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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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wir ihn, bestimmter faßbar, bei einem versuchten, aber mißglückten
Sturm auf Stargard, und im selben Jahre noch (1637) als
Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na-
mentlich von Seiten der Küstriner Regierung, waren damals viele:
"Er habe (so hieß es) die Regalien angetastet, sich des Kurfürst-
lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leisten, habe die Zoll-
rolle bedroht, den Mühlenmeister unschuldig in Ketten gelegt und
1000 Schafe aus der Kurfürstlichen Schäferei zu Kartzig wegge-
trieben." Anklagen, die bei der sicherlich nicht angebornen Rauf-
und Raublust unseres Sparr nur zeigen, wie der Krieg seine eige-
nen Gesetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, seinen
Codex zu schreiben und einzubürgern.

Endlich kam der Westfälische Frieden und Deutschland suchte
sich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch
geglaubt hatte.

Kurfürst Friedrich Wilhelm, dessen Jugend- und erste Regie-
rungsjahre in das wildeste Toben des Krieges gefallen waren,
nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in
den Frieden hinüber, -- die Lehre: "daß ein Land verloren sei,
das sich nicht selbst zu schützen wisse," und mit dieser Lehre zu-
gleich die Ueberzeugung, daß dieser gesegnete Schutz nur aus Einem
hervorwachse, aus einem schlagfertigen und zuverlässigen Heere.
Unter diesem Gesichtspunkte begann er den Wiederaufbau seines
verwüsteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel.
Der stockende Handel, die wüst gelegten Felder boten, auch nach-
dem die großen Wasser des Krieges selbst verlaufen waren, an
Menschenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Last
als ein Segen, so lange die Führer fehlten, die ihm Halt und
Ordnung, und durch ihre kriegerischen Talente das Gefühl des
Sieges zu geben verstanden. Diese Einsicht führte von Seiten des
Kurfürsten zur Anwerbung von Generalen, die sich im schwedischen
oder kaiserlichen Dienst ausgezeichnet hatten; Joachim Hasse von
Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger's), Derfflinger selbst,
Joachim von Goertzke, Otto Christoph von Sparr, -- Alle traten

wir ihn, beſtimmter faßbar, bei einem verſuchten, aber mißglückten
Sturm auf Stargard, und im ſelben Jahre noch (1637) als
Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na-
mentlich von Seiten der Küſtriner Regierung, waren damals viele:
„Er habe (ſo hieß es) die Regalien angetaſtet, ſich des Kurfürſt-
lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leiſten, habe die Zoll-
rolle bedroht, den Mühlenmeiſter unſchuldig in Ketten gelegt und
1000 Schafe aus der Kurfürſtlichen Schäferei zu Kartzig wegge-
trieben.“ Anklagen, die bei der ſicherlich nicht angebornen Rauf-
und Raubluſt unſeres Sparr nur zeigen, wie der Krieg ſeine eige-
nen Geſetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, ſeinen
Codex zu ſchreiben und einzubürgern.

Endlich kam der Weſtfäliſche Frieden und Deutſchland ſuchte
ſich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch
geglaubt hatte.

Kurfürſt Friedrich Wilhelm, deſſen Jugend- und erſte Regie-
rungsjahre in das wildeſte Toben des Krieges gefallen waren,
nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in
den Frieden hinüber, — die Lehre: „daß ein Land verloren ſei,
das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen wiſſe,“ und mit dieſer Lehre zu-
gleich die Ueberzeugung, daß dieſer geſegnete Schutz nur aus Einem
hervorwachſe, aus einem ſchlagfertigen und zuverläſſigen Heere.
Unter dieſem Geſichtspunkte begann er den Wiederaufbau ſeines
verwüſteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel.
Der ſtockende Handel, die wüſt gelegten Felder boten, auch nach-
dem die großen Waſſer des Krieges ſelbſt verlaufen waren, an
Menſchenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Laſt
als ein Segen, ſo lange die Führer fehlten, die ihm Halt und
Ordnung, und durch ihre kriegeriſchen Talente das Gefühl des
Sieges zu geben verſtanden. Dieſe Einſicht führte von Seiten des
Kurfürſten zur Anwerbung von Generalen, die ſich im ſchwediſchen
oder kaiſerlichen Dienſt ausgezeichnet hatten; Joachim Haſſe von
Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger’s), Derfflinger ſelbſt,
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[300/0318] wir ihn, beſtimmter faßbar, bei einem verſuchten, aber mißglückten Sturm auf Stargard, und im ſelben Jahre noch (1637) als Commandant von Landsberg a. W. Der Klagen über ihn, na- mentlich von Seiten der Küſtriner Regierung, waren damals viele: „Er habe (ſo hieß es) die Regalien angetaſtet, ſich des Kurfürſt- lichen Metzkorns angemaßt, ohne Zahlung zu leiſten, habe die Zoll- rolle bedroht, den Mühlenmeiſter unſchuldig in Ketten gelegt und 1000 Schafe aus der Kurfürſtlichen Schäferei zu Kartzig wegge- trieben.“ Anklagen, die bei der ſicherlich nicht angebornen Rauf- und Raubluſt unſeres Sparr nur zeigen, wie der Krieg ſeine eige- nen Geſetze hat, zumal der dreißigjährige, der ja Zeit hatte, ſeinen Codex zu ſchreiben und einzubürgern. Endlich kam der Weſtfäliſche Frieden und Deutſchland ſuchte ſich wieder an einen Segen zu gewöhnen, an den es kaum noch geglaubt hatte. Kurfürſt Friedrich Wilhelm, deſſen Jugend- und erſte Regie- rungsjahre in das wildeſte Toben des Krieges gefallen waren, nahm aus den Wunden und Wirren jener Zeit eine Lehre mit in den Frieden hinüber, — die Lehre: „daß ein Land verloren ſei, das ſich nicht ſelbſt zu ſchützen wiſſe,“ und mit dieſer Lehre zu- gleich die Ueberzeugung, daß dieſer geſegnete Schutz nur aus Einem hervorwachſe, aus einem ſchlagfertigen und zuverläſſigen Heere. Unter dieſem Geſichtspunkte begann er den Wiederaufbau ſeines verwüſteten Landes. An Soldaten und Rekruten war kein Mangel. Der ſtockende Handel, die wüſt gelegten Felder boten, auch nach- dem die großen Waſſer des Krieges ſelbſt verlaufen waren, an Menſchenmaterial vollauf; aber dies Material war mehr eine Laſt als ein Segen, ſo lange die Führer fehlten, die ihm Halt und Ordnung, und durch ihre kriegeriſchen Talente das Gefühl des Sieges zu geben verſtanden. Dieſe Einſicht führte von Seiten des Kurfürſten zur Anwerbung von Generalen, die ſich im ſchwediſchen oder kaiſerlichen Dienſt ausgezeichnet hatten; Joachim Haſſe von Schaplow (der Schwiegervater Derfflinger’s), Derfflinger ſelbſt, Joachim von Goertzke, Otto Chriſtoph von Sparr, — Alle traten

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/318>, abgerufen am 23.11.2024.