das Seiende, und indem sie das Sein, welches sie denken und denkend erkennen, auf Grund jener Einsicht sozusagen auf seinen Wirklichkeitswerth zu prüfen suchen, sind sie der Ueberzeugung, daß es eben das Sein selbst ist, welches sich ihnen auf Grund der Consequenzen, die sich mit un¬ umgänglicher Nothwendigkeit aus jener Einsicht ergeben, immer mehr in seiner wahren Gestalt und in seinem wahren Werth enthüllt.
Da das Denken an die Sprache gebunden ist und auch da nicht gleichsam körperlos auftritt, wo es sich auf den letzten Höhen seiner Entwickelung des sprachlichen Aus¬ drucks begiebt, sondern auch da doch immer noch der Zeichen bedarf, um vor sich gehen zu können, so steht und fällt die Frage, ob man berechtigt sei, das denkende Erkennen als eine auf das Sein, die Wirklichkeit als ihr Object gerichtete Thätigkeit aufzufassen, mit der anderen Frage, ob die Sprache fähig sei, ein Seiendes zu bezeichnen. Besitzt der Mensch in der Sprache das Mittel, die Wirklichkeit in all ihrem Reichthum, all ihrer Mannichfaltigkeit bezeichnen, zum Ausdruck bringen zu können, so kann darüber kein Zweifel sein, daß er durch das Denken zu einer Erkenntniß des Seienden gelangt oder wenigstens zu gelangen strebt. In der Beantwortung dieser Frage unterscheidet sich derjenige, dessen Geist von der Einsicht in die Relativität alles Existirenden erleuchtet ist, nicht von demjenigen, der noch in dem naiven Glauben an das absolute Dasein der Ob¬ jekte seiner Erkenntniß verharrt. Beide stellen die Sprache dem Seienden gegenüber als das universale Mittel zur
das Seiende, und indem ſie das Sein, welches ſie denken und denkend erkennen, auf Grund jener Einſicht ſozuſagen auf ſeinen Wirklichkeitswerth zu prüfen ſuchen, ſind ſie der Ueberzeugung, daß es eben das Sein ſelbſt iſt, welches ſich ihnen auf Grund der Conſequenzen, die ſich mit un¬ umgänglicher Nothwendigkeit aus jener Einſicht ergeben, immer mehr in ſeiner wahren Geſtalt und in ſeinem wahren Werth enthüllt.
Da das Denken an die Sprache gebunden iſt und auch da nicht gleichſam körperlos auftritt, wo es ſich auf den letzten Höhen ſeiner Entwickelung des ſprachlichen Aus¬ drucks begiebt, ſondern auch da doch immer noch der Zeichen bedarf, um vor ſich gehen zu können, ſo ſteht und fällt die Frage, ob man berechtigt ſei, das denkende Erkennen als eine auf das Sein, die Wirklichkeit als ihr Object gerichtete Thätigkeit aufzufaſſen, mit der anderen Frage, ob die Sprache fähig ſei, ein Seiendes zu bezeichnen. Beſitzt der Menſch in der Sprache das Mittel, die Wirklichkeit in all ihrem Reichthum, all ihrer Mannichfaltigkeit bezeichnen, zum Ausdruck bringen zu können, ſo kann darüber kein Zweifel ſein, daß er durch das Denken zu einer Erkenntniß des Seienden gelangt oder wenigſtens zu gelangen ſtrebt. In der Beantwortung dieſer Frage unterſcheidet ſich derjenige, deſſen Geiſt von der Einſicht in die Relativität alles Exiſtirenden erleuchtet iſt, nicht von demjenigen, der noch in dem naiven Glauben an das abſolute Daſein der Ob¬ jekte ſeiner Erkenntniß verharrt. Beide ſtellen die Sprache dem Seienden gegenüber als das univerſale Mittel zur
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das Seiende, und indem ſie das Sein, welches ſie denken
und denkend erkennen, auf Grund jener Einſicht ſozuſagen
auf ſeinen Wirklichkeitswerth zu prüfen ſuchen, ſind ſie der
Ueberzeugung, daß es eben das Sein ſelbſt iſt, welches
ſich ihnen auf Grund der Conſequenzen, die ſich mit un¬
umgänglicher Nothwendigkeit aus jener Einſicht ergeben,
immer mehr in ſeiner wahren Geſtalt und in ſeinem wahren
Werth enthüllt.
Da das Denken an die Sprache gebunden iſt und
auch da nicht gleichſam körperlos auftritt, wo es ſich auf
den letzten Höhen ſeiner Entwickelung des ſprachlichen Aus¬
drucks begiebt, ſondern auch da doch immer noch der Zeichen
bedarf, um vor ſich gehen zu können, ſo ſteht und fällt die
Frage, ob man berechtigt ſei, das denkende Erkennen als
eine auf das Sein, die Wirklichkeit als ihr Object gerichtete
Thätigkeit aufzufaſſen, mit der anderen Frage, ob die
Sprache fähig ſei, ein Seiendes zu bezeichnen. Beſitzt der
Menſch in der Sprache das Mittel, die Wirklichkeit in all
ihrem Reichthum, all ihrer Mannichfaltigkeit bezeichnen, zum
Ausdruck bringen zu können, ſo kann darüber kein Zweifel
ſein, daß er durch das Denken zu einer Erkenntniß des
Seienden gelangt oder wenigſtens zu gelangen ſtrebt. In
der Beantwortung dieſer Frage unterſcheidet ſich derjenige,
deſſen Geiſt von der Einſicht in die Relativität alles
Exiſtirenden erleuchtet iſt, nicht von demjenigen, der noch
in dem naiven Glauben an das abſolute Daſein der Ob¬
jekte ſeiner Erkenntniß verharrt. Beide ſtellen die Sprache
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/17>, abgerufen am 16.07.2024.
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