durch das
Leben, und den Mangel des Lebens durch das Denken,
ſowohl theoretiſch, indem er aus der Vernunft ſelbſt ſich von
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Was ich im Leben habe, brauche ich nicht im Geiſte, nicht im
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ſoll. Aber eben deßwegen lege ich im Denken die ſinnlichen
Herzensbedürfniſſe beiſeite, um die Vernunft nicht durch Be-
gierden zu verdunkeln — in der Sonderung der Thätig-
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brauche keinen Gott, der mir durch eine myſtiſche, imagi-
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iſt befriedigt, wenn ich geiſtig thätig bin — ich denke daher
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/418>, abgerufen am 05.12.2024.
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