es scheinen, daß Wissenschaft und Kunst da seyen, als Mittel für das thätige Leben, als Zweck. Nun aber ist in dieser Form der Thä¬ tigkeit das Leben selber niemals vollendet, und zur Einheit geschlossen, sondern es geht fort ins Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine solche geschloßne Einheit da seyn, so muß es also da seyn in einer andern Form. Diese Form ist nun die des reinen Gedankens, der die in der dritten Rede beschriebene Religions-Ein¬ sicht giebt; eine Form, die als geschloßne Ein¬ heit mit der Unendlichkeit des Thuns schlecht¬ hin auseinander fällt, und in dem leztern, dem Thun, niemals vollständig ausgedrückt werden kann. Beide demnach, der Gedanke, so wie die Thätigkeit, sind nur in der Erscheinung aus¬ einanderfaltende Formen, jenseit der Erschei¬ nung aber sind sie, eine wie die andere, das¬ selbe Eine absolute Leben; und man kann gar nicht sagen, daß der Gedanke um des Thuns, oder das Thun um des Gedankens willen sey, und also sey, sondern daß beides schlechthin seyn solle, indem auch in der Erscheinung das Leben ein vollendetes Ganzes seyn solle, also, wie es dies ist jenseit aller Erscheinung. In¬
es ſcheinen, daß Wiſſenſchaft und Kunſt da ſeyen, als Mittel fuͤr das thaͤtige Leben, als Zweck. Nun aber iſt in dieſer Form der Thaͤ¬ tigkeit das Leben ſelber niemals vollendet, und zur Einheit geſchloſſen, ſondern es geht fort ins Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine ſolche geſchloßne Einheit da ſeyn, ſo muß es alſo da ſeyn in einer andern Form. Dieſe Form iſt nun die des reinen Gedankens, der die in der dritten Rede beſchriebene Religions-Ein¬ ſicht giebt; eine Form, die als geſchloßne Ein¬ heit mit der Unendlichkeit des Thuns ſchlecht¬ hin auseinander faͤllt, und in dem leztern, dem Thun, niemals vollſtaͤndig ausgedruͤckt werden kann. Beide demnach, der Gedanke, ſo wie die Thaͤtigkeit, ſind nur in der Erſcheinung aus¬ einanderfaltende Formen, jenſeit der Erſchei¬ nung aber ſind ſie, eine wie die andere, daſ¬ ſelbe Eine abſolute Leben; und man kann gar nicht ſagen, daß der Gedanke um des Thuns, oder das Thun um des Gedankens willen ſey, und alſo ſey, ſondern daß beides ſchlechthin ſeyn ſolle, indem auch in der Erſcheinung das Leben ein vollendetes Ganzes ſeyn ſolle, alſo, wie es dies iſt jenſeit aller Erſcheinung. In¬
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es ſcheinen, daß Wiſſenſchaft und Kunſt da
ſeyen, als Mittel fuͤr das thaͤtige Leben, als
Zweck. Nun aber iſt in dieſer Form der Thaͤ¬
tigkeit das Leben ſelber niemals vollendet, und
zur Einheit geſchloſſen, ſondern es geht fort ins
Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine
ſolche geſchloßne Einheit da ſeyn, ſo muß es
alſo da ſeyn in einer andern Form. Dieſe
Form iſt nun die des reinen Gedankens, der die
in der dritten Rede beſchriebene Religions-Ein¬
ſicht giebt; eine Form, die als geſchloßne Ein¬
heit mit der Unendlichkeit des Thuns ſchlecht¬
hin auseinander faͤllt, und in dem leztern, dem
Thun, niemals vollſtaͤndig ausgedruͤckt werden
kann. Beide demnach, der Gedanke, ſo wie
die Thaͤtigkeit, ſind nur in der Erſcheinung aus¬
einanderfaltende Formen, jenſeit der Erſchei¬
nung aber ſind ſie, eine wie die andere, daſ¬
ſelbe Eine abſolute Leben; und man kann gar
nicht ſagen, daß der Gedanke um des Thuns,
oder das Thun um des Gedankens willen ſey,
und alſo ſey, ſondern daß beides ſchlechthin
ſeyn ſolle, indem auch in der Erſcheinung das
Leben ein vollendetes Ganzes ſeyn ſolle, alſo,
wie es dies iſt jenſeit aller Erſcheinung. In¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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