die Luft, und das Geplauder wird stiller und stiller, bis es end- lich schweigt. Immer heller funkeln die Sterne, immer weiter wird der Blick, bis endlich, wie aus Bann und Märchenschlummer, das Rasseln eines schweren Postwagens uns weckt und das begleitende Posthorn, das, von der Falkenberger Berglehne her, zu uns her- überklingt.
Der Cöthener Park. -- Von der Ida's-Eiche bis Dorf Cöthen ist wenig weiter als 1000 Schritt, und die Cöthener Dorf- straße ohne Aufenthalt passirend, führt uns unser Weg unmittel- bar an den Eingang des Parks. Dieser Park ist etwas altfrän- kisch; er stammt noch aus einer Zeit, wo man gewissen perspecti- vischen Künsten den Vorrang einräumte vor der landschaftlichen Schönheitslinie; es fehlt noch eine freiere und natürlichere An- lage, und Tempelchen und Muschelgrotten haben noch ihren Platz. Marmorköpfe, über deren specielle Bedeutung an der Stelle, die sie einnehmen, vielleicht immer ein Dunkel walten wird, blicken räthselhaft aus Felsgemäuer*) hervor und Delphine und Löwen speien Wasser und lassen es sich nicht anfechten, daß ihre alabaster- weißen Unterkiefer von Eisenocker längst braun geworden sind. Die alten Künste der alten Parks, von denen wir die Musterstücke noch immer in Schwetzingen und im Wörlitzer Garten finden! Den- noch hat dieser Cöthener Park seine Eigenthümlichkeit, weil das Stück Natur eigenthümlich war, das zu seiner Anlage genom- men wurde. Es ist eine reich mit Laubholz, namentlich mit schö- nen Buchen besetzte Schlucht, durch die sich ein Fließ zieht. Dieses Fließ, das -- in seiner künstlichen Verzweigung -- dem Park an einzelnen Stellen den Charakter eines Elsbruchs giebt, ist in Wahrheit der Quell seiner Schönheit überhaupt. Ob man wirk- lich mehr Wasser und namentlich rascher fließendes hier hatte als anderswo, oder ob man sich nur besser auf seine Benutzung ver- stand, gleichviel -- Wasser überall. Der Bach mit Plätschern und
*) Eine dieser Grotten, so heißt es, ist aus Lava aufgeführt, und die Gegenstände innerhalb derselben stammen von Herkulanum und Pompeji.
die Luft, und das Geplauder wird ſtiller und ſtiller, bis es end- lich ſchweigt. Immer heller funkeln die Sterne, immer weiter wird der Blick, bis endlich, wie aus Bann und Märchenſchlummer, das Raſſeln eines ſchweren Poſtwagens uns weckt und das begleitende Poſthorn, das, von der Falkenberger Berglehne her, zu uns her- überklingt.
Der Cöthener Park. — Von der Ida’s-Eiche bis Dorf Cöthen iſt wenig weiter als 1000 Schritt, und die Cöthener Dorf- ſtraße ohne Aufenthalt paſſirend, führt uns unſer Weg unmittel- bar an den Eingang des Parks. Dieſer Park iſt etwas altfrän- kiſch; er ſtammt noch aus einer Zeit, wo man gewiſſen perſpecti- viſchen Künſten den Vorrang einräumte vor der landſchaftlichen Schönheitslinie; es fehlt noch eine freiere und natürlichere An- lage, und Tempelchen und Muſchelgrotten haben noch ihren Platz. Marmorköpfe, über deren ſpecielle Bedeutung an der Stelle, die ſie einnehmen, vielleicht immer ein Dunkel walten wird, blicken räthſelhaft aus Felsgemäuer*) hervor und Delphine und Löwen ſpeien Waſſer und laſſen es ſich nicht anfechten, daß ihre alabaſter- weißen Unterkiefer von Eiſenocker längſt braun geworden ſind. Die alten Künſte der alten Parks, von denen wir die Muſterſtücke noch immer in Schwetzingen und im Wörlitzer Garten finden! Den- noch hat dieſer Cöthener Park ſeine Eigenthümlichkeit, weil das Stück Natur eigenthümlich war, das zu ſeiner Anlage genom- men wurde. Es iſt eine reich mit Laubholz, namentlich mit ſchö- nen Buchen beſetzte Schlucht, durch die ſich ein Fließ zieht. Dieſes Fließ, das — in ſeiner künſtlichen Verzweigung — dem Park an einzelnen Stellen den Charakter eines Elsbruchs giebt, iſt in Wahrheit der Quell ſeiner Schönheit überhaupt. Ob man wirk- lich mehr Waſſer und namentlich raſcher fließendes hier hatte als anderswo, oder ob man ſich nur beſſer auf ſeine Benutzung ver- ſtand, gleichviel — Waſſer überall. Der Bach mit Plätſchern und
*) Eine dieſer Grotten, ſo heißt es, iſt aus Lava aufgeführt, und die Gegenſtände innerhalb derſelben ſtammen von Herkulanum und Pompeji.
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die Luft, und das Geplauder wird ſtiller und ſtiller, bis es end-
lich ſchweigt. Immer heller funkeln die Sterne, immer weiter wird
der Blick, bis endlich, wie aus Bann und Märchenſchlummer, das
Raſſeln eines ſchweren Poſtwagens uns weckt und das begleitende
Poſthorn, das, von der Falkenberger Berglehne her, zu uns her-
überklingt.
Der Cöthener Park. — Von der Ida’s-Eiche bis Dorf
Cöthen iſt wenig weiter als 1000 Schritt, und die Cöthener Dorf-
ſtraße ohne Aufenthalt paſſirend, führt uns unſer Weg unmittel-
bar an den Eingang des Parks. Dieſer Park iſt etwas altfrän-
kiſch; er ſtammt noch aus einer Zeit, wo man gewiſſen perſpecti-
viſchen Künſten den Vorrang einräumte vor der landſchaftlichen
Schönheitslinie; es fehlt noch eine freiere und natürlichere An-
lage, und Tempelchen und Muſchelgrotten haben noch ihren Platz.
Marmorköpfe, über deren ſpecielle Bedeutung an der Stelle, die
ſie einnehmen, vielleicht immer ein Dunkel walten wird, blicken
räthſelhaft aus Felsgemäuer *) hervor und Delphine und Löwen
ſpeien Waſſer und laſſen es ſich nicht anfechten, daß ihre alabaſter-
weißen Unterkiefer von Eiſenocker längſt braun geworden ſind. Die
alten Künſte der alten Parks, von denen wir die Muſterſtücke noch
immer in Schwetzingen und im Wörlitzer Garten finden! Den-
noch hat dieſer Cöthener Park ſeine Eigenthümlichkeit, weil das
Stück Natur eigenthümlich war, das zu ſeiner Anlage genom-
men wurde. Es iſt eine reich mit Laubholz, namentlich mit ſchö-
nen Buchen beſetzte Schlucht, durch die ſich ein Fließ zieht. Dieſes
Fließ, das — in ſeiner künſtlichen Verzweigung — dem Park an
einzelnen Stellen den Charakter eines Elsbruchs giebt, iſt in
Wahrheit der Quell ſeiner Schönheit überhaupt. Ob man wirk-
lich mehr Waſſer und namentlich raſcher fließendes hier hatte als
anderswo, oder ob man ſich nur beſſer auf ſeine Benutzung ver-
ſtand, gleichviel — Waſſer überall. Der Bach mit Plätſchern und
*) Eine dieſer Grotten, ſo heißt es, iſt aus Lava aufgeführt, und die
Gegenſtände innerhalb derſelben ſtammen von Herkulanum und Pompeji.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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