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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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zuerst gelernt zu haben, denselben zu gebrau¬
chen? Jene Kenntniß ist keine Erkenntniß, son¬
dern ein bloßes Auswendiglernen von willkühr¬
lichen Wortzeichen, das durch die Ueberschäz¬
zung des Redens herbei geführt wird. Die
wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬
kenntniß wäre, um es in der Pestalozzischen
Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬
dungen. Wie das Kind anfängt, Sprachtöne
zu vernehmen, und selbst nothdürftig zu bilden,
müßte es geleitet werden, sich vollkommen deut¬
lich zu machen, ob es hungere, oder schläfrig
sey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke
bezeichnete ihm gegenwärtige Empfindung sehe,
oder ob es vielmehr dieselbe höre, u. s. f. oder
ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die
verschiedenen durch besondere Wörter bezeich¬
neten Eindrücke auf denselben Sinn, z. B die
Farben, die Schalle der verschiedenen Körper
u. s. f. verschieden seyen, und in welchen Ab¬
stufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬
pfindungsvermögen selbst regelmäßig entwik¬
kelnder Folge. Hiedurch erhält das Kind erst
ein Ich, das es im freien, und besonnenen
Begriffe absondert, und mit demselben durch¬

dringt,

zuerſt gelernt zu haben, denſelben zu gebrau¬
chen? Jene Kenntniß iſt keine Erkenntniß, ſon¬
dern ein bloßes Auswendiglernen von willkuͤhr¬
lichen Wortzeichen, das durch die Ueberſchaͤz¬
zung des Redens herbei gefuͤhrt wird. Die
wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬
kenntniß waͤre, um es in der Peſtalozziſchen
Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬
dungen. Wie das Kind anfaͤngt, Sprachtoͤne
zu vernehmen, und ſelbſt nothduͤrftig zu bilden,
muͤßte es geleitet werden, ſich vollkommen deut¬
lich zu machen, ob es hungere, oder ſchlaͤfrig
ſey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke
bezeichnete ihm gegenwaͤrtige Empfindung ſehe,
oder ob es vielmehr dieſelbe hoͤre, u. ſ. f. oder
ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die
verſchiedenen durch beſondere Woͤrter bezeich¬
neten Eindruͤcke auf denſelben Sinn, z. B die
Farben, die Schalle der verſchiedenen Koͤrper
u. ſ. f. verſchieden ſeyen, und in welchen Ab¬
ſtufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬
pfindungsvermoͤgen ſelbſt regelmaͤßig entwik¬
kelnder Folge. Hiedurch erhaͤlt das Kind erſt
ein Ich, das es im freien, und beſonnenen
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[304/0310] zuerſt gelernt zu haben, denſelben zu gebrau¬ chen? Jene Kenntniß iſt keine Erkenntniß, ſon¬ dern ein bloßes Auswendiglernen von willkuͤhr¬ lichen Wortzeichen, das durch die Ueberſchaͤz¬ zung des Redens herbei gefuͤhrt wird. Die wahre Grundlage des Unterrichts und der Er¬ kenntniß waͤre, um es in der Peſtalozziſchen Sprache zu bezeichnen, ein ABC der Empfin¬ dungen. Wie das Kind anfaͤngt, Sprachtoͤne zu vernehmen, und ſelbſt nothduͤrftig zu bilden, muͤßte es geleitet werden, ſich vollkommen deut¬ lich zu machen, ob es hungere, oder ſchlaͤfrig ſey, ob es die mit dem oder dem Ausdrucke bezeichnete ihm gegenwaͤrtige Empfindung ſehe, oder ob es vielmehr dieſelbe hoͤre, u. ſ. f. oder ob es wohl gar etwas bloß hinzudenke; wie die verſchiedenen durch beſondere Woͤrter bezeich¬ neten Eindruͤcke auf denſelben Sinn, z. B die Farben, die Schalle der verſchiedenen Koͤrper u. ſ. f. verſchieden ſeyen, und in welchen Ab¬ ſtufungen; alles dies in richtiger, und das Em¬ pfindungsvermoͤgen ſelbſt regelmaͤßig entwik¬ kelnder Folge. Hiedurch erhaͤlt das Kind erſt ein Ich, das es im freien, und beſonnenen Begriffe abſondert, und mit demſelben durch¬ dringt,

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/310>, abgerufen am 22.11.2024.