habe nun eben zwei Gegenstände, die in ihrer tastbaren, meßbaren, berechenbaren Form übereinstimmen mögen, von denen beiden ich aber die Form, wie sie dem Auge er¬ scheint, eben nur dem Auge, nicht aber einer Abformung verdanken kann. Wer aber meint, daß die Photographie dieses Gesichtsbild in der untrüglichsten Weise liefere, weil wohl das Auge, nicht aber eine Maschine irren könne, der muß von der Voraussetzung ausgehen, daß der Vorgang, durch den im menschlichen Auge und Gehirn das Gesichts¬ bild entsteht, ganz dem gleiche, durch den im photographi¬ schen Apparat das photographische Product zu Stande kommt; eine Voraussetzung, die im Ernste Niemand machen kann. Im Grunde kann auf photographischem Wege doch nur etwas hergestellt werden, was eben keine Gesichtsvor¬ stellung ist, sondern wovon wir uns erst eine Gesichtsvor¬ stellung bilden müssen. Besteht zwischen einem photo¬ graphischen und einem anderweitig hergestellten Gegenstand, wie bei Schriften, Drucken, planimetrischen Figuren, Zeich¬ nungen u. s. w. und den nach ihnen angefertigten Nach¬ bildungen eine Uebereinstimmung in ihrer anderweitigen Beschaffenheit, so werden Original und Nachbildung das¬ selbe Gesichtsbild liefern. Wo aber diese Uebereinstimmung nicht vorhanden ist, da wird die Photographie kein treues Abbild des Originals sein, vielmehr wird eben das Original ganz anders aussehen als das Nachbild.
Bei anderen in das Bereich der Sichtbarkeit gehörigen Qualitäten der Dinge, wie Farben, Unterschieden von hell und dunkel, Glanz u. s. w. ist ein mißverständliches Zu¬
habe nun eben zwei Gegenſtände, die in ihrer taſtbaren, meßbaren, berechenbaren Form übereinſtimmen mögen, von denen beiden ich aber die Form, wie ſie dem Auge er¬ ſcheint, eben nur dem Auge, nicht aber einer Abformung verdanken kann. Wer aber meint, daß die Photographie dieſes Geſichtsbild in der untrüglichſten Weiſe liefere, weil wohl das Auge, nicht aber eine Maſchine irren könne, der muß von der Vorausſetzung ausgehen, daß der Vorgang, durch den im menſchlichen Auge und Gehirn das Geſichts¬ bild entſteht, ganz dem gleiche, durch den im photographi¬ ſchen Apparat das photographiſche Product zu Stande kommt; eine Vorausſetzung, die im Ernſte Niemand machen kann. Im Grunde kann auf photographiſchem Wege doch nur etwas hergeſtellt werden, was eben keine Geſichtsvor¬ ſtellung iſt, ſondern wovon wir uns erſt eine Geſichtsvor¬ ſtellung bilden müſſen. Beſteht zwiſchen einem photo¬ graphiſchen und einem anderweitig hergeſtellten Gegenſtand, wie bei Schriften, Drucken, planimetriſchen Figuren, Zeich¬ nungen u. ſ. w. und den nach ihnen angefertigten Nach¬ bildungen eine Uebereinſtimmung in ihrer anderweitigen Beſchaffenheit, ſo werden Original und Nachbildung das¬ ſelbe Geſichtsbild liefern. Wo aber dieſe Uebereinſtimmung nicht vorhanden iſt, da wird die Photographie kein treues Abbild des Originals ſein, vielmehr wird eben das Original ganz anders ausſehen als das Nachbild.
Bei anderen in das Bereich der Sichtbarkeit gehörigen Qualitäten der Dinge, wie Farben, Unterſchieden von hell und dunkel, Glanz u. ſ. w. iſt ein mißverſtändliches Zu¬
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habe nun eben zwei Gegenſtände, die in ihrer taſtbaren,
meßbaren, berechenbaren Form übereinſtimmen mögen, von
denen beiden ich aber die Form, wie ſie dem Auge er¬
ſcheint, eben nur dem Auge, nicht aber einer Abformung
verdanken kann. Wer aber meint, daß die Photographie
dieſes Geſichtsbild in der untrüglichſten Weiſe liefere, weil
wohl das Auge, nicht aber eine Maſchine irren könne, der
muß von der Vorausſetzung ausgehen, daß der Vorgang,
durch den im menſchlichen Auge und Gehirn das Geſichts¬
bild entſteht, ganz dem gleiche, durch den im photographi¬
ſchen Apparat das photographiſche Product zu Stande
kommt; eine Vorausſetzung, die im Ernſte Niemand machen
kann. Im Grunde kann auf photographiſchem Wege doch
nur etwas hergeſtellt werden, was eben keine Geſichtsvor¬
ſtellung iſt, ſondern wovon wir uns erſt eine Geſichtsvor¬
ſtellung bilden müſſen. Beſteht zwiſchen einem photo¬
graphiſchen und einem anderweitig hergeſtellten Gegenſtand,
wie bei Schriften, Drucken, planimetriſchen Figuren, Zeich¬
nungen u. ſ. w. und den nach ihnen angefertigten Nach¬
bildungen eine Uebereinſtimmung in ihrer anderweitigen
Beſchaffenheit, ſo werden Original und Nachbildung das¬
ſelbe Geſichtsbild liefern. Wo aber dieſe Uebereinſtimmung
nicht vorhanden iſt, da wird die Photographie kein treues
Abbild des Originals ſein, vielmehr wird eben das Original
ganz anders ausſehen als das Nachbild.
Bei anderen in das Bereich der Sichtbarkeit gehörigen
Qualitäten der Dinge, wie Farben, Unterſchieden von hell
und dunkel, Glanz u. ſ. w. iſt ein mißverſtändliches Zu¬
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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