wer solche und ähnliche Strophen findet, wird freilich zunächst den Kopf schütteln und seine Ungläubigkeit ausdrücken, daß es mit solchen zopfigen Alexandrinern irgend etwas auf sich habe. In gewissem Sinne mit Recht. Wir dürfen diese Dinge aber nicht mit einem Maßstabe messen, den wir dem gegenwärtigen Stande unserer Literatur entnehmen, sondern wir müssen uns die Frage vorlegen: was waren diese Gedichte in und zu ihrer Zeit? Sie waren zu ihrer Zeit sehr viel. Wenn ihnen jetzt, wie das gele- gentlich geschieht, mit herablassender Miene zugestanden wird, daß sie das Verdienst der gewählten Sprache, der Reinheit und Eleganz hätten, so genügt diese Anerkennung keineswegs; denn es ist das ein Zugeständniß, das so ziemlich jedem modernen Dichter gemacht werden kann, während unter all' unseren zeitgenössischen Poeten dennoch nur wenige sind, die für unsere Zeit das Maß von Bedeutung beanspruchen dürfen, was Canitz für seine Zeit besaß. Er war einer von denen, denen die Aufgabe zufiel, uns erst eine Sprache und innerhalb derselben ein Gesetz zu geben. Dies Ge- schenk, diese Hinterlassenschaft ist nicht hoch genug zu schätzen. Wir stehen auf den Schultern derer, die damals thätig waren, und wenn Canitz auch nicht in die Reihe der epochemachenden, literari- schen Reformatoren jener Zeit gehört, die sich (wie namentlich Opitz) für die Gesammtentwicklung deutscher Sprache und Dich- tung von nachhaltiger Bedeutung erwiesen haben, so war er dennoch das für unsre Mark, was andre für weiter gezogene Kreise waren. Er zeigte zuerst, daß die Mark und die Musen nicht völlige Gegensätze wären.
Aber die Verdienste der Canitz'schen Gedichte sind keineswegs nur sprachlicher Natur; sie haben auch ihren dichterischen Werth. Es ist wahr, daß er das Dichten zum Theil wie andre
stattet, wo derselbe, wenig Wochen zuvor, den tödtlichen Schuß empfangen hatte." (Es geschah dies bei dem berühmten Sturm auf Ofen 1686; die Brandenburger, von den Türken die "Feuermänner" geheißen, wurden von General v. Schöning geführt.)
wer ſolche und ähnliche Strophen findet, wird freilich zunächſt den Kopf ſchütteln und ſeine Ungläubigkeit ausdrücken, daß es mit ſolchen zopfigen Alexandrinern irgend etwas auf ſich habe. In gewiſſem Sinne mit Recht. Wir dürfen dieſe Dinge aber nicht mit einem Maßſtabe meſſen, den wir dem gegenwärtigen Stande unſerer Literatur entnehmen, ſondern wir müſſen uns die Frage vorlegen: was waren dieſe Gedichte in und zu ihrer Zeit? Sie waren zu ihrer Zeit ſehr viel. Wenn ihnen jetzt, wie das gele- gentlich geſchieht, mit herablaſſender Miene zugeſtanden wird, daß ſie das Verdienſt der gewählten Sprache, der Reinheit und Eleganz hätten, ſo genügt dieſe Anerkennung keineswegs; denn es iſt das ein Zugeſtändniß, das ſo ziemlich jedem modernen Dichter gemacht werden kann, während unter all’ unſeren zeitgenöſſiſchen Poeten dennoch nur wenige ſind, die für unſere Zeit das Maß von Bedeutung beanſpruchen dürfen, was Canitz für ſeine Zeit beſaß. Er war einer von denen, denen die Aufgabe zufiel, uns erſt eine Sprache und innerhalb derſelben ein Geſetz zu geben. Dies Ge- ſchenk, dieſe Hinterlaſſenſchaft iſt nicht hoch genug zu ſchätzen. Wir ſtehen auf den Schultern derer, die damals thätig waren, und wenn Canitz auch nicht in die Reihe der epochemachenden, literari- ſchen Reformatoren jener Zeit gehört, die ſich (wie namentlich Opitz) für die Geſammtentwicklung deutſcher Sprache und Dich- tung von nachhaltiger Bedeutung erwieſen haben, ſo war er dennoch das für unſre Mark, was andre für weiter gezogene Kreiſe waren. Er zeigte zuerſt, daß die Mark und die Muſen nicht völlige Gegenſätze wären.
Aber die Verdienſte der Canitz’ſchen Gedichte ſind keineswegs nur ſprachlicher Natur; ſie haben auch ihren dichteriſchen Werth. Es iſt wahr, daß er das Dichten zum Theil wie andre
ſtattet, wo derſelbe, wenig Wochen zuvor, den tödtlichen Schuß empfangen hatte.“ (Es geſchah dies bei dem berühmten Sturm auf Ofen 1686; die Brandenburger, von den Türken die „Feuermänner“ geheißen, wurden von General v. Schöning geführt.)
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wer ſolche und ähnliche Strophen findet, wird freilich zunächſt den
Kopf ſchütteln und ſeine Ungläubigkeit ausdrücken, daß es mit
ſolchen zopfigen Alexandrinern irgend etwas auf ſich habe. In
gewiſſem Sinne mit Recht. Wir dürfen dieſe Dinge aber nicht
mit einem Maßſtabe meſſen, den wir dem gegenwärtigen Stande
unſerer Literatur entnehmen, ſondern wir müſſen uns die Frage
vorlegen: was waren dieſe Gedichte in und zu ihrer Zeit? Sie
waren zu ihrer Zeit ſehr viel. Wenn ihnen jetzt, wie das gele-
gentlich geſchieht, mit herablaſſender Miene zugeſtanden wird, daß
ſie das Verdienſt der gewählten Sprache, der Reinheit und Eleganz
hätten, ſo genügt dieſe Anerkennung keineswegs; denn es iſt das
ein Zugeſtändniß, das ſo ziemlich jedem modernen Dichter gemacht
werden kann, während unter all’ unſeren zeitgenöſſiſchen Poeten
dennoch nur wenige ſind, die für unſere Zeit das Maß von
Bedeutung beanſpruchen dürfen, was Canitz für ſeine Zeit beſaß.
Er war einer von denen, denen die Aufgabe zufiel, uns erſt eine
Sprache und innerhalb derſelben ein Geſetz zu geben. Dies Ge-
ſchenk, dieſe Hinterlaſſenſchaft iſt nicht hoch genug zu ſchätzen. Wir
ſtehen auf den Schultern derer, die damals thätig waren, und
wenn Canitz auch nicht in die Reihe der epochemachenden, literari-
ſchen Reformatoren jener Zeit gehört, die ſich (wie namentlich
Opitz) für die Geſammtentwicklung deutſcher Sprache und Dich-
tung von nachhaltiger Bedeutung erwieſen haben, ſo war er
dennoch das für unſre Mark, was andre für weiter gezogene
Kreiſe waren. Er zeigte zuerſt, daß die Mark und die Muſen nicht
völlige Gegenſätze wären.
Aber die Verdienſte der Canitz’ſchen Gedichte ſind keineswegs
nur ſprachlicher Natur; ſie haben auch ihren dichteriſchen
Werth. Es iſt wahr, daß er das Dichten zum Theil wie andre
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*) ſtattet, wo derſelbe, wenig Wochen zuvor, den tödtlichen Schuß empfangen
hatte.“ (Es geſchah dies bei dem berühmten Sturm auf Ofen 1686; die
Brandenburger, von den Türken die „Feuermänner“ geheißen, wurden
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/288>, abgerufen am 23.11.2024.
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