stalten, Begriffe sich bilden, wie sich an der Sprache der Begriffe sein Denken entwickelt, wie dieses Denken, um zu gewissen Zielen zu gelangen, auch noch das bunte Gewand der Sprache abwirft und sich nur noch in Zeichen dar¬ stellt, so wird er sich einer Entwickelung seiner geistigen Natur bewußt, die ihn weit hinaus hebt über alle seine Mitgeschöpfe, und in der er die höhere geistige Bestimmung anzuerkennen sich berechtigt fühlt, zu der er inmitten anderer Geschöpfe berufen ist. Von diesem stolzen Bewußtsein braucht er nun zwar nicht dadurch zurückgebracht zu wer¬ den, daß er die Resultate seiner Denkthätigkeit als das betrachten lernt, was sie in Wirklichkeit sind, als Bildungen, die sich aus dem flüssigen Stoffe des gesammten sinnlich¬ seelischen Lebens in fester Gestalt aussondern und ein eigenes Reich des Seienden bilden; aber er sieht doch ein, daß er den Werth seiner Denkthätigkeit überschätzt hat, insofern dieselbe zwar einen bestimmten gleichsam aus allen Ele¬ menten der sinnlich gegebenen Wirklichkeit zubereiteten Stoff, keineswegs aber diese Wirklichkeit selbst unter die Macht des Bewußtseins giebt. Und infolgedessen begreift er, daß der neue, abgeleitete Inhalt, indem derselbe mehr und mehr von seinem Bewußtsein Besitz ergreift, jenen elementaren Bewußtseinsinhalt verdrängt, und daß so der menschliche Geist, indem er die Wirklichkeit mehr und mehr erfaßt, von dem Ursprung aller Wirklichkeit mehr und mehr ab¬ gedrängt wird.
Und ferner, wo man ein Mittel sah, zur Macht und Freiheit zu gelangen, da sieht man nun, daß unter der
ſtalten, Begriffe ſich bilden, wie ſich an der Sprache der Begriffe ſein Denken entwickelt, wie dieſes Denken, um zu gewiſſen Zielen zu gelangen, auch noch das bunte Gewand der Sprache abwirft und ſich nur noch in Zeichen dar¬ ſtellt, ſo wird er ſich einer Entwickelung ſeiner geiſtigen Natur bewußt, die ihn weit hinaus hebt über alle ſeine Mitgeſchöpfe, und in der er die höhere geiſtige Beſtimmung anzuerkennen ſich berechtigt fühlt, zu der er inmitten anderer Geſchöpfe berufen iſt. Von dieſem ſtolzen Bewußtſein braucht er nun zwar nicht dadurch zurückgebracht zu wer¬ den, daß er die Reſultate ſeiner Denkthätigkeit als das betrachten lernt, was ſie in Wirklichkeit ſind, als Bildungen, die ſich aus dem flüſſigen Stoffe des geſammten ſinnlich¬ ſeeliſchen Lebens in feſter Geſtalt ausſondern und ein eigenes Reich des Seienden bilden; aber er ſieht doch ein, daß er den Werth ſeiner Denkthätigkeit überſchätzt hat, inſofern dieſelbe zwar einen beſtimmten gleichſam aus allen Ele¬ menten der ſinnlich gegebenen Wirklichkeit zubereiteten Stoff, keineswegs aber dieſe Wirklichkeit ſelbſt unter die Macht des Bewußtſeins giebt. Und infolgedeſſen begreift er, daß der neue, abgeleitete Inhalt, indem derſelbe mehr und mehr von ſeinem Bewußtſein Beſitz ergreift, jenen elementaren Bewußtſeinſinhalt verdrängt, und daß ſo der menſchliche Geiſt, indem er die Wirklichkeit mehr und mehr erfaßt, von dem Urſprung aller Wirklichkeit mehr und mehr ab¬ gedrängt wird.
Und ferner, wo man ein Mittel ſah, zur Macht und Freiheit zu gelangen, da ſieht man nun, daß unter der
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ſtalten, Begriffe ſich bilden, wie ſich an der Sprache der
Begriffe ſein Denken entwickelt, wie dieſes Denken, um zu
gewiſſen Zielen zu gelangen, auch noch das bunte Gewand
der Sprache abwirft und ſich nur noch in Zeichen dar¬
ſtellt, ſo wird er ſich einer Entwickelung ſeiner geiſtigen
Natur bewußt, die ihn weit hinaus hebt über alle ſeine
Mitgeſchöpfe, und in der er die höhere geiſtige Beſtimmung
anzuerkennen ſich berechtigt fühlt, zu der er inmitten anderer
Geſchöpfe berufen iſt. Von dieſem ſtolzen Bewußtſein
braucht er nun zwar nicht dadurch zurückgebracht zu wer¬
den, daß er die Reſultate ſeiner Denkthätigkeit als das
betrachten lernt, was ſie in Wirklichkeit ſind, als Bildungen,
die ſich aus dem flüſſigen Stoffe des geſammten ſinnlich¬
ſeeliſchen Lebens in feſter Geſtalt ausſondern und ein eigenes
Reich des Seienden bilden; aber er ſieht doch ein, daß
er den Werth ſeiner Denkthätigkeit überſchätzt hat, inſofern
dieſelbe zwar einen beſtimmten gleichſam aus allen Ele¬
menten der ſinnlich gegebenen Wirklichkeit zubereiteten Stoff,
keineswegs aber dieſe Wirklichkeit ſelbſt unter die Macht
des Bewußtſeins giebt. Und infolgedeſſen begreift er, daß
der neue, abgeleitete Inhalt, indem derſelbe mehr und mehr
von ſeinem Bewußtſein Beſitz ergreift, jenen elementaren
Bewußtſeinſinhalt verdrängt, und daß ſo der menſchliche
Geiſt, indem er die Wirklichkeit mehr und mehr erfaßt,
von dem Urſprung aller Wirklichkeit mehr und mehr ab¬
gedrängt wird.
Und ferner, wo man ein Mittel ſah, zur Macht und
Freiheit zu gelangen, da ſieht man nun, daß unter der
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/32>, abgerufen am 16.07.2024.
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