Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

des Tastens, nicht möglich ist, und wird dann ganz natür¬
lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten
für eine Bedeutung in Betreff eines durch sie zu befrie¬
digenden allgemeinen Triebes besitzen, sondern, welchen
Werth sie für das Sinnesgebiet selbst haben, auf dem
sie sich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬
qualität, die durch einen Sinn wie den Tastsinn vermittelt
worden ist, von den Gegenständen nicht trennen kann, an
denen sie erscheint; daß man hingegen durch den Gesichts¬
sinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum
Gegenstand einer selbstständigen, von den anderen Sinnes¬
qualitäten, die in einem Gegenstande zusammentreffen, un¬
abhängigen Darstellung machen kann. Vergegenwärtigen
wir uns den einfachsten Gegenstand, der sowohl Object
unseres Tastsinnes als auch unseres Gesichtssinnes ist:
wollten wir das, was wir die Tastvorstellung an dem
Gegenstand nennen, darstellen, wie vermöchten wir dies
anders zu thun, als indem wir den Gegenstand selbst
wiederholten, um durch die Wiederholung dieselben Tast¬
vorstellungen hervorzurufen, die wir dem ursprünglichen
Gegenstand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um
einen Schritt weiter: wir besitzen gar kein Mittel, um
uns einer Tastvorstellung unmittelbar zu bemächtigen; nur
indirekt können wir sie wieder hervorzurufen suchen, und
das, was wir dadurch erreichen, kommt im besten Falle dem
gleich, was wir ursprünglich an tastbarer Wirklichkeit in
unserem wahrnehmenden Bewußtsein besaßen. Das, was
sich auf dem Gebiet des Tastsinnes als unmöglich erweist,

Fiedler, Ursprung. 6

des Taſtens, nicht möglich iſt, und wird dann ganz natür¬
lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten
für eine Bedeutung in Betreff eines durch ſie zu befrie¬
digenden allgemeinen Triebes beſitzen, ſondern, welchen
Werth ſie für das Sinnesgebiet ſelbſt haben, auf dem
ſie ſich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬
qualität, die durch einen Sinn wie den Taſtſinn vermittelt
worden iſt, von den Gegenſtänden nicht trennen kann, an
denen ſie erſcheint; daß man hingegen durch den Geſichts¬
ſinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum
Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen, von den anderen Sinnes¬
qualitäten, die in einem Gegenſtande zuſammentreffen, un¬
abhängigen Darſtellung machen kann. Vergegenwärtigen
wir uns den einfachſten Gegenſtand, der ſowohl Object
unſeres Taſtſinnes als auch unſeres Geſichtsſinnes iſt:
wollten wir das, was wir die Taſtvorſtellung an dem
Gegenſtand nennen, darſtellen, wie vermöchten wir dies
anders zu thun, als indem wir den Gegenſtand ſelbſt
wiederholten, um durch die Wiederholung dieſelben Taſt¬
vorſtellungen hervorzurufen, die wir dem urſprünglichen
Gegenſtand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um
einen Schritt weiter: wir beſitzen gar kein Mittel, um
uns einer Taſtvorſtellung unmittelbar zu bemächtigen; nur
indirekt können wir ſie wieder hervorzurufen ſuchen, und
das, was wir dadurch erreichen, kommt im beſten Falle dem
gleich, was wir urſprünglich an taſtbarer Wirklichkeit in
unſerem wahrnehmenden Bewußtſein beſaßen. Das, was
ſich auf dem Gebiet des Taſtſinnes als unmöglich erweiſt,

Fiedler, Urſprung. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="81"/>
des Ta&#x017F;tens, nicht möglich i&#x017F;t, und wird dann ganz natür¬<lb/>
lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten<lb/>
für eine Bedeutung in Betreff eines durch &#x017F;ie zu befrie¬<lb/>
digenden allgemeinen Triebes be&#x017F;itzen, &#x017F;ondern, welchen<lb/>
Werth &#x017F;ie für das Sinnesgebiet &#x017F;elb&#x017F;t haben, auf dem<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬<lb/>
qualität, die durch einen Sinn wie den Ta&#x017F;t&#x017F;inn vermittelt<lb/>
worden i&#x017F;t, von den Gegen&#x017F;tänden nicht trennen kann, an<lb/>
denen &#x017F;ie er&#x017F;cheint; daß man hingegen durch den Ge&#x017F;ichts¬<lb/>
&#x017F;inn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum<lb/>
Gegen&#x017F;tand einer &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändigen, von den anderen Sinnes¬<lb/>
qualitäten, die in einem Gegen&#x017F;tande zu&#x017F;ammentreffen, un¬<lb/>
abhängigen Dar&#x017F;tellung machen kann. Vergegenwärtigen<lb/>
wir uns den einfach&#x017F;ten Gegen&#x017F;tand, der &#x017F;owohl Object<lb/>
un&#x017F;eres Ta&#x017F;t&#x017F;innes als auch un&#x017F;eres Ge&#x017F;ichts&#x017F;innes i&#x017F;t:<lb/>
wollten wir das, was wir die Ta&#x017F;tvor&#x017F;tellung an dem<lb/>
Gegen&#x017F;tand nennen, dar&#x017F;tellen, wie vermöchten wir dies<lb/>
anders zu thun, als indem wir den Gegen&#x017F;tand &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wiederholten, um durch die Wiederholung die&#x017F;elben Ta&#x017F;<lb/>
vor&#x017F;tellungen hervorzurufen, die wir dem ur&#x017F;prünglichen<lb/>
Gegen&#x017F;tand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um<lb/>
einen Schritt weiter: wir be&#x017F;itzen gar kein Mittel, um<lb/>
uns einer Ta&#x017F;tvor&#x017F;tellung unmittelbar zu bemächtigen; nur<lb/>
indirekt können wir &#x017F;ie wieder hervorzurufen &#x017F;uchen, und<lb/>
das, was wir dadurch erreichen, kommt im be&#x017F;ten Falle dem<lb/>
gleich, was wir ur&#x017F;prünglich an ta&#x017F;tbarer Wirklichkeit in<lb/>
un&#x017F;erem wahrnehmenden Bewußt&#x017F;ein be&#x017F;aßen. Das, was<lb/>
&#x017F;ich auf dem Gebiet des Ta&#x017F;t&#x017F;innes als unmöglich erwei&#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Fiedler</hi>, Ur&#x017F;prung. 6<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] des Taſtens, nicht möglich iſt, und wird dann ganz natür¬ lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten für eine Bedeutung in Betreff eines durch ſie zu befrie¬ digenden allgemeinen Triebes beſitzen, ſondern, welchen Werth ſie für das Sinnesgebiet ſelbſt haben, auf dem ſie ſich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬ qualität, die durch einen Sinn wie den Taſtſinn vermittelt worden iſt, von den Gegenſtänden nicht trennen kann, an denen ſie erſcheint; daß man hingegen durch den Geſichts¬ ſinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen, von den anderen Sinnes¬ qualitäten, die in einem Gegenſtande zuſammentreffen, un¬ abhängigen Darſtellung machen kann. Vergegenwärtigen wir uns den einfachſten Gegenſtand, der ſowohl Object unſeres Taſtſinnes als auch unſeres Geſichtsſinnes iſt: wollten wir das, was wir die Taſtvorſtellung an dem Gegenſtand nennen, darſtellen, wie vermöchten wir dies anders zu thun, als indem wir den Gegenſtand ſelbſt wiederholten, um durch die Wiederholung dieſelben Taſt¬ vorſtellungen hervorzurufen, die wir dem urſprünglichen Gegenſtand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um einen Schritt weiter: wir beſitzen gar kein Mittel, um uns einer Taſtvorſtellung unmittelbar zu bemächtigen; nur indirekt können wir ſie wieder hervorzurufen ſuchen, und das, was wir dadurch erreichen, kommt im beſten Falle dem gleich, was wir urſprünglich an taſtbarer Wirklichkeit in unſerem wahrnehmenden Bewußtſein beſaßen. Das, was ſich auf dem Gebiet des Taſtſinnes als unmöglich erweiſt, Fiedler, Urſprung. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/93
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/93>, abgerufen am 21.11.2024.