"Schwester Friedrichs des Großen" genannt zu werden. Sie werden sie in Hof-Costüm, in Fantasie-Costüm und in Masken- Costüm kennen lernen; besonders mach' ich Sie auf ein Knie- stück aufmerksam, wo sie in Federhut und schwarzem Muff erscheint; die Kehrseite des Bildes wäre Wohlthat dagegen." (Dies merk- würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait der Prinzessin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es ist aber, wie ich jetzt bestimmt weiß, das Portrait einer älteren Schwester und zwar der Prinzessin Charlotte, die an den Herzog von Braunschweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots- dam befindet sich ein Portrait der letztgenannten Prinzessin, das diesem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich ist.)
Unter solchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele- gene Rückseite des Schlosses erreicht, schreiten durch das Portal hindurch, passiren den Schloßhof bis zum Rande des See's, springen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns umzublicken, bis mitten auf den Wasserspiegel hinauf. Nun machen wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit vor uns. Erst die stille Fläche des See's, an seinem Ufer ein Kranz von Schilf und Wasserrosen; dahinter ansteigend ein grüner Garten-Rasen und endlich das Schloß selbst, die Fernsicht schlie- ßend. Links dehnt sich der See in seiner ganzen Länge aus; wohin wir blicken, ein Reichthum von Wasser und Wald, die Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal auf den stillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder einen "Tempel" zu zeigen.
Das Schloß war in alten Tagen ein gothischer Bau mit Thurm und Giebeldach; erst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts trat ein Schloßbau in französischem Geschmack an die Stelle der alten Gothik und nahm 30 Jahre später, unter Knobelsdorff's Anleitung, im Wesentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä- sentirt. Eine Beschreibung des Schlosses versuche ich nur in allge- meinsten Zügen. Es besteht aus einem Mittelstück (Corps de
„Schweſter Friedrichs des Großen“ genannt zu werden. Sie werden ſie in Hof-Coſtüm, in Fantaſie-Coſtüm und in Masken- Coſtüm kennen lernen; beſonders mach’ ich Sie auf ein Knie- ſtück aufmerkſam, wo ſie in Federhut und ſchwarzem Muff erſcheint; die Kehrſeite des Bildes wäre Wohlthat dagegen.“ (Dies merk- würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait der Prinzeſſin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es iſt aber, wie ich jetzt beſtimmt weiß, das Portrait einer älteren Schweſter und zwar der Prinzeſſin Charlotte, die an den Herzog von Braunſchweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots- dam befindet ſich ein Portrait der letztgenannten Prinzeſſin, das dieſem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich iſt.)
Unter ſolchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele- gene Rückſeite des Schloſſes erreicht, ſchreiten durch das Portal hindurch, paſſiren den Schloßhof bis zum Rande des See’s, ſpringen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns umzublicken, bis mitten auf den Waſſerſpiegel hinauf. Nun machen wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit vor uns. Erſt die ſtille Fläche des See’s, an ſeinem Ufer ein Kranz von Schilf und Waſſerroſen; dahinter anſteigend ein grüner Garten-Raſen und endlich das Schloß ſelbſt, die Fernſicht ſchlie- ßend. Links dehnt ſich der See in ſeiner ganzen Länge aus; wohin wir blicken, ein Reichthum von Waſſer und Wald, die Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal auf den ſtillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder einen „Tempel“ zu zeigen.
Das Schloß war in alten Tagen ein gothiſcher Bau mit Thurm und Giebeldach; erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts trat ein Schloßbau in franzöſiſchem Geſchmack an die Stelle der alten Gothik und nahm 30 Jahre ſpäter, unter Knobelsdorff’s Anleitung, im Weſentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä- ſentirt. Eine Beſchreibung des Schloſſes verſuche ich nur in allge- meinſten Zügen. Es beſteht aus einem Mittelſtück (Corps de
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0109"n="91"/>„Schweſter Friedrichs des Großen“ genannt zu werden. Sie<lb/>
werden ſie in Hof-Coſtüm, in Fantaſie-Coſtüm und in Masken-<lb/>
Coſtüm kennen lernen; beſonders mach’ ich Sie auf ein Knie-<lb/>ſtück aufmerkſam, wo ſie in Federhut und ſchwarzem Muff erſcheint;<lb/>
die Kehrſeite des Bildes wäre Wohlthat dagegen.“ (Dies merk-<lb/>
würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait<lb/>
der Prinzeſſin <hirendition="#g">Amalie</hi>, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es<lb/>
iſt aber, wie ich jetzt beſtimmt weiß, das Portrait einer älteren<lb/>
Schweſter und zwar der Prinzeſſin <hirendition="#g">Charlotte</hi>, die an den Herzog<lb/>
von Braunſchweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots-<lb/>
dam befindet ſich ein Portrait der letztgenannten Prinzeſſin, das<lb/>
dieſem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich iſt.)</p><lb/><p>Unter ſolchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele-<lb/>
gene Rückſeite des <hirendition="#g">Schloſſes</hi> erreicht, ſchreiten durch das Portal<lb/>
hindurch, paſſiren den Schloßhof bis zum Rande des See’s,<lb/>ſpringen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns<lb/>
umzublicken, bis mitten auf den Waſſerſpiegel hinauf. Nun machen<lb/>
wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit<lb/>
vor uns. Erſt die ſtille Fläche des See’s, an ſeinem Ufer ein<lb/>
Kranz von Schilf und Waſſerroſen; dahinter anſteigend ein grüner<lb/>
Garten-Raſen und endlich das Schloß ſelbſt, die Fernſicht ſchlie-<lb/>
ßend. Links dehnt ſich der See in ſeiner ganzen Länge aus;<lb/>
wohin wir blicken, ein Reichthum von Waſſer und Wald, die<lb/>
Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal<lb/>
auf den ſtillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder<lb/>
einen „Tempel“ zu zeigen.</p><lb/><p>Das Schloß war in alten Tagen ein gothiſcher Bau mit<lb/>
Thurm und Giebeldach; erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts<lb/>
trat ein Schloßbau in franzöſiſchem Geſchmack an die Stelle der<lb/>
alten Gothik und nahm 30 Jahre ſpäter, unter Knobelsdorff’s<lb/>
Anleitung, im Weſentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä-<lb/>ſentirt. Eine Beſchreibung des Schloſſes verſuche ich nur in allge-<lb/>
meinſten Zügen. Es beſteht aus einem Mittelſtück (<hirendition="#aq">Corps de<lb/></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[91/0109]
„Schweſter Friedrichs des Großen“ genannt zu werden. Sie
werden ſie in Hof-Coſtüm, in Fantaſie-Coſtüm und in Masken-
Coſtüm kennen lernen; beſonders mach’ ich Sie auf ein Knie-
ſtück aufmerkſam, wo ſie in Federhut und ſchwarzem Muff erſcheint;
die Kehrſeite des Bildes wäre Wohlthat dagegen.“ (Dies merk-
würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait
der Prinzeſſin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es
iſt aber, wie ich jetzt beſtimmt weiß, das Portrait einer älteren
Schweſter und zwar der Prinzeſſin Charlotte, die an den Herzog
von Braunſchweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots-
dam befindet ſich ein Portrait der letztgenannten Prinzeſſin, das
dieſem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich iſt.)
Unter ſolchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele-
gene Rückſeite des Schloſſes erreicht, ſchreiten durch das Portal
hindurch, paſſiren den Schloßhof bis zum Rande des See’s,
ſpringen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns
umzublicken, bis mitten auf den Waſſerſpiegel hinauf. Nun machen
wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit
vor uns. Erſt die ſtille Fläche des See’s, an ſeinem Ufer ein
Kranz von Schilf und Waſſerroſen; dahinter anſteigend ein grüner
Garten-Raſen und endlich das Schloß ſelbſt, die Fernſicht ſchlie-
ßend. Links dehnt ſich der See in ſeiner ganzen Länge aus;
wohin wir blicken, ein Reichthum von Waſſer und Wald, die
Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal
auf den ſtillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder
einen „Tempel“ zu zeigen.
Das Schloß war in alten Tagen ein gothiſcher Bau mit
Thurm und Giebeldach; erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
trat ein Schloßbau in franzöſiſchem Geſchmack an die Stelle der
alten Gothik und nahm 30 Jahre ſpäter, unter Knobelsdorff’s
Anleitung, im Weſentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä-
ſentirt. Eine Beſchreibung des Schloſſes verſuche ich nur in allge-
meinſten Zügen. Es beſteht aus einem Mittelſtück (Corps de
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/109>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.