stein den Segen eines absterbenden Helden empfing, spielte im Superintendenten-Garten der Stadt Ruppin ein Knabe umher und sah leuchtenden Auges nach den Spitzen der alten Klosterkirche hinüber. Dann kniete er nieder und zeichnete Figuren in den Sand. Dieser Knabe war Karl Friedrich Schinkel. --
Auch wir kommen von Wustrau -- minder rasch als damals der Cornet von Zieten, aber sicherer -- und nähern uns, ohne unsere Rückzugslinie gefährdet zu sehen, durch eine der Straßen, die sich durch den Schilfwald ziehen, dem Holzsteg, an dem die Boote anzulegen pflegen. Wir springen an's Ufer und befinden uns in dem Park von Carwe. Er ist ziemlich groß, mit vielem Geschmack und in einem einfach noblen Stiel angelegt, -- das Ganze vorwiegend eine Schöpfung unseres "Junkers vom Regi- ment von Kalkstein", des am 12. Januar 1848 verstorbenen Feldmarschalls von dem Knesebeck. Dieser ausgezeichnete Mann wird überhaupt den Mittelpunkt alles dessen bilden, was ich in Weiterem zu erzählen habe, da er, wie der Hauptträger des Ruh- mes der Familie, so auch zugleich derjenige ist, der am segens- reichsten an dieser Stelle gewirkt und den todten Dingen entweder den Stempel seines Geistes aufgedrückt oder ihnen, durch irgend eine Beziehung zu seiner Person, zu einem poetischen Leben ver- holfen hat. --
Wir haben den Park seiner Länge nach passirt und stehen jetzt vor dem Herrenhause. Es ist einer jener Flügelbauten, wie sie dem vorigen Jahrhundert eigenthümlich waren und erinnert in Form und Farbe an das Radziwill'sche Palais in Berlin, das jeder meiner Leser kennen wird. Das letztere ist größer und hat mehr Roccocoschmuck an seiner Facade. Auch das Eisengitter, das den Hofraum abschließt und die Flügel verbindet, fehlt dem Carwe- schen Herrenhause, das aber dafür seinerseits wie in Blumen steht und an seinem Eingange von zwei Molosser-Hunden in Erzguß flankirt wird. Trotz der Blumenfülle, die den Grasplatz zwischen den Flügeln überdeckt, ja trotz der Pfauenstange, die vom Hof her über das Dach hinwegragt, und auf deren höchster Spitze die
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ſtein den Segen eines abſterbenden Helden empfing, ſpielte im Superintendenten-Garten der Stadt Ruppin ein Knabe umher und ſah leuchtenden Auges nach den Spitzen der alten Kloſterkirche hinüber. Dann kniete er nieder und zeichnete Figuren in den Sand. Dieſer Knabe war Karl Friedrich Schinkel. —
Auch wir kommen von Wuſtrau — minder raſch als damals der Cornet von Zieten, aber ſicherer — und nähern uns, ohne unſere Rückzugslinie gefährdet zu ſehen, durch eine der Straßen, die ſich durch den Schilfwald ziehen, dem Holzſteg, an dem die Boote anzulegen pflegen. Wir ſpringen an’s Ufer und befinden uns in dem Park von Carwe. Er iſt ziemlich groß, mit vielem Geſchmack und in einem einfach noblen Stiel angelegt, — das Ganze vorwiegend eine Schöpfung unſeres „Junkers vom Regi- ment von Kalkſtein“, des am 12. Januar 1848 verſtorbenen Feldmarſchalls von dem Kneſebeck. Dieſer ausgezeichnete Mann wird überhaupt den Mittelpunkt alles deſſen bilden, was ich in Weiterem zu erzählen habe, da er, wie der Hauptträger des Ruh- mes der Familie, ſo auch zugleich derjenige iſt, der am ſegens- reichſten an dieſer Stelle gewirkt und den todten Dingen entweder den Stempel ſeines Geiſtes aufgedrückt oder ihnen, durch irgend eine Beziehung zu ſeiner Perſon, zu einem poetiſchen Leben ver- holfen hat. —
Wir haben den Park ſeiner Länge nach paſſirt und ſtehen jetzt vor dem Herrenhauſe. Es iſt einer jener Flügelbauten, wie ſie dem vorigen Jahrhundert eigenthümlich waren und erinnert in Form und Farbe an das Radziwill’ſche Palais in Berlin, das jeder meiner Leſer kennen wird. Das letztere iſt größer und hat mehr Roccocoſchmuck an ſeiner Façade. Auch das Eiſengitter, das den Hofraum abſchließt und die Flügel verbindet, fehlt dem Carwe- ſchen Herrenhauſe, das aber dafür ſeinerſeits wie in Blumen ſteht und an ſeinem Eingange von zwei Moloſſer-Hunden in Erzguß flankirt wird. Trotz der Blumenfülle, die den Grasplatz zwiſchen den Flügeln überdeckt, ja trotz der Pfauenſtange, die vom Hof her über das Dach hinwegragt, und auf deren höchſter Spitze die
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[17/0035]
ſtein den Segen eines abſterbenden Helden empfing, ſpielte im
Superintendenten-Garten der Stadt Ruppin ein Knabe umher
und ſah leuchtenden Auges nach den Spitzen der alten Kloſterkirche
hinüber. Dann kniete er nieder und zeichnete Figuren in den
Sand. Dieſer Knabe war Karl Friedrich Schinkel. —
Auch wir kommen von Wuſtrau — minder raſch als damals
der Cornet von Zieten, aber ſicherer — und nähern uns, ohne
unſere Rückzugslinie gefährdet zu ſehen, durch eine der Straßen,
die ſich durch den Schilfwald ziehen, dem Holzſteg, an dem die
Boote anzulegen pflegen. Wir ſpringen an’s Ufer und befinden
uns in dem Park von Carwe. Er iſt ziemlich groß, mit vielem
Geſchmack und in einem einfach noblen Stiel angelegt, — das
Ganze vorwiegend eine Schöpfung unſeres „Junkers vom Regi-
ment von Kalkſtein“, des am 12. Januar 1848 verſtorbenen
Feldmarſchalls von dem Kneſebeck. Dieſer ausgezeichnete Mann
wird überhaupt den Mittelpunkt alles deſſen bilden, was ich in
Weiterem zu erzählen habe, da er, wie der Hauptträger des Ruh-
mes der Familie, ſo auch zugleich derjenige iſt, der am ſegens-
reichſten an dieſer Stelle gewirkt und den todten Dingen entweder
den Stempel ſeines Geiſtes aufgedrückt oder ihnen, durch irgend
eine Beziehung zu ſeiner Perſon, zu einem poetiſchen Leben ver-
holfen hat. —
Wir haben den Park ſeiner Länge nach paſſirt und ſtehen
jetzt vor dem Herrenhauſe. Es iſt einer jener Flügelbauten, wie
ſie dem vorigen Jahrhundert eigenthümlich waren und erinnert in
Form und Farbe an das Radziwill’ſche Palais in Berlin, das
jeder meiner Leſer kennen wird. Das letztere iſt größer und hat
mehr Roccocoſchmuck an ſeiner Façade. Auch das Eiſengitter, das
den Hofraum abſchließt und die Flügel verbindet, fehlt dem Carwe-
ſchen Herrenhauſe, das aber dafür ſeinerſeits wie in Blumen ſteht
und an ſeinem Eingange von zwei Moloſſer-Hunden in Erzguß
flankirt wird. Trotz der Blumenfülle, die den Grasplatz zwiſchen
den Flügeln überdeckt, ja trotz der Pfauenſtange, die vom Hof
her über das Dach hinwegragt, und auf deren höchſter Spitze die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/35>, abgerufen am 31.01.2025.
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