3. Das Schloß in Rheinsberg. Anblick vom See aus. Die Reihenfolge der Besitzer. Die Zimmer des Kronprinzen. Die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Die alte Glocke zu Rheinsberg, die in mehr charakterischen als poetischen Alexandrinern die Inschrift trägt:
Des Feuers starke Wuth riß mich in Stücken nieder, Mit Gott durch Meyer's Hand ruf ich doch Menschen wieder, --
schlägt eben vier und läßt uns die Vermuthung aussprechen, daß selbst der Nachmittagsschlaf eines 84jährigen nunmehr am Ende sein könne. Unser heiterer Freund antwortet mit einem ungläu- bigen "wer weiß", ist aber nichts desto weniger bereit, die Füh- rung bis in's Schloß zu übernehmen und uns seinem "Gevatter" vorzustellen. Unterwegs warnt er uns, in humoristischer Weise vor den Bilder-Erklärungen und Namens-Unterstellungen des Alten. "Sehen Sie, meine Herren, er hat eine Liste, auf der die Namen sämmtlicher Portraits verzeichnet stehen; aber er nimmt es nicht genau mit der Vertheilung dieser Namen. Einige Portraits sind fortgenommen und in die Berliner Gallerieen gebracht worden; aber Gevatter glaubt es nicht und stellt ihnen, nach wie vor, Per- sonen vor, die sich gar nicht mehr im Schlosse zu Rheinsberg befinden. Prinzeß Amalie namentlich, die schon bei Lebzeiten so viel Schweres tragen mußte, muß jede Unbill über sich ergehen lassen, und jedes Frauen-Portrait, das der Wissenschaft der An- tiquare und Kunstkenner bisher gespottet hat, ist sicher, als
3. Das Schloß in Rheinsberg. Anblick vom See aus. Die Reihenfolge der Beſitzer. Die Zimmer des Kronprinzen. Die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Die alte Glocke zu Rheinsberg, die in mehr charakteriſchen als poëtiſchen Alexandrinern die Inſchrift trägt:
Des Feuers ſtarke Wuth riß mich in Stücken nieder, Mit Gott durch Meyer’s Hand ruf ich doch Menſchen wieder, —
ſchlägt eben vier und läßt uns die Vermuthung ausſprechen, daß ſelbſt der Nachmittagsſchlaf eines 84jährigen nunmehr am Ende ſein könne. Unſer heiterer Freund antwortet mit einem ungläu- bigen „wer weiß“, iſt aber nichts deſto weniger bereit, die Füh- rung bis in’s Schloß zu übernehmen und uns ſeinem „Gevatter“ vorzuſtellen. Unterwegs warnt er uns, in humoriſtiſcher Weiſe vor den Bilder-Erklärungen und Namens-Unterſtellungen des Alten. „Sehen Sie, meine Herren, er hat eine Liſte, auf der die Namen ſämmtlicher Portraits verzeichnet ſtehen; aber er nimmt es nicht genau mit der Vertheilung dieſer Namen. Einige Portraits ſind fortgenommen und in die Berliner Gallerieen gebracht worden; aber Gevatter glaubt es nicht und ſtellt ihnen, nach wie vor, Per- ſonen vor, die ſich gar nicht mehr im Schloſſe zu Rheinsberg befinden. Prinzeß Amalie namentlich, die ſchon bei Lebzeiten ſo viel Schweres tragen mußte, muß jede Unbill über ſich ergehen laſſen, und jedes Frauen-Portrait, das der Wiſſenſchaft der An- tiquare und Kunſtkenner bisher geſpottet hat, iſt ſicher, als
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3.
Das Schloß in Rheinsberg. Anblick vom See aus. Die
Reihenfolge der Beſitzer. Die Zimmer des Kronprinzen.
Die Zimmer des Prinzen Heinrich.
Die alte Glocke zu Rheinsberg, die in mehr charakteriſchen als
poëtiſchen Alexandrinern die Inſchrift trägt:
Des Feuers ſtarke Wuth riß mich in Stücken nieder,
Mit Gott durch Meyer’s Hand ruf ich doch Menſchen wieder, —
ſchlägt eben vier und läßt uns die Vermuthung ausſprechen, daß
ſelbſt der Nachmittagsſchlaf eines 84jährigen nunmehr am Ende
ſein könne. Unſer heiterer Freund antwortet mit einem ungläu-
bigen „wer weiß“, iſt aber nichts deſto weniger bereit, die Füh-
rung bis in’s Schloß zu übernehmen und uns ſeinem „Gevatter“
vorzuſtellen. Unterwegs warnt er uns, in humoriſtiſcher Weiſe vor
den Bilder-Erklärungen und Namens-Unterſtellungen des Alten.
„Sehen Sie, meine Herren, er hat eine Liſte, auf der die Namen
ſämmtlicher Portraits verzeichnet ſtehen; aber er nimmt es nicht
genau mit der Vertheilung dieſer Namen. Einige Portraits ſind
fortgenommen und in die Berliner Gallerieen gebracht worden;
aber Gevatter glaubt es nicht und ſtellt ihnen, nach wie vor, Per-
ſonen vor, die ſich gar nicht mehr im Schloſſe zu Rheinsberg
befinden. Prinzeß Amalie namentlich, die ſchon bei Lebzeiten ſo
viel Schweres tragen mußte, muß jede Unbill über ſich ergehen
laſſen, und jedes Frauen-Portrait, das der Wiſſenſchaft der An-
tiquare und Kunſtkenner bisher geſpottet hat, iſt ſicher, als
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [90]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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