Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

fällig und aufmerksam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch-
schauend, jedem Gegenstande, wie jeder Persönlichkeit und jedem
Verhältnisse sich leicht bequemend -- ein vollkommener Mann
von Welt
." Seine Rechtschaffenheit, sein Haß gegen Lüge und
Zweideutigkeit unterstützten ihn eher, als daß sie sein Auftreten
gehemmt, seine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit
war er von vorsichtiger Haltung; er wußte Ernst und Sanftmuth
zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. "Im Frieden-
stiften, Vermitteln, Versöhnen besaß er ein einziges
Talent
." Die Inschrift unter dem Bildniß der alten Frau von
Burgsdorf hatte also völlig Recht, von ihm als von dem "klugen
Staatsminister von Canitz" zu sprechen, aber er suchte, wie schon
angedeutet, diese Klugheit nicht in jenem Intriguenspiel und in
jener Kunst der Täuschung, die damals an den Höfen blühte. Er
kannte dies Spiel und war ihm gewachsen, aber sein redlicher und
reiner Sinn lehnte sich gegen diese Kampfesweise auf. Deshalb
zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des
Landlebens und in einfach natürliche Verhältnisse zurück. "Der
Hof -- so schrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürsten
-- hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und
Aemter, die Andere so eifrig suchen, nur als eben so viele Fesseln,
die mich am Genusse meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die
über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür-
digen, den gemeinen Seelen versagt ist." Er kannte diesen "echten
Werth der Freiheit" wohl, aber die Verhältnisse gestatteten ihm
nicht, sich dieser Freiheit so völlig zu freuen, wie es seinen Wün-
schen entsprochen hätte. Es geschah, was so oft geschieht, man
suchte die Dienste desjenigen, der, im Gefühl seines Werths, diese
Dienste anzubieten verschmähte, und wie oft er auch, um seinen
eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben
mochte, "daß Andere die goldenen Aepfel auflasen, wäh-
rend er beim heißen Lauf sich abmühte
," so war doch Ge-
horsam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei-
gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit

fällig und aufmerkſam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch-
ſchauend, jedem Gegenſtande, wie jeder Perſönlichkeit und jedem
Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener Mann
von Welt
.“ Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen Lüge und
Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein Auftreten
gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit
war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und Sanftmuth
zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. „Im Frieden-
ſtiften, Vermitteln, Verſöhnen beſaß er ein einziges
Talent
.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten Frau von
Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von dem „klugen
Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen, aber er ſuchte, wie ſchon
angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jenem Intriguenſpiel und in
jener Kunſt der Täuſchung, die damals an den Höfen blühte. Er
kannte dies Spiel und war ihm gewachſen, aber ſein redlicher und
reiner Sinn lehnte ſich gegen dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb
zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des
Landlebens und in einfach natürliche Verhältniſſe zurück. „Der
Hof — ſo ſchrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürſten
— hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und
Aemter, die Andere ſo eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln,
die mich am Genuſſe meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die
über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür-
digen, den gemeinen Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten
Werth der Freiheit“ wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm
nicht, ſich dieſer Freiheit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wün-
ſchen entſprochen hätte. Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man
ſuchte die Dienſte desjenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe
Dienſte anzubieten verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen
eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben
mochte, „daß Andere die goldenen Aepfel auflaſen, wäh-
rend er beim heißen Lauf ſich abmühte
,“ ſo war doch Ge-
horſam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei-
gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="267"/>
fällig und aufmerk&#x017F;am, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch-<lb/>
&#x017F;chauend, jedem Gegen&#x017F;tande, wie jeder Per&#x017F;önlichkeit und jedem<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich leicht bequemend &#x2014; <hi rendition="#g">ein vollkommener Mann<lb/>
von Welt</hi>.&#x201C; Seine Recht&#x017F;chaffenheit, &#x017F;ein Haß gegen Lüge und<lb/>
Zweideutigkeit unter&#x017F;tützten ihn eher, als daß &#x017F;ie &#x017F;ein Auftreten<lb/>
gehemmt, &#x017F;eine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit<lb/>
war er von vor&#x017F;ichtiger Haltung; er wußte Ern&#x017F;t und Sanftmuth<lb/>
zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. &#x201E;<hi rendition="#g">Im Frieden-<lb/>
&#x017F;tiften, Vermitteln, Ver&#x017F;öhnen be&#x017F;aß er ein einziges<lb/>
Talent</hi>.&#x201C; Die In&#x017F;chrift unter dem Bildniß der alten Frau von<lb/>
Burgsdorf hatte al&#x017F;o völlig Recht, von ihm als von dem &#x201E;<hi rendition="#g">klugen</hi><lb/>
Staatsmini&#x017F;ter von Canitz&#x201C; zu &#x017F;prechen, aber er &#x017F;uchte, wie &#x017F;chon<lb/>
angedeutet, die&#x017F;e Klugheit nicht in jenem Intriguen&#x017F;piel und in<lb/>
jener Kun&#x017F;t der Täu&#x017F;chung, die damals an den Höfen blühte. Er<lb/>
kannte dies Spiel und war ihm gewach&#x017F;en, aber &#x017F;ein redlicher und<lb/>
reiner Sinn lehnte &#x017F;ich gegen die&#x017F;e Kampfeswei&#x017F;e auf. Deshalb<lb/>
zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des<lb/>
Landlebens und in einfach natürliche Verhältni&#x017F;&#x017F;e zurück. &#x201E;Der<lb/>
Hof &#x2014; &#x017F;o &#x017F;chrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfür&#x017F;ten<lb/>
&#x2014; hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und<lb/>
Aemter, die Andere &#x017F;o eifrig &#x017F;uchen, nur als eben &#x017F;o viele Fe&#x017F;&#x017F;eln,<lb/>
die mich am Genu&#x017F;&#x017F;e meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die<lb/>
über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür-<lb/>
digen, den gemeinen Seelen ver&#x017F;agt i&#x017F;t.&#x201C; Er kannte die&#x017F;en &#x201E;echten<lb/>
Werth der Freiheit&#x201C; wohl, aber die Verhältni&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;tatteten ihm<lb/>
nicht, &#x017F;ich die&#x017F;er Freiheit &#x017F;o völlig zu freuen, wie es &#x017F;einen Wün-<lb/>
&#x017F;chen ent&#x017F;prochen hätte. Es ge&#x017F;chah, was &#x017F;o oft ge&#x017F;chieht, man<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;uchte</hi> die Dien&#x017F;te desjenigen, der, im Gefühl &#x017F;eines Werths, die&#x017F;e<lb/>
Dien&#x017F;te anzubieten ver&#x017F;chmähte, und wie oft er auch, um &#x017F;einen<lb/>
eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben<lb/>
mochte, &#x201E;<hi rendition="#g">daß Andere die goldenen Aepfel aufla&#x017F;en, wäh-<lb/>
rend er beim heißen Lauf &#x017F;ich abmühte</hi>,&#x201C; &#x017F;o war doch Ge-<lb/>
hor&#x017F;am und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei-<lb/>
gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0285] fällig und aufmerkſam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch- ſchauend, jedem Gegenſtande, wie jeder Perſönlichkeit und jedem Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener Mann von Welt.“ Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen Lüge und Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein Auftreten gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. „Im Frieden- ſtiften, Vermitteln, Verſöhnen beſaß er ein einziges Talent.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten Frau von Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von dem „klugen Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen, aber er ſuchte, wie ſchon angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jenem Intriguenſpiel und in jener Kunſt der Täuſchung, die damals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm gewachſen, aber ſein redlicher und reiner Sinn lehnte ſich gegen dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach natürliche Verhältniſſe zurück. „Der Hof — ſo ſchrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürſten — hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere ſo eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln, die mich am Genuſſe meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür- digen, den gemeinen Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten Werth der Freiheit“ wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm nicht, ſich dieſer Freiheit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wün- ſchen entſprochen hätte. Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man ſuchte die Dienſte desjenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe Dienſte anzubieten verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, „daß Andere die goldenen Aepfel auflaſen, wäh- rend er beim heißen Lauf ſich abmühte,“ ſo war doch Ge- horſam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei- gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/285
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/285>, abgerufen am 23.11.2024.