veritate fidei chr. Bas. 1544. p. 108.) Nunquid enim cura est Deo de bobus? Et sicut non est cura Deo de bobus, ita nec de aliis irrationalibus. Dicit tamen scriptura (sapient. 6) quia ipsi cura est de omnibus. Providentiam ergo et curam universaliter de cunctis, quae condidit, habet..... Sed specialem providentiam atque curam habet de rationabilibus. Petrus L. (l. I. dist. 39. c. 3.) Hier haben wir wieder ein Beispiel, wie die christliche Sophistik ein Product des christlichen Glaubens ist, insbesondere des Glaubens an die Bibel als das Wort Got- tes. Gott kümmert sich nicht um die Ochsen; Gott kümmert sich um Alles, also auch die Ochsen. Das sind Widersprüche; aber das Wort Gottes darf sich nicht widersprechen. Wie kommt nun der Glaube aus diesem Widerspruch heraus? Nur dadurch, daß er zwischen die Position und Negation des Sub- jects ein Prädicat einschiebt, welches selbst zugleich eine Po- sition und Negation, d. h. selbst ein Widerspruch, eine theologische Illusion, ein Sophisma, eine Lüge ist. So hier das Prädicat: Allgemein. Eine allgemeine Vorsehung ist eine illusorische, in Wahrheit keine. Nur die specielle Vor- sehung ist Vorsehung -- Vorsehung im Sinne der Religion.
Die Negation der Vorsehung ist Negation Got- tes. Qui ergo providentiam tollit, totam Dei sub- stantiam tollit, et quid dicit nisi Deum non esse? ... Si non curat humana, sive sciens, sive nesciens, cessat omnis causa pietatis, cum sit spes nulla salutis. Joa. Tri- themius. (Tract. de providentia Dei.) Nam qui nihil aspici a Deo affirmant, prope est ut cui adspectum adi- munt, etiam substantiam tollant. Salvianus (l. c. l. IV.) Nec sane multum interest, utrum id (Deos esse) neget, an eos omni procuratione atque actione privet. Cicero (de Nat. D. II. 16.) "Aristoteles geräth fast auf die Meinung, daß, obgleich er Gott nicht ausdrücklich einen Narren nennt, er ihn doch für einen solchen halte, der von unsern Sachen nichts wisse, nichts von unserm Vorhaben er-
veritate fidei chr. Bas. 1544. p. 108.) Nunquid enim cura est Deo de bobus? Et sicut non est cura Deo de bobus, ita nec de aliis irrationalibus. Dicit tamen scriptura (sapient. 6) quia ipsi cura est de omnibus. Providentiam ergo et curam universaliter de cunctis, quae condidit, habet..... Sed specialem providentiam atque curam habet de rationabilibus. Petrus L. (l. I. dist. 39. c. 3.) Hier haben wir wieder ein Beiſpiel, wie die chriſtliche Sophiſtik ein Product des chriſtlichen Glaubens iſt, insbeſondere des Glaubens an die Bibel als das Wort Got- tes. Gott kümmert ſich nicht um die Ochſen; Gott kümmert ſich um Alles, alſo auch die Ochſen. Das ſind Widerſprüche; aber das Wort Gottes darf ſich nicht widerſprechen. Wie kommt nun der Glaube aus dieſem Widerſpruch heraus? Nur dadurch, daß er zwiſchen die Poſition und Negation des Sub- jects ein Prädicat einſchiebt, welches ſelbſt zugleich eine Po- ſition und Negation, d. h. ſelbſt ein Widerſpruch, eine theologiſche Illuſion, ein Sophisma, eine Lüge iſt. So hier das Prädicat: Allgemein. Eine allgemeine Vorſehung iſt eine illuſoriſche, in Wahrheit keine. Nur die ſpecielle Vor- ſehung iſt Vorſehung — Vorſehung im Sinne der Religion.
Die Negation der Vorſehung iſt Negation Got- tes. Qui ergo providentiam tollit, totam Dei sub- stantiam tollit, et quid dicit nisi Deum non esse? … Si non curat humana, sive sciens, sive nesciens, cessat omnis causa pietatis, cum sit spes nulla salutis. Joa. Tri- themius. (Tract. de providentia Dei.) Nam qui nihil aspici a Deo affirmant, prope est ut cui adspectum adi- munt, etiam substantiam tollant. Salvianus (l. c. l. IV.) Nec sane multum interest, utrum id (Deos esse) neget, an eos omni procuratione atque actione privet. Cicero (de Nat. D. II. 16.) „Ariſtoteles geräth faſt auf die Meinung, daß, obgleich er Gott nicht ausdrücklich einen Narren nennt, er ihn doch für einen ſolchen halte, der von unſern Sachen nichts wiſſe, nichts von unſerm Vorhaben er-
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scriptura (sapient. 6) quia ipsi cura est de omnibus.
Providentiam ergo et curam universaliter de cunctis,
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atque curam habet de rationabilibus. Petrus L. (l. I.
dist. 39. c. 3.) Hier haben wir wieder ein Beiſpiel, wie die
chriſtliche Sophiſtik ein Product des chriſtlichen Glaubens iſt,
insbeſondere des Glaubens an die Bibel als das Wort Got-
tes. Gott kümmert ſich nicht um die Ochſen; Gott kümmert
ſich um Alles, alſo auch die Ochſen. Das ſind Widerſprüche;
aber das Wort Gottes darf ſich nicht widerſprechen. Wie
kommt nun der Glaube aus dieſem Widerſpruch heraus? Nur
dadurch, daß er zwiſchen die Poſition und Negation des Sub-
jects ein Prädicat einſchiebt, welches ſelbſt zugleich eine Po-
ſition und Negation, d. h. ſelbſt ein Widerſpruch, eine
theologiſche Illuſion, ein Sophisma, eine Lüge iſt. So hier
das Prädicat: Allgemein. Eine allgemeine Vorſehung iſt
eine illuſoriſche, in Wahrheit keine. Nur die ſpecielle Vor-
ſehung iſt Vorſehung — Vorſehung im Sinne der Religion.
Die Negation der Vorſehung iſt Negation Got-
tes. Qui ergo providentiam tollit, totam Dei sub-
stantiam tollit, et quid dicit nisi Deum non esse? … Si
non curat humana, sive sciens, sive nesciens, cessat omnis
causa pietatis, cum sit spes nulla salutis. Joa. Tri-
themius. (Tract. de providentia Dei.) Nam qui nihil
aspici a Deo affirmant, prope est ut cui adspectum adi-
munt, etiam substantiam tollant. Salvianus (l. c. l.
IV.) Nec sane multum interest, utrum id (Deos esse)
neget, an eos omni procuratione atque actione privet.
Cicero (de Nat. D. II. 16.) „Ariſtoteles geräth faſt auf
die Meinung, daß, obgleich er Gott nicht ausdrücklich einen
Narren nennt, er ihn doch für einen ſolchen halte, der von
unſern Sachen nichts wiſſe, nichts von unſerm Vorhaben er-
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/422>, abgerufen am 05.12.2024.
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