machte das Beste draus, das sich draus machen ließ, eine aparte Figur, ein Original. Es ist sehr merkwürdig, daß immer nur solche Derbheits-Gestalten bei unserm Volke populär geworden sind (der alte Dessauer, Friedrich der Große, Blücher); alles Patente wird beargwohnt, oder ist ihm lächerlich und verhaßt.
Das ganze Auftreten Schadow's erinnerte an die alten Mei- ster des Mittelalters. Er war ein Peter Vischer in's märkisch- berlinische übersetzt. Er hielt noch auf's Handwerk, immer davon ausgehend, daß es besser sei, das Handwerk zur Kunst, als die Kunst zum Handwerk zu machen. Von Bürgersinn und Bürger- trotz (Dinge, die immer rarer werden), hatte er sein gerüttelt und geschüttelt Maß, und gegenüber den modernen Künstlerprätensionen, hielt er's ganz mit der alten Schule, die sich mehr um's Sein als um's Scheinen kümmerte. Das Schwierige des bloßen, äußerlichen Machen-könnens betonte er gern, und in ähnlicher Weise wie Ludwig Tieck zu sagen pflegte: "es ist immerhin eine Arbeit, einen dreibändigen Roman zu schreiben, gleichviel ob er gut oder schlecht ist", so sagte auch Schadow, wenn Skizzen und Entwürfe über Gebühr und auf Kosten ausgeführter Arbeiten ge- lobt wurden: "Papier is weech, aber Steen is hart."
Er hatte, wie alle volksthümlichen Figuren unseres Landes, eine Vorliebe für den Dialekt, wiewohl er ihn, wo es ange- bracht war, sehr wohl bei Seite thun und namentlich in Aufsätzen und Abhandlungen, deren höchst vortreffliche aus seiner Feder exi- stiren, eine in Stil und Ausdruck mustergültige Sprache führen konnte. Lakonisch war er immer, wie fast alle Leute hervorragen- den Könnens. Er trieb diese Kürze des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverständlichkeit, und nur Eingeweihte konnten ihm folgen. Ein Jugenderlebniß, das er gern erzählte und das ihm praktisch gezeigt hatte, mit wie wenig Worten sich durchkommen lasse, schien eine Nachwirkung auf sein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er 1791 über Schweden nach Petersburg reiste, fand er an der russischen Grenzstation Kymen einen ehemaligen russischen Corporal als Posthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte
machte das Beſte draus, das ſich draus machen ließ, eine aparte Figur, ein Original. Es iſt ſehr merkwürdig, daß immer nur ſolche Derbheits-Geſtalten bei unſerm Volke populär geworden ſind (der alte Deſſauer, Friedrich der Große, Blücher); alles Patente wird beargwohnt, oder iſt ihm lächerlich und verhaßt.
Das ganze Auftreten Schadow’s erinnerte an die alten Mei- ſter des Mittelalters. Er war ein Peter Viſcher in’s märkiſch- berliniſche überſetzt. Er hielt noch auf’s Handwerk, immer davon ausgehend, daß es beſſer ſei, das Handwerk zur Kunſt, als die Kunſt zum Handwerk zu machen. Von Bürgerſinn und Bürger- trotz (Dinge, die immer rarer werden), hatte er ſein gerüttelt und geſchüttelt Maß, und gegenüber den modernen Künſtlerprätenſionen, hielt er’s ganz mit der alten Schule, die ſich mehr um’s Sein als um’s Scheinen kümmerte. Das Schwierige des bloßen, äußerlichen Machen-könnens betonte er gern, und in ähnlicher Weiſe wie Ludwig Tieck zu ſagen pflegte: „es iſt immerhin eine Arbeit, einen dreibändigen Roman zu ſchreiben, gleichviel ob er gut oder ſchlecht iſt“, ſo ſagte auch Schadow, wenn Skizzen und Entwürfe über Gebühr und auf Koſten ausgeführter Arbeiten ge- lobt wurden: „Papier is weech, aber Steen is hart.“
Er hatte, wie alle volksthümlichen Figuren unſeres Landes, eine Vorliebe für den Dialekt, wiewohl er ihn, wo es ange- bracht war, ſehr wohl bei Seite thun und namentlich in Aufſätzen und Abhandlungen, deren höchſt vortreffliche aus ſeiner Feder exi- ſtiren, eine in Stil und Ausdruck muſtergültige Sprache führen konnte. Lakoniſch war er immer, wie faſt alle Leute hervorragen- den Könnens. Er trieb dieſe Kürze des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverſtändlichkeit, und nur Eingeweihte konnten ihm folgen. Ein Jugenderlebniß, das er gern erzählte und das ihm praktiſch gezeigt hatte, mit wie wenig Worten ſich durchkommen laſſe, ſchien eine Nachwirkung auf ſein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er 1791 über Schweden nach Petersburg reiſte, fand er an der ruſſiſchen Grenzſtation Kymen einen ehemaligen ruſſiſchen Corporal als Poſthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte
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machte das Beſte draus, das ſich draus machen ließ, eine aparte
Figur, ein Original. Es iſt ſehr merkwürdig, daß immer nur
ſolche Derbheits-Geſtalten bei unſerm Volke populär geworden ſind
(der alte Deſſauer, Friedrich der Große, Blücher); alles Patente
wird beargwohnt, oder iſt ihm lächerlich und verhaßt.
Das ganze Auftreten Schadow’s erinnerte an die alten Mei-
ſter des Mittelalters. Er war ein Peter Viſcher in’s märkiſch-
berliniſche überſetzt. Er hielt noch auf’s Handwerk, immer davon
ausgehend, daß es beſſer ſei, das Handwerk zur Kunſt, als die
Kunſt zum Handwerk zu machen. Von Bürgerſinn und Bürger-
trotz (Dinge, die immer rarer werden), hatte er ſein gerüttelt und
geſchüttelt Maß, und gegenüber den modernen Künſtlerprätenſionen,
hielt er’s ganz mit der alten Schule, die ſich mehr um’s Sein
als um’s Scheinen kümmerte. Das Schwierige des bloßen,
äußerlichen Machen-könnens betonte er gern, und in ähnlicher
Weiſe wie Ludwig Tieck zu ſagen pflegte: „es iſt immerhin eine
Arbeit, einen dreibändigen Roman zu ſchreiben, gleichviel ob er
gut oder ſchlecht iſt“, ſo ſagte auch Schadow, wenn Skizzen und
Entwürfe über Gebühr und auf Koſten ausgeführter Arbeiten ge-
lobt wurden: „Papier is weech, aber Steen is hart.“
Er hatte, wie alle volksthümlichen Figuren unſeres Landes,
eine Vorliebe für den Dialekt, wiewohl er ihn, wo es ange-
bracht war, ſehr wohl bei Seite thun und namentlich in Aufſätzen
und Abhandlungen, deren höchſt vortreffliche aus ſeiner Feder exi-
ſtiren, eine in Stil und Ausdruck muſtergültige Sprache führen
konnte. Lakoniſch war er immer, wie faſt alle Leute hervorragen-
den Könnens. Er trieb dieſe Kürze des Ausdrucks gelegentlich bis
zur Unverſtändlichkeit, und nur Eingeweihte konnten ihm folgen.
Ein Jugenderlebniß, das er gern erzählte und das ihm praktiſch
gezeigt hatte, mit wie wenig Worten ſich durchkommen laſſe, ſchien
eine Nachwirkung auf ſein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als
er 1791 über Schweden nach Petersburg reiſte, fand er an
der ruſſiſchen Grenzſtation Kymen einen ehemaligen ruſſiſchen
Corporal als Poſthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/446>, abgerufen am 23.11.2024.
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