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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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wie es der tägliche Zeuge ehelichen Glückes, innigsten Zusammen-
lebens war, so wurde es auch ein gefeierter Sitz edler Gastfreund-
schaft, ein Mittelpunkt geistigen Lebens, dichterischen Schaffens,
wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war.
Johann von Besser, Eusebius von Brand waren oft und gern
gesehene Gäste und von hier aus ergingen an den vielbewährten
Jugendfreund und Studiengenossen unsres Poeten, an den Kirchen-
rath Zapfe in Zeitz, in Vers und Prosa die oft wiederholten
Einladungen, "das Harfenspiel wieder von der Wand zu nehmen
und das Hoflager in Blumberg zu beziehen." Briefe gingen hin-
über und herüber, und als die Schilderungen ehelichen Glückes,
die Canitz regelmäßig mit einem "nun gehe hin und thue des-
gleichen" zu schließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den
ehrbaren Magister und Kirchenrath auch an den Altar geführt
hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief folgenden
Inhalts nach Zeitz:
"Deine Heirath und die Art derselben gefällt mir sehr
wohl; weil Du mir aber die Sache ohne sonderliche Um-
stände schlechthin berichtet, so will ich auch Dir wieder nur
mit ein paar Worten, doch von Herzen, tausend Glück und
Vergnügen wünschen und daß Deine Liebste, wo nicht ein
fruchtbarer Weinstock, doch ein immergrüner Tannenbaum sei,
dem es an Zapfen niemals fehlen möge."

So gingen die Tage. Ein volles Glück war es, ein Glück
über Jahre hin und doch zu kurz für das beneidete und benei-
denswerthe Paar, dessen Herzen in selt'nem Gleichklang zusammen-
stimmten. Der alte Neider Tod trat zwischen sie, und die Erinne-
rung an jene bitteren Tage scheucht auch in diesem Augenblicke
noch die heiteren Träume von der Seele unseres Poeten, und
trübe Bilder ziehen herauf. Das Zimmer ist dunkel verhangen,
und an dem Lager einer Sterbenden kniet der Tiefgebeugte. "Daß
Du bleiben könntest!" klingt es bittend von seinen Lippen; sie
aber schüttelt den Kopf und spricht: "Du bist so oft von mir ge-

wie es der tägliche Zeuge ehelichen Glückes, innigſten Zuſammen-
lebens war, ſo wurde es auch ein gefeierter Sitz edler Gaſtfreund-
ſchaft, ein Mittelpunkt geiſtigen Lebens, dichteriſchen Schaffens,
wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war.
Johann von Beſſer, Euſebius von Brand waren oft und gern
geſehene Gäſte und von hier aus ergingen an den vielbewährten
Jugendfreund und Studiengenoſſen unſres Poeten, an den Kirchen-
rath Zapfe in Zeitz, in Vers und Proſa die oft wiederholten
Einladungen, „das Harfenſpiel wieder von der Wand zu nehmen
und das Hoflager in Blumberg zu beziehen.“ Briefe gingen hin-
über und herüber, und als die Schilderungen ehelichen Glückes,
die Canitz regelmäßig mit einem „nun gehe hin und thue des-
gleichen“ zu ſchließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den
ehrbaren Magiſter und Kirchenrath auch an den Altar geführt
hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief folgenden
Inhalts nach Zeitz:
„Deine Heirath und die Art derſelben gefällt mir ſehr
wohl; weil Du mir aber die Sache ohne ſonderliche Um-
ſtände ſchlechthin berichtet, ſo will ich auch Dir wieder nur
mit ein paar Worten, doch von Herzen, tauſend Glück und
Vergnügen wünſchen und daß Deine Liebſte, wo nicht ein
fruchtbarer Weinſtock, doch ein immergrüner Tannenbaum ſei,
dem es an Zapfen niemals fehlen möge.“

So gingen die Tage. Ein volles Glück war es, ein Glück
über Jahre hin und doch zu kurz für das beneidete und benei-
denswerthe Paar, deſſen Herzen in ſelt’nem Gleichklang zuſammen-
ſtimmten. Der alte Neider Tod trat zwiſchen ſie, und die Erinne-
rung an jene bitteren Tage ſcheucht auch in dieſem Augenblicke
noch die heiteren Träume von der Seele unſeres Poeten, und
trübe Bilder ziehen herauf. Das Zimmer iſt dunkel verhangen,
und an dem Lager einer Sterbenden kniet der Tiefgebeugte. „Daß
Du bleiben könnteſt!“ klingt es bittend von ſeinen Lippen; ſie
aber ſchüttelt den Kopf und ſpricht: „Du biſt ſo oft von mir ge-

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[264/0282] wie es der tägliche Zeuge ehelichen Glückes, innigſten Zuſammen- lebens war, ſo wurde es auch ein gefeierter Sitz edler Gaſtfreund- ſchaft, ein Mittelpunkt geiſtigen Lebens, dichteriſchen Schaffens, wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war. Johann von Beſſer, Euſebius von Brand waren oft und gern geſehene Gäſte und von hier aus ergingen an den vielbewährten Jugendfreund und Studiengenoſſen unſres Poeten, an den Kirchen- rath Zapfe in Zeitz, in Vers und Proſa die oft wiederholten Einladungen, „das Harfenſpiel wieder von der Wand zu nehmen und das Hoflager in Blumberg zu beziehen.“ Briefe gingen hin- über und herüber, und als die Schilderungen ehelichen Glückes, die Canitz regelmäßig mit einem „nun gehe hin und thue des- gleichen“ zu ſchließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den ehrbaren Magiſter und Kirchenrath auch an den Altar geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief folgenden Inhalts nach Zeitz: „Deine Heirath und die Art derſelben gefällt mir ſehr wohl; weil Du mir aber die Sache ohne ſonderliche Um- ſtände ſchlechthin berichtet, ſo will ich auch Dir wieder nur mit ein paar Worten, doch von Herzen, tauſend Glück und Vergnügen wünſchen und daß Deine Liebſte, wo nicht ein fruchtbarer Weinſtock, doch ein immergrüner Tannenbaum ſei, dem es an Zapfen niemals fehlen möge.“ So gingen die Tage. Ein volles Glück war es, ein Glück über Jahre hin und doch zu kurz für das beneidete und benei- denswerthe Paar, deſſen Herzen in ſelt’nem Gleichklang zuſammen- ſtimmten. Der alte Neider Tod trat zwiſchen ſie, und die Erinne- rung an jene bitteren Tage ſcheucht auch in dieſem Augenblicke noch die heiteren Träume von der Seele unſeres Poeten, und trübe Bilder ziehen herauf. Das Zimmer iſt dunkel verhangen, und an dem Lager einer Sterbenden kniet der Tiefgebeugte. „Daß Du bleiben könnteſt!“ klingt es bittend von ſeinen Lippen; ſie aber ſchüttelt den Kopf und ſpricht: „Du biſt ſo oft von mir ge-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/282>, abgerufen am 17.06.2024.