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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Gespräche der Art vermieden wünschte, deutete er schon dadurch an,
daß Niemand in Dienstkleidung (Uniform) erscheinen durfte;
Hof- oder Gesellschaftskleid war Vorschrift. Die Unterhaltung drehte
sich um Fragen der Kunst und Wissenschaft, um philosophische
Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er sich
mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußischen Krieg gegen
Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt
gewisse Sympathien mit der französischen Revolution. Ob diese
Sympathien (so bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor-
liebe für freie Staatsverfassungen wurzelten, oder nur ein Resultat
der Anschauung waren, daß alles Französische gut sei, auch eine
französische Revolution, -- mag dahin gestellt bleiben. In ähnlich
offner Weise nahm er Parthei für die Polen, und dieselbe Thei-
lung, zu deren Vollziehung er als gehorsamer Diener seines Kö-
nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben
so wenig für ein Meisterstück der Politik, wie für eine Handlung
der Gerechtigkeit. Mit besonderer Vorliebe wurden philosophisch-
religiöse Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten
Fragen, auf deren Lösung die Welt seitdem verzichtet hat, wurden,
unter Aufwand von Geist und Gelehrsamkeit, mit Citaten pro
und contra immer wieder und wieder durchgekämpft.

Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, so doch so oft wie
möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh-
rung kamen, habe ich nichts Bestimmtes erfahren können, aber
es scheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anschauungen und
Unterhaltungen, so auch die Bühne beherrschte. Auch die Namen
der Künstler sind bis auf wenige verschollen: Blainville, der Lieb-
ling des Prinzen, Demoiselle Toussaint, eine Tochter oder Schwester
des Vorlesers, Demoiselle Aurore, Demoiselle Elsener, deren Urne
wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, sind die einzigen, die
sich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der
Stadt Rheinsberg erhalten haben.

Wir haben bis hierher den Durchschnittstag des Rheinsberger
Hoflebens beschrieben; was ihn unterbrach, waren Besuche, die

Geſpräche der Art vermieden wünſchte, deutete er ſchon dadurch an,
daß Niemand in Dienſtkleidung (Uniform) erſcheinen durfte;
Hof- oder Geſellſchaftskleid war Vorſchrift. Die Unterhaltung drehte
ſich um Fragen der Kunſt und Wiſſenſchaft, um philoſophiſche
Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er ſich
mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußiſchen Krieg gegen
Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt
gewiſſe Sympathien mit der franzöſiſchen Revolution. Ob dieſe
Sympathien (ſo bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor-
liebe für freie Staatsverfaſſungen wurzelten, oder nur ein Reſultat
der Anſchauung waren, daß alles Franzöſiſche gut ſei, auch eine
franzöſiſche Revolution, — mag dahin geſtellt bleiben. In ähnlich
offner Weiſe nahm er Parthei für die Polen, und dieſelbe Thei-
lung, zu deren Vollziehung er als gehorſamer Diener ſeines Kö-
nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben
ſo wenig für ein Meiſterſtück der Politik, wie für eine Handlung
der Gerechtigkeit. Mit beſonderer Vorliebe wurden philoſophiſch-
religiöſe Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten
Fragen, auf deren Löſung die Welt ſeitdem verzichtet hat, wurden,
unter Aufwand von Geiſt und Gelehrſamkeit, mit Citaten pro
und contra immer wieder und wieder durchgekämpft.

Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, ſo doch ſo oft wie
möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh-
rung kamen, habe ich nichts Beſtimmtes erfahren können, aber
es ſcheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anſchauungen und
Unterhaltungen, ſo auch die Bühne beherrſchte. Auch die Namen
der Künſtler ſind bis auf wenige verſchollen: Blainville, der Lieb-
ling des Prinzen, Demoiſelle Touſſaint, eine Tochter oder Schweſter
des Vorleſers, Demoiſelle Aurore, Demoiſelle Elſener, deren Urne
wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, ſind die einzigen, die
ſich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der
Stadt Rheinsberg erhalten haben.

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[117/0135] Geſpräche der Art vermieden wünſchte, deutete er ſchon dadurch an, daß Niemand in Dienſtkleidung (Uniform) erſcheinen durfte; Hof- oder Geſellſchaftskleid war Vorſchrift. Die Unterhaltung drehte ſich um Fragen der Kunſt und Wiſſenſchaft, um philoſophiſche Streitfragen und Dinge der Politik. Ueber letztere äußerte er ſich mit großer Freimüthigkeit, mißbilligte den preußiſchen Krieg gegen Frankreich, der endlich zum Basler Frieden führte und zeigte bis zuletzt gewiſſe Sympathien mit der franzöſiſchen Revolution. Ob dieſe Sympathien (ſo bemerkt Heinrich von Bülow) in wirklicher Vor- liebe für freie Staatsverfaſſungen wurzelten, oder nur ein Reſultat der Anſchauung waren, daß alles Franzöſiſche gut ſei, auch eine franzöſiſche Revolution, — mag dahin geſtellt bleiben. In ähnlich offner Weiſe nahm er Parthei für die Polen, und dieſelbe Thei- lung, zu deren Vollziehung er als gehorſamer Diener ſeines Kö- nigs (am Hofe Katharinens) mitwirkte, hielt er trotz alledem eben ſo wenig für ein Meiſterſtück der Politik, wie für eine Handlung der Gerechtigkeit. Mit beſonderer Vorliebe wurden philoſophiſch- religiöſe Sätze beleuchtet und diskutirt, und alle jene wohlbekannten Fragen, auf deren Löſung die Welt ſeitdem verzichtet hat, wurden, unter Aufwand von Geiſt und Gelehrſamkeit, mit Citaten pro und contra immer wieder und wieder durchgekämpft. Dem Diner folgte, wenn auch nicht täglich, ſo doch ſo oft wie möglich, Theater oder Concert. Ueber die Stücke, die zur Auffüh- rung kamen, habe ich nichts Beſtimmtes erfahren können, aber es ſcheint, daß Voltaire, wie den Kreis der Anſchauungen und Unterhaltungen, ſo auch die Bühne beherrſchte. Auch die Namen der Künſtler ſind bis auf wenige verſchollen: Blainville, der Lieb- ling des Prinzen, Demoiſelle Touſſaint, eine Tochter oder Schweſter des Vorleſers, Demoiſelle Aurore, Demoiſelle Elſener, deren Urne wir in der Rheinsberger Kirche begegneten, ſind die einzigen, die ſich durch das eine oder andere Ereigniß noch im Gedächtniß der Stadt Rheinsberg erhalten haben. Wir haben bis hierher den Durchſchnittstag des Rheinsberger Hoflebens beſchrieben; was ihn unterbrach, waren Beſuche, die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/135>, abgerufen am 27.11.2024.