dieses Selbst zunächst nur als ein solches, das da leben will, und wohl seyn. Hieraus ent¬ steht die sinnliche Selbstsucht, als wirklicher Grundtrieb und entwickelnde Kraft eines sol¬ chen, in dieser Uebersetzung seines ursprüng¬ lichen Grundtriebes befangenen Lebens. So lange der Mensch fortfährt, also sich zu ver¬ stehen, so lange muß er selbstsüchtig handeln, und kann nicht anders; und diese Selbstsucht ist das einige beharrende, sich gleichbleibende, und sicher zu erwartende in dem unaufhörlichen Wandel seines Lebens. Als außergewöhnliche Ausnahme von der Regel kann dieses dunkle Gefühl auch das persönliche Selbst übersprin¬ gen, und den Grundtrieb erfassen, als ein Verlangen nach einer dunkel gefühlten andern Ordnung der Dinge. Hieraus entspringt das, an andern Orten von uns sattsam beschrie¬ bene Leben, das da, erhaben über die Selbst¬ sucht, durch Ideen, die zwar dunkel sind, aber dennoch Ideen, getrieben wird, und in welchem die Vernunft als Instinkt waltet. Dieses Erfassen des Grundtriebes, überhaupt nur im dunklen Gefühle, ist der Grundzug der ersten Klasse unter den Menschen, die
dieſes Selbſt zunaͤchſt nur als ein ſolches, das da leben will, und wohl ſeyn. Hieraus ent¬ ſteht die ſinnliche Selbſtſucht, als wirklicher Grundtrieb und entwickelnde Kraft eines ſol¬ chen, in dieſer Ueberſetzung ſeines urſpruͤng¬ lichen Grundtriebes befangenen Lebens. So lange der Menſch fortfaͤhrt, alſo ſich zu ver¬ ſtehen, ſo lange muß er ſelbſtſuͤchtig handeln, und kann nicht anders; und dieſe Selbſtſucht iſt das einige beharrende, ſich gleichbleibende, und ſicher zu erwartende in dem unaufhoͤrlichen Wandel ſeines Lebens. Als außergewoͤhnliche Ausnahme von der Regel kann dieſes dunkle Gefuͤhl auch das perſoͤnliche Selbſt uͤberſprin¬ gen, und den Grundtrieb erfaſſen, als ein Verlangen nach einer dunkel gefuͤhlten andern Ordnung der Dinge. Hieraus entſpringt das, an andern Orten von uns ſattſam beſchrie¬ bene Leben, das da, erhaben uͤber die Selbſt¬ ſucht, durch Ideen, die zwar dunkel ſind, aber dennoch Ideen, getrieben wird, und in welchem die Vernunft als Inſtinkt waltet. Dieſes Erfaſſen des Grundtriebes, uͤberhaupt nur im dunklen Gefuͤhle, iſt der Grundzug der erſten Klaſſe unter den Menſchen, die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="94"/>
dieſes Selbſt zunaͤchſt nur als ein ſolches, das<lb/>
da leben will, und wohl ſeyn. Hieraus ent¬<lb/>ſteht die ſinnliche Selbſtſucht, als wirklicher<lb/>
Grundtrieb und entwickelnde Kraft eines ſol¬<lb/>
chen, in dieſer Ueberſetzung ſeines urſpruͤng¬<lb/>
lichen Grundtriebes befangenen Lebens. So<lb/>
lange der Menſch fortfaͤhrt, alſo ſich zu ver¬<lb/>ſtehen, ſo lange muß er ſelbſtſuͤchtig handeln,<lb/>
und kann nicht anders; und dieſe Selbſtſucht<lb/>
iſt das einige beharrende, ſich gleichbleibende,<lb/>
und ſicher zu erwartende in dem unaufhoͤrlichen<lb/>
Wandel ſeines Lebens. Als außergewoͤhnliche<lb/>
Ausnahme von der Regel kann dieſes dunkle<lb/>
Gefuͤhl auch das perſoͤnliche Selbſt uͤberſprin¬<lb/>
gen, und den Grundtrieb erfaſſen, als ein<lb/>
Verlangen nach einer dunkel gefuͤhlten andern<lb/>
Ordnung der Dinge. Hieraus entſpringt das,<lb/>
an andern Orten von uns ſattſam beſchrie¬<lb/>
bene Leben, das da, erhaben uͤber die Selbſt¬<lb/>ſucht, durch Ideen, die zwar dunkel ſind,<lb/>
aber dennoch Ideen, getrieben wird, und in<lb/>
welchem die Vernunft als Inſtinkt waltet.<lb/>
Dieſes Erfaſſen des Grundtriebes, uͤberhaupt<lb/>
nur im dunklen Gefuͤhle, iſt der Grundzug<lb/>
der erſten Klaſſe unter den Menſchen, die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[94/0100]
dieſes Selbſt zunaͤchſt nur als ein ſolches, das
da leben will, und wohl ſeyn. Hieraus ent¬
ſteht die ſinnliche Selbſtſucht, als wirklicher
Grundtrieb und entwickelnde Kraft eines ſol¬
chen, in dieſer Ueberſetzung ſeines urſpruͤng¬
lichen Grundtriebes befangenen Lebens. So
lange der Menſch fortfaͤhrt, alſo ſich zu ver¬
ſtehen, ſo lange muß er ſelbſtſuͤchtig handeln,
und kann nicht anders; und dieſe Selbſtſucht
iſt das einige beharrende, ſich gleichbleibende,
und ſicher zu erwartende in dem unaufhoͤrlichen
Wandel ſeines Lebens. Als außergewoͤhnliche
Ausnahme von der Regel kann dieſes dunkle
Gefuͤhl auch das perſoͤnliche Selbſt uͤberſprin¬
gen, und den Grundtrieb erfaſſen, als ein
Verlangen nach einer dunkel gefuͤhlten andern
Ordnung der Dinge. Hieraus entſpringt das,
an andern Orten von uns ſattſam beſchrie¬
bene Leben, das da, erhaben uͤber die Selbſt¬
ſucht, durch Ideen, die zwar dunkel ſind,
aber dennoch Ideen, getrieben wird, und in
welchem die Vernunft als Inſtinkt waltet.
Dieſes Erfaſſen des Grundtriebes, uͤberhaupt
nur im dunklen Gefuͤhle, iſt der Grundzug
der erſten Klaſſe unter den Menſchen, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/100>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.