wir ihn, bestimmter faßbar, bei einem versuchten, aber mißglückten Sturm auf Stargard, und im selben Jahre noch (1637) als Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na- mentlich von Seiten der Küstriner Regierung, waren damals viele: "Er habe (so hieß es) die Regalien angetastet, sich des Kurfürst- lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leisten, habe die Zoll- rolle bedroht, den Mühlenmeister unschuldig in Ketten gelegt und 1000 Schafe aus der Kurfürstlichen Schäferei zu Kartzig wegge- trieben." Anklagen, die bei der sicherlich nicht angebornen Rauf- und Raublust unseres Sparr nur zeigen, wie der Krieg seine eige- nen Gesetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, seinen Codex zu schreiben und einzubürgern.
Endlich kam der Westfälische Frieden und Deutschland suchte sich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch geglaubt hatte.
Kurfürst Friedrich Wilhelm, dessen Jugend- und erste Regie- rungsjahre in das wildeste Toben des Krieges gefallen waren, nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in den Frieden hinüber, -- die Lehre: "daß ein Land verloren sei, das sich nicht selbst zu schützen wisse," und mit dieser Lehre zu- gleich die Ueberzeugung, daß dieser gesegnete Schutz nur aus Einem hervorwachse, aus einem schlagfertigen und zuverlässigen Heere. Unter diesem Gesichtspunkte begann er den Wiederaufbau seines verwüsteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel. Der stockende Handel, die wüst gelegten Felder boten, auch nach- dem die großen Wasser des Krieges selbst verlaufen waren, an Menschenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Last als ein Segen, so lange die Führer fehlten, die ihm Halt und Ordnung, und durch ihre kriegerischen Talente das Gefühl des Sieges zu geben verstanden. Diese Einsicht führte von Seiten des Kurfürsten zur Anwerbung von Generalen, die sich im schwedischen oder kaiserlichen Dienst ausgezeichnet hatten; Joachim Hasse von Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger's), Derfflinger selbst, Joachim von Goertzke, Otto Christoph von Sparr, -- Alle traten
wir ihn, beſtimmter faßbar, bei einem verſuchten, aber mißglückten Sturm auf Stargard, und im ſelben Jahre noch (1637) als Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na- mentlich von Seiten der Küſtriner Regierung, waren damals viele: „Er habe (ſo hieß es) die Regalien angetaſtet, ſich des Kurfürſt- lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leiſten, habe die Zoll- rolle bedroht, den Mühlenmeiſter unſchuldig in Ketten gelegt und 1000 Schafe aus der Kurfürſtlichen Schäferei zu Kartzig wegge- trieben.“ Anklagen, die bei der ſicherlich nicht angebornen Rauf- und Raubluſt unſeres Sparr nur zeigen, wie der Krieg ſeine eige- nen Geſetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, ſeinen Codex zu ſchreiben und einzubürgern.
Endlich kam der Weſtfäliſche Frieden und Deutſchland ſuchte ſich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch geglaubt hatte.
Kurfürſt Friedrich Wilhelm, deſſen Jugend- und erſte Regie- rungsjahre in das wildeſte Toben des Krieges gefallen waren, nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in den Frieden hinüber, — die Lehre: „daß ein Land verloren ſei, das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen wiſſe,“ und mit dieſer Lehre zu- gleich die Ueberzeugung, daß dieſer geſegnete Schutz nur aus Einem hervorwachſe, aus einem ſchlagfertigen und zuverläſſigen Heere. Unter dieſem Geſichtspunkte begann er den Wiederaufbau ſeines verwüſteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel. Der ſtockende Handel, die wüſt gelegten Felder boten, auch nach- dem die großen Waſſer des Krieges ſelbſt verlaufen waren, an Menſchenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Laſt als ein Segen, ſo lange die Führer fehlten, die ihm Halt und Ordnung, und durch ihre kriegeriſchen Talente das Gefühl des Sieges zu geben verſtanden. Dieſe Einſicht führte von Seiten des Kurfürſten zur Anwerbung von Generalen, die ſich im ſchwediſchen oder kaiſerlichen Dienſt ausgezeichnet hatten; Joachim Haſſe von Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger’s), Derfflinger ſelbſt, Joachim von Goertzke, Otto Chriſtoph von Sparr, — Alle traten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0318"n="300"/>
wir ihn, beſtimmter faßbar, bei einem verſuchten, aber mißglückten<lb/>
Sturm auf Stargard, und im ſelben Jahre noch (1637) als<lb/>
Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na-<lb/>
mentlich von Seiten der Küſtriner Regierung, waren damals viele:<lb/>„Er habe (ſo hieß es) die Regalien angetaſtet, ſich des Kurfürſt-<lb/>
lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leiſten, habe die Zoll-<lb/>
rolle bedroht, den Mühlenmeiſter unſchuldig in Ketten gelegt und<lb/>
1000 Schafe aus der Kurfürſtlichen Schäferei zu Kartzig wegge-<lb/>
trieben.“ Anklagen, die bei der ſicherlich nicht angebornen Rauf-<lb/>
und Raubluſt unſeres Sparr nur zeigen, wie der Krieg ſeine eige-<lb/>
nen Geſetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, ſeinen<lb/>
Codex zu ſchreiben und einzubürgern.</p><lb/><p>Endlich kam der Weſtfäliſche Frieden und Deutſchland ſuchte<lb/>ſich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch<lb/>
geglaubt hatte.</p><lb/><p>Kurfürſt Friedrich Wilhelm, deſſen Jugend- und erſte Regie-<lb/>
rungsjahre in das wildeſte Toben des Krieges gefallen waren,<lb/>
nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in<lb/>
den Frieden hinüber, —<hirendition="#g">die</hi> Lehre: „daß ein Land verloren ſei,<lb/>
das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen wiſſe,“ und mit dieſer Lehre zu-<lb/>
gleich die Ueberzeugung, daß dieſer geſegnete Schutz nur aus Einem<lb/>
hervorwachſe, aus einem ſchlagfertigen und zuverläſſigen Heere.<lb/>
Unter dieſem Geſichtspunkte begann er den Wiederaufbau ſeines<lb/>
verwüſteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel.<lb/>
Der ſtockende Handel, die wüſt gelegten Felder boten, auch nach-<lb/>
dem die großen Waſſer des Krieges ſelbſt verlaufen waren, an<lb/>
Menſchenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Laſt<lb/>
als ein Segen, ſo lange die Führer fehlten, die ihm Halt und<lb/>
Ordnung, und durch ihre kriegeriſchen Talente das Gefühl des<lb/>
Sieges zu geben verſtanden. Dieſe Einſicht führte von Seiten des<lb/>
Kurfürſten zur Anwerbung von Generalen, die ſich im ſchwediſchen<lb/>
oder kaiſerlichen Dienſt ausgezeichnet hatten; Joachim Haſſe von<lb/>
Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger’s), Derfflinger ſelbſt,<lb/>
Joachim von Goertzke, Otto Chriſtoph von Sparr, — Alle traten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[300/0318]
wir ihn, beſtimmter faßbar, bei einem verſuchten, aber mißglückten
Sturm auf Stargard, und im ſelben Jahre noch (1637) als
Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na-
mentlich von Seiten der Küſtriner Regierung, waren damals viele:
„Er habe (ſo hieß es) die Regalien angetaſtet, ſich des Kurfürſt-
lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leiſten, habe die Zoll-
rolle bedroht, den Mühlenmeiſter unſchuldig in Ketten gelegt und
1000 Schafe aus der Kurfürſtlichen Schäferei zu Kartzig wegge-
trieben.“ Anklagen, die bei der ſicherlich nicht angebornen Rauf-
und Raubluſt unſeres Sparr nur zeigen, wie der Krieg ſeine eige-
nen Geſetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, ſeinen
Codex zu ſchreiben und einzubürgern.
Endlich kam der Weſtfäliſche Frieden und Deutſchland ſuchte
ſich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch
geglaubt hatte.
Kurfürſt Friedrich Wilhelm, deſſen Jugend- und erſte Regie-
rungsjahre in das wildeſte Toben des Krieges gefallen waren,
nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in
den Frieden hinüber, — die Lehre: „daß ein Land verloren ſei,
das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen wiſſe,“ und mit dieſer Lehre zu-
gleich die Ueberzeugung, daß dieſer geſegnete Schutz nur aus Einem
hervorwachſe, aus einem ſchlagfertigen und zuverläſſigen Heere.
Unter dieſem Geſichtspunkte begann er den Wiederaufbau ſeines
verwüſteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel.
Der ſtockende Handel, die wüſt gelegten Felder boten, auch nach-
dem die großen Waſſer des Krieges ſelbſt verlaufen waren, an
Menſchenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Laſt
als ein Segen, ſo lange die Führer fehlten, die ihm Halt und
Ordnung, und durch ihre kriegeriſchen Talente das Gefühl des
Sieges zu geben verſtanden. Dieſe Einſicht führte von Seiten des
Kurfürſten zur Anwerbung von Generalen, die ſich im ſchwediſchen
oder kaiſerlichen Dienſt ausgezeichnet hatten; Joachim Haſſe von
Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger’s), Derfflinger ſelbſt,
Joachim von Goertzke, Otto Chriſtoph von Sparr, — Alle traten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/318>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.