holz geschnitzt, die Kutscherperrücken steif und wulstig, und die Be- dientenröcke schwer von Golde, so schwankt die Lordmayorskutsche eben jetzt vorüber und der erwählte Cityherrscher grüßt mit gravi- tätischem Kopfnicken nach rechts und links.
Vereinzelte Rufe eines Kuckuks klingen jetzt leise herüber, wie aus weiter Ferne her, und der kranke Poet unterbricht sich in sei- nem Figurenzeichnen und horcht auf. Aber wie unsre Seele gern wieder anknüpft an Träume, die ihr lieb geworden, so fällt er bald in altes Sinnen und Träumen zurück.
Immer lachendere Bilder tauchen auf. Es ist wieder ein Fest- zug, eine Prozession, aber diesmal auf heimischem, auf eignem Boden und der Gefeierte ist er selbst. Ein Junitag ist's wie heute, aber so viel heiterer und schöner, als die Augen damals heller leuchteten, die in den Tag hineinsahen, denn neben ihm auf dem breiten Sitz des Wagens, in dem er so eben einfährt in die fest- geschmückte, mit Laubgewinden überspannte Dorfgasse, sitzt seine heißgeliebte Braut, seit gestern sein Gemahl. Sie ist keine leuch- tende Schönheit, aber sie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahe kommt, der wie ein Schleier ist, hinter dem die Unregelmäßigkeit der Züge sich lieblich versteckt oder in Zauber und Reiz sich verwandelt. Die blühenden Wangen wurden rosiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert halb losgelöst im Winde. Die blauen Augen leuchten wie der Himmel über ihnen und der Ausdruck jedes Zuges ist Liebe und Güte, ist Glück und Genügen. Die Bauern, zu Pferde und mit bebänderten Hüten, folgen dem Zuge, die Frauen im Sonntagsstaat stehen in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten sie ein Wort mit zu reden bei solchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen sich jubelnd hoch oben von dem Glück, das sie dort unten gesehen.
Und ein volles Glück war es, das sie sahn, nicht spärlich zu- gemessen, wie sonst wohl. Nicht über kurze Tage, über sorglose Jahre hin dehnte sich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg,
holz geſchnitzt, die Kutſcherperrücken ſteif und wulſtig, und die Be- dientenröcke ſchwer von Golde, ſo ſchwankt die Lordmayorskutſche eben jetzt vorüber und der erwählte Cityherrſcher grüßt mit gravi- tätiſchem Kopfnicken nach rechts und links.
Vereinzelte Rufe eines Kuckuks klingen jetzt leiſe herüber, wie aus weiter Ferne her, und der kranke Poet unterbricht ſich in ſei- nem Figurenzeichnen und horcht auf. Aber wie unſre Seele gern wieder anknüpft an Träume, die ihr lieb geworden, ſo fällt er bald in altes Sinnen und Träumen zurück.
Immer lachendere Bilder tauchen auf. Es iſt wieder ein Feſt- zug, eine Prozeſſion, aber diesmal auf heimiſchem, auf eignem Boden und der Gefeierte iſt er ſelbſt. Ein Junitag iſt’s wie heute, aber ſo viel heiterer und ſchöner, als die Augen damals heller leuchteten, die in den Tag hineinſahen, denn neben ihm auf dem breiten Sitz des Wagens, in dem er ſo eben einfährt in die feſt- geſchmückte, mit Laubgewinden überſpannte Dorfgaſſe, ſitzt ſeine heißgeliebte Braut, ſeit geſtern ſein Gemahl. Sie iſt keine leuch- tende Schönheit, aber ſie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahe kommt, der wie ein Schleier iſt, hinter dem die Unregelmäßigkeit der Züge ſich lieblich verſteckt oder in Zauber und Reiz ſich verwandelt. Die blühenden Wangen wurden roſiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert halb losgelöſt im Winde. Die blauen Augen leuchten wie der Himmel über ihnen und der Ausdruck jedes Zuges iſt Liebe und Güte, iſt Glück und Genügen. Die Bauern, zu Pferde und mit bebänderten Hüten, folgen dem Zuge, die Frauen im Sonntagsſtaat ſtehen in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten ſie ein Wort mit zu reden bei ſolchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen ſich jubelnd hoch oben von dem Glück, das ſie dort unten geſehen.
Und ein volles Glück war es, das ſie ſahn, nicht ſpärlich zu- gemeſſen, wie ſonſt wohl. Nicht über kurze Tage, über ſorgloſe Jahre hin dehnte ſich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg,
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holz geſchnitzt, die Kutſcherperrücken ſteif und wulſtig, und die Be-
dientenröcke ſchwer von Golde, ſo ſchwankt die Lordmayorskutſche
eben jetzt vorüber und der erwählte Cityherrſcher grüßt mit gravi-
tätiſchem Kopfnicken nach rechts und links.
Vereinzelte Rufe eines Kuckuks klingen jetzt leiſe herüber, wie
aus weiter Ferne her, und der kranke Poet unterbricht ſich in ſei-
nem Figurenzeichnen und horcht auf. Aber wie unſre Seele gern
wieder anknüpft an Träume, die ihr lieb geworden, ſo fällt er
bald in altes Sinnen und Träumen zurück.
Immer lachendere Bilder tauchen auf. Es iſt wieder ein Feſt-
zug, eine Prozeſſion, aber diesmal auf heimiſchem, auf eignem
Boden und der Gefeierte iſt er ſelbſt. Ein Junitag iſt’s wie heute,
aber ſo viel heiterer und ſchöner, als die Augen damals heller
leuchteten, die in den Tag hineinſahen, denn neben ihm auf dem
breiten Sitz des Wagens, in dem er ſo eben einfährt in die feſt-
geſchmückte, mit Laubgewinden überſpannte Dorfgaſſe, ſitzt ſeine
heißgeliebte Braut, ſeit geſtern ſein Gemahl. Sie iſt keine leuch-
tende Schönheit, aber ſie hat jenen blendenden Teint, der der
Schönheit nahe kommt, der wie ein Schleier iſt, hinter dem die
Unregelmäßigkeit der Züge ſich lieblich verſteckt oder in Zauber und
Reiz ſich verwandelt. Die blühenden Wangen wurden roſiger von
der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert halb losgelöſt
im Winde. Die blauen Augen leuchten wie der Himmel über
ihnen und der Ausdruck jedes Zuges iſt Liebe und Güte, iſt Glück
und Genügen. Die Bauern, zu Pferde und mit bebänderten
Hüten, folgen dem Zuge, die Frauen im Sonntagsſtaat ſtehen in
den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die
Störche klappern auf allen Dächern, als hätten ſie ein Wort mit
zu reden bei ſolchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von
draußen her den Zug und erzählen ſich jubelnd hoch oben von
dem Glück, das ſie dort unten geſehen.
Und ein volles Glück war es, das ſie ſahn, nicht ſpärlich zu-
gemeſſen, wie ſonſt wohl. Nicht über kurze Tage, über ſorgloſe
Jahre hin dehnte ſich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/281>, abgerufen am 23.11.2024.
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