schönen, farbenprächtigen Thiere sitzen, ruft das Herrenhaus einen ernsten, beinah düstern Eindruck hervor und macht einem, auch ohne praktische Probe, die Versicherung glaubhaft, daß es ein Spukhaus sei. Leider entbehrt die überlieferte Spukgeschichte selbst aller charakteristischen Züge und paßt insofern schlecht nach Carwe hin, wo einem alles Andere plastisch bestimmt, gut motivirt und voll fesselnder Eigenthümlichkeit entgegentritt. Die übliche hohe Frau, deren schwarze Seide durch die Zimmer rauscht; das übliche Poltern, Rumoren und Thürenklappen; der traditionelle Seufzer, womit die Erscheinung verschwindet -- nichts Besonderes, nichts Abweichendes. Niemand weiß, wer die schwarze Dame ist, und wer es weiß, will es vielleicht nicht wissen. Ihrer Erscheinung fehlt das bestimmte, historische Fundament, jener dunkle Fleck, ohne den es keine Gespenster und keine Gespenstergeschichten giebt.
Carwe gehört den Knesebeck's in der vierten Generation. Der Urgroßvater des jetzigen Besitzers kaufte es im Jahre 1721 von dem Vermögen seiner Frau und errichtete das Wohnhaus, das wir, wenn auch verändert und erweitert, noch jetzt vor uns er- blicken. Die Umstände, die diesen Kauf und Bau begleiteten, sind zu eigenthümlicher Art, um hier nicht erzählt zu werden. Der Ur- großvater Carl Christoph Johann von dem Knesebeck, zu Wittingen im Hannoverschen geboren, trat früh in Preußische Kriegsdienste. Er war ein großer, starker und stattlicher Mann, aber arm. Die Regierungszeit Friedrich Wilhelm's I. indeß war just die Zeit, wo das Verdienst des Großseins die Schuld des Armseins in Balance zu bringen wußte und gemeinhin noch Ueberschüsse ergab. Carl Christoph Johann war sehr groß und so erfolgte alsbald eine Cabinets-Ordre, worin die reiche Wittwe des General-Adjutanten v. Köppen, eine geborne v. Bredow, angewiesen wurde, den Oberst- Lieutenant v. d. Knesebeck zu ehelichen. Die Hochzeit erfolgte und Carwe wurde vom Gelde der reichen Frau gekauft. Aber die Gnadenbezeigungen gegen den stattlichen Oberst-Lieutenant hatten hiermit ihr Ende noch nicht erreicht. Im Kopfe des Königs mochte die Vorstellung lebendig werden, daß eigentlich die reiche Wittwe
ſchönen, farbenprächtigen Thiere ſitzen, ruft das Herrenhaus einen ernſten, beinah düſtern Eindruck hervor und macht einem, auch ohne praktiſche Probe, die Verſicherung glaubhaft, daß es ein Spukhaus ſei. Leider entbehrt die überlieferte Spukgeſchichte ſelbſt aller charakteriſtiſchen Züge und paßt inſofern ſchlecht nach Carwe hin, wo einem alles Andere plaſtiſch beſtimmt, gut motivirt und voll feſſelnder Eigenthümlichkeit entgegentritt. Die übliche hohe Frau, deren ſchwarze Seide durch die Zimmer rauſcht; das übliche Poltern, Rumoren und Thürenklappen; der traditionelle Seufzer, womit die Erſcheinung verſchwindet — nichts Beſonderes, nichts Abweichendes. Niemand weiß, wer die ſchwarze Dame iſt, und wer es weiß, will es vielleicht nicht wiſſen. Ihrer Erſcheinung fehlt das beſtimmte, hiſtoriſche Fundament, jener dunkle Fleck, ohne den es keine Geſpenſter und keine Geſpenſtergeſchichten giebt.
Carwe gehört den Kneſebeck’s in der vierten Generation. Der Urgroßvater des jetzigen Beſitzers kaufte es im Jahre 1721 von dem Vermögen ſeiner Frau und errichtete das Wohnhaus, das wir, wenn auch verändert und erweitert, noch jetzt vor uns er- blicken. Die Umſtände, die dieſen Kauf und Bau begleiteten, ſind zu eigenthümlicher Art, um hier nicht erzählt zu werden. Der Ur- großvater Carl Chriſtoph Johann von dem Kneſebeck, zu Wittingen im Hannoverſchen geboren, trat früh in Preußiſche Kriegsdienſte. Er war ein großer, ſtarker und ſtattlicher Mann, aber arm. Die Regierungszeit Friedrich Wilhelm’s I. indeß war juſt die Zeit, wo das Verdienſt des Großſeins die Schuld des Armſeins in Balance zu bringen wußte und gemeinhin noch Ueberſchüſſe ergab. Carl Chriſtoph Johann war ſehr groß und ſo erfolgte alsbald eine Cabinets-Ordre, worin die reiche Wittwe des General-Adjutanten v. Köppen, eine geborne v. Bredow, angewieſen wurde, den Oberſt- Lieutenant v. d. Kneſebeck zu ehelichen. Die Hochzeit erfolgte und Carwe wurde vom Gelde der reichen Frau gekauft. Aber die Gnadenbezeigungen gegen den ſtattlichen Oberſt-Lieutenant hatten hiermit ihr Ende noch nicht erreicht. Im Kopfe des Königs mochte die Vorſtellung lebendig werden, daß eigentlich die reiche Wittwe
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ſchönen, farbenprächtigen Thiere ſitzen, ruft das Herrenhaus einen
ernſten, beinah düſtern Eindruck hervor und macht einem, auch
ohne praktiſche Probe, die Verſicherung glaubhaft, daß es ein
Spukhaus ſei. Leider entbehrt die überlieferte Spukgeſchichte ſelbſt
aller charakteriſtiſchen Züge und paßt inſofern ſchlecht nach Carwe
hin, wo einem alles Andere plaſtiſch beſtimmt, gut motivirt und
voll feſſelnder Eigenthümlichkeit entgegentritt. Die übliche hohe
Frau, deren ſchwarze Seide durch die Zimmer rauſcht; das übliche
Poltern, Rumoren und Thürenklappen; der traditionelle Seufzer,
womit die Erſcheinung verſchwindet — nichts Beſonderes, nichts
Abweichendes. Niemand weiß, wer die ſchwarze Dame iſt, und wer
es weiß, will es vielleicht nicht wiſſen. Ihrer Erſcheinung fehlt das
beſtimmte, hiſtoriſche Fundament, jener dunkle Fleck, ohne den es
keine Geſpenſter und keine Geſpenſtergeſchichten giebt.
Carwe gehört den Kneſebeck’s in der vierten Generation. Der
Urgroßvater des jetzigen Beſitzers kaufte es im Jahre 1721 von
dem Vermögen ſeiner Frau und errichtete das Wohnhaus, das
wir, wenn auch verändert und erweitert, noch jetzt vor uns er-
blicken. Die Umſtände, die dieſen Kauf und Bau begleiteten, ſind
zu eigenthümlicher Art, um hier nicht erzählt zu werden. Der Ur-
großvater Carl Chriſtoph Johann von dem Kneſebeck, zu Wittingen
im Hannoverſchen geboren, trat früh in Preußiſche Kriegsdienſte.
Er war ein großer, ſtarker und ſtattlicher Mann, aber arm. Die
Regierungszeit Friedrich Wilhelm’s I. indeß war juſt die Zeit, wo
das Verdienſt des Großſeins die Schuld des Armſeins in Balance
zu bringen wußte und gemeinhin noch Ueberſchüſſe ergab. Carl
Chriſtoph Johann war ſehr groß und ſo erfolgte alsbald eine
Cabinets-Ordre, worin die reiche Wittwe des General-Adjutanten
v. Köppen, eine geborne v. Bredow, angewieſen wurde, den Oberſt-
Lieutenant v. d. Kneſebeck zu ehelichen. Die Hochzeit erfolgte und
Carwe wurde vom Gelde der reichen Frau gekauft. Aber die
Gnadenbezeigungen gegen den ſtattlichen Oberſt-Lieutenant hatten
hiermit ihr Ende noch nicht erreicht. Im Kopfe des Königs mochte
die Vorſtellung lebendig werden, daß eigentlich die reiche Wittwe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/36>, abgerufen am 23.11.2024.
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