Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Buch. I. Titel. I. Abschn. II. Abtheil.
Thatsache auf das Verbrechen oder den
Urheber zu schliessen -- Conträre Gegenin-
dicien
*).

§. 590.

Das Verhältniss der Indicien zu den Ge-
genindicien begründet nach der Regel des
(§. 588.) zwey Hauptstufen des Verdachts:
I. der grösste Verdacht ist vorhanden, wenn in
den Indicien mehr Grund für die aus ihnen abge-
leitete Thatsache enthalten ist, als in den Gegen-
indicien, für das Gegentheil
, diese also geringer
sind, als jene. In diesem Falle machen In-
dicien einen halben Beweis, der also mit der
Wahrscheinlichkeit (§. 573) eintritt. Es ist dies
der Fall: 1) wenn die Contradictoris[c]hen Ge-
genindicien, geringer sind **), 2) bey conträren
Indicien, wenn sich die gegebene Thatsache
auch aus andern Ursachen, als aus dem Ver-
brechen, oder das Verbrechen aus andern
Gründen, als aus den gegebenen gravirenden

That-
*) So können z. E. die mit Blut befleckten Kleider
eine and e Ursache als den Mord haben, so lässt
sich der Besitz gest hlner Sachen auch aus dem
Ankauf und andern Gründen erklären, so kann
die Entfernung von dem Ort des Verbrechens aus
Geschaften, aus Furcht vor schuldlosem Gefängniss
u. s. w. entspringen.
**) Man denke sich: der Freund und Wohlthäter von
B. wird ermordet. B. war um die Zeit des Mordes
bey ihm, gleich nach der That entfernt er sich,
man weiss nicht wohin, und Waffen, die man
findet, sind mit Blu[t] befleckt. Hier verhält sich
das directe Gegenindicum zu den Indicien, wie
1 zu 3.

III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil.
Thatſache auf das Verbrechen oder den
Urheber zu ſchlieſsen — Conträre Gegenin-
dicien
*).

§. 590.

Das Verhältniſs der Indicien zu den Ge-
genindicien begründet nach der Regel des
(§. 588.) zwey Hauptſtufen des Verdachts:
I. der gröſste Verdacht iſt vorhanden, wenn in
den Indicien mehr Grund für die aus ihnen abge-
leitete Thatſache enthalten iſt, als in den Gegen-
indicien, für das Gegentheil
, dieſe alſo geringer
ſind, als jene. In dieſem Falle machen In-
dicien einen halben Beweis, der alſo mit der
Wahrſcheinlichkeit (§. 573) eintritt. Es iſt dies
der Fall: 1) wenn die Contradictoriſ[c]hen Ge-
genindicien, geringer ſind **), 2) bey conträren
Indicien, wenn ſich die gegebene Thatſache
auch aus andern Urſachen, als aus dem Ver-
brechen, oder das Verbrechen aus andern
Gründen, als aus den gegebenen gravirenden

That-
*) So können z. E. die mit Blut befleckten Kleider
eine and e Urſache als den Mord haben, ſo läſst
ſich der Beſitz geſt hlner Sachen auch aus dem
Ankauf und andern Gründen erklären, ſo kann
die Entfernung von dem Ort des Verbrechens aus
Geſchaften, aus Furcht vor ſchuldloſem Gefängniſs
u. ſ. w. entſpringen.
**) Man denke ſich: der Freund und Wohlthäter von
B. wird ermordet. B. war um die Zeit des Mordes
bey ihm, gleich nach der That entfernt er ſich,
man weiſs nicht wohin, und Waffen, die man
findet, ſind mit Blu[t] befleckt. Hier verhält ſich
das directe Gegenindicum zu den Indicien, wie
1 zu 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0496" n="468"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">III. Buch. I. Titel. I. Ab&#x017F;chn. II. Abtheil.</hi></fw><lb/>
That&#x017F;ache auf das Verbrechen oder den<lb/>
Urheber zu &#x017F;chlie&#x017F;sen &#x2014; <hi rendition="#i">Conträre Gegenin-<lb/>
dicien</hi> <note place="foot" n="*)">So können z. E. die mit Blut befleckten Kleider<lb/>
eine and e Ur&#x017F;ache als den Mord haben, &#x017F;o lä&#x017F;st<lb/>
&#x017F;ich der Be&#x017F;itz ge&#x017F;t hlner Sachen auch aus dem<lb/>
Ankauf und andern Gründen erklären, &#x017F;o kann<lb/>
die Entfernung von dem Ort des Verbrechens aus<lb/>
Ge&#x017F;chaften, aus Furcht vor &#x017F;chuldlo&#x017F;em Gefängni&#x017F;s<lb/>
u. &#x017F;. w. ent&#x017F;pringen.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 590.</head><lb/>
                      <p>Das Verhältni&#x017F;s der Indicien zu den Ge-<lb/>
genindicien begründet nach der Regel des<lb/>
(§. 588.) zwey Haupt&#x017F;tufen des Verdachts:<lb/>
I. <hi rendition="#i">der grö&#x017F;ste Verdacht i&#x017F;t vorhanden, wenn in<lb/>
den Indicien mehr Grund für die aus ihnen abge-<lb/>
leitete That&#x017F;ache enthalten i&#x017F;t, als in den Gegen-<lb/>
indicien, für das Gegentheil</hi>, die&#x017F;e al&#x017F;o geringer<lb/>
&#x017F;ind, als jene. In die&#x017F;em Falle machen In-<lb/>
dicien einen <hi rendition="#i">halben</hi> Beweis, der al&#x017F;o mit der<lb/><hi rendition="#i">Wahr&#x017F;cheinlichkeit</hi> (§. 573) eintritt. Es i&#x017F;t dies<lb/>
der Fall: 1) wenn die <hi rendition="#i">Contradictori&#x017F;<supplied>c</supplied>hen</hi> Ge-<lb/>
genindicien, geringer &#x017F;ind <note place="foot" n="**)">Man denke &#x017F;ich: der Freund und Wohlthäter von<lb/>
B. wird ermordet. B. war um die Zeit des Mordes<lb/>
bey ihm, gleich nach der That entfernt er &#x017F;ich,<lb/>
man wei&#x017F;s nicht wohin, und Waffen, die man<lb/>
findet, &#x017F;ind mit Blu<supplied>t</supplied> befleckt. Hier verhält &#x017F;ich<lb/>
das directe Gegenindicum zu den Indicien, wie<lb/>
1 zu 3.</note>, 2) bey <hi rendition="#i">conträren</hi><lb/>
Indicien, wenn &#x017F;ich die gegebene That&#x017F;ache<lb/>
auch aus andern Ur&#x017F;achen, als aus dem Ver-<lb/>
brechen, oder das Verbrechen aus andern<lb/>
Gründen, als aus den gegebenen gravirenden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">That-</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[468/0496] III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil. Thatſache auf das Verbrechen oder den Urheber zu ſchlieſsen — Conträre Gegenin- dicien *). §. 590. Das Verhältniſs der Indicien zu den Ge- genindicien begründet nach der Regel des (§. 588.) zwey Hauptſtufen des Verdachts: I. der gröſste Verdacht iſt vorhanden, wenn in den Indicien mehr Grund für die aus ihnen abge- leitete Thatſache enthalten iſt, als in den Gegen- indicien, für das Gegentheil, dieſe alſo geringer ſind, als jene. In dieſem Falle machen In- dicien einen halben Beweis, der alſo mit der Wahrſcheinlichkeit (§. 573) eintritt. Es iſt dies der Fall: 1) wenn die Contradictoriſchen Ge- genindicien, geringer ſind **), 2) bey conträren Indicien, wenn ſich die gegebene Thatſache auch aus andern Urſachen, als aus dem Ver- brechen, oder das Verbrechen aus andern Gründen, als aus den gegebenen gravirenden That- *) So können z. E. die mit Blut befleckten Kleider eine and e Urſache als den Mord haben, ſo läſst ſich der Beſitz geſt hlner Sachen auch aus dem Ankauf und andern Gründen erklären, ſo kann die Entfernung von dem Ort des Verbrechens aus Geſchaften, aus Furcht vor ſchuldloſem Gefängniſs u. ſ. w. entſpringen. **) Man denke ſich: der Freund und Wohlthäter von B. wird ermordet. B. war um die Zeit des Mordes bey ihm, gleich nach der That entfernt er ſich, man weiſs nicht wohin, und Waffen, die man findet, ſind mit Blut befleckt. Hier verhält ſich das directe Gegenindicum zu den Indicien, wie 1 zu 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/496
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/496>, abgerufen am 22.11.2024.