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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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chen Leben,--als Leben schlechtweg, welches es
auch in alle Ewigkeit, und darin immer Eines
bleibt, nicht aber als von diesem oder jenem
Leben; und sie sieht, wie lediglich in der Erschei¬
nung dieses Leben unendlich fort sich schließe
und wiederum öfne, und erst diesem Gesetze
zufolge es zu einem Seyn und zu einem Etwas
überhaupt komme. Ihr entsteht das Seyn,
was jene sich vorausgeben läßt. Und so ist
denn diese Philosophie recht eigentlich nur
deutsch, d. i. ursprünglich; und umgekehrt, so
jemand nur ein wahrer Deutscher würde, so
würde er nicht anders denn also philosophiren
können.

Jenes, obwohl bei der Mehrzahl der deutsch
philosophirenden herrschende, dennoch nicht
eigentlich deutsche Denksystem greift, ob es
nun mit Bewußtseyn als eigentliches philoso¬
phisches Lehrgebäude aufgestellt sey, oder ob es
nur unbewußt unserm übrigen Denken zum
Grunde liege, -- es greift, sage ich, ein, in die
übrigen wissenschaftlichen Ansichten der Zeit;
wie denn dies ein Hauptbestreben unsrer durch
das Ausland angeregten Zeit ist, den wissen¬
schaftlichen Stoff nicht mehr bloß, wie wohl

chen Leben,—als Leben ſchlechtweg, welches es
auch in alle Ewigkeit, und darin immer Eines
bleibt, nicht aber als von dieſem oder jenem
Leben; und ſie ſieht, wie lediglich in der Erſchei¬
nung dieſes Leben unendlich fort ſich ſchließe
und wiederum oͤfne, und erſt dieſem Geſetze
zufolge es zu einem Seyn und zu einem Etwas
uͤberhaupt komme. Ihr entſteht das Seyn,
was jene ſich vorausgeben laͤßt. Und ſo iſt
denn dieſe Philoſophie recht eigentlich nur
deutſch, d. i. urſpruͤnglich; und umgekehrt, ſo
jemand nur ein wahrer Deutſcher wuͤrde, ſo
wuͤrde er nicht anders denn alſo philoſophiren
koͤnnen.

Jenes, obwohl bei der Mehrzahl der deutſch
philoſophirenden herrſchende, dennoch nicht
eigentlich deutſche Denkſyſtem greift, ob es
nun mit Bewußtſeyn als eigentliches philoſo¬
phiſches Lehrgebaͤude aufgeſtellt ſey, oder ob es
nur unbewußt unſerm uͤbrigen Denken zum
Grunde liege, — es greift, ſage ich, ein, in die
uͤbrigen wiſſenſchaftlichen Anſichten der Zeit;
wie denn dies ein Hauptbeſtreben unſrer durch
das Ausland angeregten Zeit iſt, den wiſſen¬
ſchaftlichen Stoff nicht mehr bloß, wie wohl

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[214/0220] chen Leben,—als Leben ſchlechtweg, welches es auch in alle Ewigkeit, und darin immer Eines bleibt, nicht aber als von dieſem oder jenem Leben; und ſie ſieht, wie lediglich in der Erſchei¬ nung dieſes Leben unendlich fort ſich ſchließe und wiederum oͤfne, und erſt dieſem Geſetze zufolge es zu einem Seyn und zu einem Etwas uͤberhaupt komme. Ihr entſteht das Seyn, was jene ſich vorausgeben laͤßt. Und ſo iſt denn dieſe Philoſophie recht eigentlich nur deutſch, d. i. urſpruͤnglich; und umgekehrt, ſo jemand nur ein wahrer Deutſcher wuͤrde, ſo wuͤrde er nicht anders denn alſo philoſophiren koͤnnen. Jenes, obwohl bei der Mehrzahl der deutſch philoſophirenden herrſchende, dennoch nicht eigentlich deutſche Denkſyſtem greift, ob es nun mit Bewußtſeyn als eigentliches philoſo¬ phiſches Lehrgebaͤude aufgeſtellt ſey, oder ob es nur unbewußt unſerm uͤbrigen Denken zum Grunde liege, — es greift, ſage ich, ein, in die uͤbrigen wiſſenſchaftlichen Anſichten der Zeit; wie denn dies ein Hauptbeſtreben unſrer durch das Ausland angeregten Zeit iſt, den wiſſen¬ ſchaftlichen Stoff nicht mehr bloß, wie wohl

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/220>, abgerufen am 21.11.2024.