und göttliche Person .... ohne Menschheit. Nein Ge- sell, wo Du mir Gott hinsetzest, da mußt Du mir die Menschheit mit hinsetzen." *)
Der Mensch will in der Religion sich in Gott befriedi- gen. Aber wie könnte er in ihm Trost und Frieden finden, wenn er ein wesentlich andres Wesen wäre? Wie kann ich den Frieden eines Wesens theilen, wenn ich nicht seines We- sens bin? Wenn sein Wesen ein andres, so ist auch sein Friede ein wesentlich andrer, kein Frieden für mich. Wie kann ich also seines Friedens theilhaftig werden, wenn ich nicht seines Wesens theilhaftig werden kann, wie aber seines Wesens theilhaftig werden, wenn ich wirklich andern Wesens bin? Frieden empfindet alles was lebt nur in seinem eignen Wesen, nur in seinem eignen Element. Empfindet also der Mensch Frieden in Gott, so empfindet er ihn nur, weil Gott erst sein wahres Wesen, weil er hier erst bei sich selbst ist, weil Alles, worin er bisher Frieden suchte und was er bisher für sein Wesen nahm, ein andres fremdes Wesen war. Und soll und will daher der Mensch in Gott sich befriedigen, so muß er Sich in Gott finden.
Ein Gott, welcher nur das objective Wesen des Ver- standes ausdrückt, befriedigt darum nicht die Religion, ist nicht der Gott der Religion. Der Verstand interessirt sich nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Wesen au- ßer dem Menschen, für die Natur. Der Verstandes- mensch vergißt sogar über der Natur sich selbst. Die Christen verspotteten die heidnischen Philosophen, weil sie statt an sich, an ihr Heil, nur an die Dinge außer ihnen gedacht hätten.
*)Luther. Concordienbuch. Art. 8. Erklär.
und göttliche Perſon .... ohne Menſchheit. Nein Ge- ſell, wo Du mir Gott hinſetzeſt, da mußt Du mir die Menſchheit mit hinſetzen.“ *)
Der Menſch will in der Religion ſich in Gott befriedi- gen. Aber wie könnte er in ihm Troſt und Frieden finden, wenn er ein weſentlich andres Weſen wäre? Wie kann ich den Frieden eines Weſens theilen, wenn ich nicht ſeines We- ſens bin? Wenn ſein Weſen ein andres, ſo iſt auch ſein Friede ein weſentlich andrer, kein Frieden für mich. Wie kann ich alſo ſeines Friedens theilhaftig werden, wenn ich nicht ſeines Weſens theilhaftig werden kann, wie aber ſeines Weſens theilhaftig werden, wenn ich wirklich andern Weſens bin? Frieden empfindet alles was lebt nur in ſeinem eignen Weſen, nur in ſeinem eignen Element. Empfindet alſo der Menſch Frieden in Gott, ſo empfindet er ihn nur, weil Gott erſt ſein wahres Weſen, weil er hier erſt bei ſich ſelbſt iſt, weil Alles, worin er bisher Frieden ſuchte und was er bisher für ſein Weſen nahm, ein andres fremdes Weſen war. Und ſoll und will daher der Menſch in Gott ſich befriedigen, ſo muß er Sich in Gott finden.
Ein Gott, welcher nur das objective Weſen des Ver- ſtandes ausdrückt, befriedigt darum nicht die Religion, iſt nicht der Gott der Religion. Der Verſtand intereſſirt ſich nicht nur für den Menſchen, ſondern auch für die Weſen au- ßer dem Menſchen, für die Natur. Der Verſtandes- menſch vergißt ſogar über der Natur ſich ſelbſt. Die Chriſten verſpotteten die heidniſchen Philoſophen, weil ſie ſtatt an ſich, an ihr Heil, nur an die Dinge außer ihnen gedacht hätten.
*)Luther. Concordienbuch. Art. 8. Erklär.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0060"n="42"/>
und göttliche Perſon .... ohne Menſchheit</hi>. Nein Ge-<lb/>ſell, <hirendition="#g">wo Du mir Gott hinſetzeſt, da mußt Du mir die<lb/>
Menſchheit mit hinſetzen</hi>.“<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g">Luther</hi>. Concordienbuch. Art. 8. Erklär.</note></p><lb/><p>Der Menſch will in der Religion ſich in Gott befriedi-<lb/>
gen. Aber wie könnte er in ihm Troſt und Frieden finden,<lb/>
wenn er ein weſentlich andres Weſen wäre? Wie kann ich<lb/>
den Frieden eines Weſens theilen, wenn ich nicht ſeines We-<lb/>ſens bin? Wenn ſein Weſen ein andres, ſo iſt auch ſein<lb/>
Friede ein <hirendition="#g">weſentlich andrer</hi>, kein Frieden <hirendition="#g">für mich</hi>. Wie<lb/>
kann ich alſo ſeines Friedens theilhaftig werden, wenn ich<lb/>
nicht ſeines Weſens theilhaftig werden kann, wie aber ſeines<lb/>
Weſens theilhaftig werden, wenn ich wirklich andern Weſens<lb/>
bin? Frieden empfindet alles was lebt nur in ſeinem eignen<lb/>
Weſen, nur in ſeinem eignen Element. Empfindet alſo der<lb/>
Menſch Frieden in Gott, ſo empfindet er ihn nur, weil Gott<lb/>
erſt ſein wahres Weſen, weil er hier erſt <hirendition="#g">bei ſich ſelbſt</hi> iſt,<lb/>
weil Alles, worin er bisher Frieden ſuchte und was er bisher<lb/>
für ſein Weſen nahm, ein <hirendition="#g">andres fremdes</hi> Weſen war. Und<lb/>ſoll und will daher der Menſch in Gott ſich befriedigen, ſo muß<lb/>
er <hirendition="#g">Sich</hi> in Gott finden.</p><lb/><p>Ein Gott, welcher nur das <hirendition="#g">objective Weſen des Ver-<lb/>ſtandes</hi> ausdrückt, befriedigt darum nicht die Religion, iſt<lb/>
nicht der Gott der Religion. Der Verſtand intereſſirt ſich<lb/>
nicht nur für den Menſchen, ſondern auch für die Weſen <hirendition="#g">au-<lb/>
ßer dem Menſchen, für die Natur</hi>. Der Verſtandes-<lb/>
menſch vergißt ſogar über der Natur ſich ſelbſt. Die Chriſten<lb/>
verſpotteten die heidniſchen Philoſophen, weil ſie ſtatt an ſich,<lb/>
an ihr Heil, nur an die Dinge außer ihnen gedacht hätten.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[42/0060]
und göttliche Perſon .... ohne Menſchheit. Nein Ge-
ſell, wo Du mir Gott hinſetzeſt, da mußt Du mir die
Menſchheit mit hinſetzen.“ *)
Der Menſch will in der Religion ſich in Gott befriedi-
gen. Aber wie könnte er in ihm Troſt und Frieden finden,
wenn er ein weſentlich andres Weſen wäre? Wie kann ich
den Frieden eines Weſens theilen, wenn ich nicht ſeines We-
ſens bin? Wenn ſein Weſen ein andres, ſo iſt auch ſein
Friede ein weſentlich andrer, kein Frieden für mich. Wie
kann ich alſo ſeines Friedens theilhaftig werden, wenn ich
nicht ſeines Weſens theilhaftig werden kann, wie aber ſeines
Weſens theilhaftig werden, wenn ich wirklich andern Weſens
bin? Frieden empfindet alles was lebt nur in ſeinem eignen
Weſen, nur in ſeinem eignen Element. Empfindet alſo der
Menſch Frieden in Gott, ſo empfindet er ihn nur, weil Gott
erſt ſein wahres Weſen, weil er hier erſt bei ſich ſelbſt iſt,
weil Alles, worin er bisher Frieden ſuchte und was er bisher
für ſein Weſen nahm, ein andres fremdes Weſen war. Und
ſoll und will daher der Menſch in Gott ſich befriedigen, ſo muß
er Sich in Gott finden.
Ein Gott, welcher nur das objective Weſen des Ver-
ſtandes ausdrückt, befriedigt darum nicht die Religion, iſt
nicht der Gott der Religion. Der Verſtand intereſſirt ſich
nicht nur für den Menſchen, ſondern auch für die Weſen au-
ßer dem Menſchen, für die Natur. Der Verſtandes-
menſch vergißt ſogar über der Natur ſich ſelbſt. Die Chriſten
verſpotteten die heidniſchen Philoſophen, weil ſie ſtatt an ſich,
an ihr Heil, nur an die Dinge außer ihnen gedacht hätten.
*) Luther. Concordienbuch. Art. 8. Erklär.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/60>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.