Gespräche der Art vermieden wünschte, deutete er schon dadurch an, daß Niemand in Dienstkleidung (Uniform) erscheinen durfte; Hof- oder Gesellschaftskleid war Vorschrift. Die Unterhaltung drehte sich um Fragen der Kunst und Wissenschaft, um philosophische Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er sich mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußischen Krieg gegen Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt gewisse Sympathien mit der französischen Revolution. Ob diese Sympathien (so bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor- liebe für freie Staatsverfassungen wurzelten, oder nur ein Resultat der Anschauung waren, daß alles Französische gut sei, auch eine französische Revolution, -- mag dahin gestellt bleiben. In ähnlich offner Weise nahm er Parthei für die Polen, und dieselbe Thei- lung, zu deren Vollziehung er als gehorsamer Diener seines Kö- nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben so wenig für ein Meisterstück der Politik, wie für eine Handlung der Gerechtigkeit. Mit besonderer Vorliebe wurden philosophisch- religiöse Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten Fragen, auf deren Lösung die Welt seitdem verzichtet hat, wurden, unter Aufwand von Geist und Gelehrsamkeit, mit Citaten pro und contra immer wieder und wieder durchgekämpft.
Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, so doch so oft wie möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh- rung kamen, habe ich nichts Bestimmtes erfahren können, aber es scheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anschauungen und Unterhaltungen, so auch die Bühne beherrschte. Auch die Namen der Künstler sind bis auf wenige verschollen: Blainville, der Lieb- ling des Prinzen, Demoiselle Toussaint, eine Tochter oder Schwester des Vorlesers, Demoiselle Aurore, Demoiselle Elsener, deren Urne wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, sind die einzigen, die sich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der Stadt Rheinsberg erhalten haben.
Wir haben bis hierher den Durchschnittstag des Rheinsberger Hoflebens beschrieben; was ihn unterbrach, waren Besuche, die
Geſpräche der Art vermieden wünſchte, deutete er ſchon dadurch an, daß Niemand in Dienſtkleidung (Uniform) erſcheinen durfte; Hof- oder Geſellſchaftskleid war Vorſchrift. Die Unterhaltung drehte ſich um Fragen der Kunſt und Wiſſenſchaft, um philoſophiſche Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er ſich mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußiſchen Krieg gegen Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt gewiſſe Sympathien mit der franzöſiſchen Revolution. Ob dieſe Sympathien (ſo bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor- liebe für freie Staatsverfaſſungen wurzelten, oder nur ein Reſultat der Anſchauung waren, daß alles Franzöſiſche gut ſei, auch eine franzöſiſche Revolution, — mag dahin geſtellt bleiben. In ähnlich offner Weiſe nahm er Parthei für die Polen, und dieſelbe Thei- lung, zu deren Vollziehung er als gehorſamer Diener ſeines Kö- nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben ſo wenig für ein Meiſterſtück der Politik, wie für eine Handlung der Gerechtigkeit. Mit beſonderer Vorliebe wurden philoſophiſch- religiöſe Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten Fragen, auf deren Löſung die Welt ſeitdem verzichtet hat, wurden, unter Aufwand von Geiſt und Gelehrſamkeit, mit Citaten pro und contra immer wieder und wieder durchgekämpft.
Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, ſo doch ſo oft wie möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh- rung kamen, habe ich nichts Beſtimmtes erfahren können, aber es ſcheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anſchauungen und Unterhaltungen, ſo auch die Bühne beherrſchte. Auch die Namen der Künſtler ſind bis auf wenige verſchollen: Blainville, der Lieb- ling des Prinzen, Demoiſelle Touſſaint, eine Tochter oder Schweſter des Vorleſers, Demoiſelle Aurore, Demoiſelle Elſener, deren Urne wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, ſind die einzigen, die ſich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der Stadt Rheinsberg erhalten haben.
Wir haben bis hierher den Durchſchnittstag des Rheinsberger Hoflebens beſchrieben; was ihn unterbrach, waren Beſuche, die
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Geſpräche der Art vermieden wünſchte, deutete er ſchon dadurch an,
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Hof- oder Geſellſchaftskleid war Vorſchrift. Die Unterhaltung drehte
ſich um Fragen der Kunſt und Wiſſenſchaft, um philoſophiſche
Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er ſich
mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußiſchen Krieg gegen
Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt
gewiſſe Sympathien mit der franzöſiſchen Revolution. Ob dieſe
Sympathien (ſo bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor-
liebe für freie Staatsverfaſſungen wurzelten, oder nur ein Reſultat
der Anſchauung waren, daß alles Franzöſiſche gut ſei, auch eine
franzöſiſche Revolution, — mag dahin geſtellt bleiben. In ähnlich
offner Weiſe nahm er Parthei für die Polen, und dieſelbe Thei-
lung, zu deren Vollziehung er als gehorſamer Diener ſeines Kö-
nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben
ſo wenig für ein Meiſterſtück der Politik, wie für eine Handlung
der Gerechtigkeit. Mit beſonderer Vorliebe wurden philoſophiſch-
religiöſe Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten
Fragen, auf deren Löſung die Welt ſeitdem verzichtet hat, wurden,
unter Aufwand von Geiſt und Gelehrſamkeit, mit Citaten pro
und contra immer wieder und wieder durchgekämpft.
Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, ſo doch ſo oft wie
möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh-
rung kamen, habe ich nichts Beſtimmtes erfahren können, aber
es ſcheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anſchauungen und
Unterhaltungen, ſo auch die Bühne beherrſchte. Auch die Namen
der Künſtler ſind bis auf wenige verſchollen: Blainville, der Lieb-
ling des Prinzen, Demoiſelle Touſſaint, eine Tochter oder Schweſter
des Vorleſers, Demoiſelle Aurore, Demoiſelle Elſener, deren Urne
wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, ſind die einzigen, die
ſich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der
Stadt Rheinsberg erhalten haben.
Wir haben bis hierher den Durchſchnittstag des Rheinsberger
Hoflebens beſchrieben; was ihn unterbrach, waren Beſuche, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/135>, abgerufen am 27.11.2024.
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