Bischof stehen. Dies war nicht das Herkömmliche. Wir finden in der Geschichte des Cisterzienser-Ordens folgendes: Der heilige Ste- phan (Stephan Harding, ein Engländer) hatte mit den Bischöfen, in deren Diöcesen die Klöster standen, einen wichtigen Vertrag ge- schlossen. Er versprach ihnen nämlich, daß in ihren Sprengeln nie ohne ihre Gutheißung ein Kloster errichtet werden sollte, und sie gaben ihm ihrerseits wiederum die Versicherung, daß sie freiwil- lig auf ihr Recht hinsichtlich der Beaufsichtigung ver- zichten wollten. So weit die Geschichte des Ordens. Doch ist es möglich, daß in der Mark Brandenburg von Anfang an diese Dinge sich anders (oder wenn man so will, wieder im Einklang mit den früheren Zuständen des Ordens) gestalteten und die Klöster, ohne Cisteaux und das französische Herkommen zum Mu- ster zu nehmen, in eine Abhängigkeit von den Bischofsitzen ein- traten.
Das andere, was in diesem Eingangssatz der Urkunde auf- fällt, ist das Vorhandensein -- neben der Aebtissin und dem Prä- positus -- einer besonderen Priorin, während doch die Klöster im Allgemeinen nur eine Aebtissin oder Priorin, aber nicht beides zugleich kannten. Ja (das sei schon hier bemerkt) unser Kloster Friedland scheint in der Folge noch um einen Schritt weiter ge- gangen zu sein, indem wir aus dem Jahre 1486 einer andern Urkunde begegnen, in der nicht nur von einem Präpositus, einer Aebtissin, einer Priorin, sondern auch noch von einer Subprio- rin gesprochen wird. Es scheint fast, daß sich die Einrichtungen in diesen, vom Mittel- und Ausgangspunkte des Ordens (Ci- steaux) weit abgelegenen Klöstern, sehr wesentlich anders gestalte- ten, als in Gegenden, die diesem Mittelpunkte näher lagen.
2. Die Urkunde fährt nun (die Thatsache des Verfalls constatirend) folgendermaßen fort:
Wir wissen und haben aus der Evidenz der Thatsachen erfahren, daß überall, wo die Herrschaft der Zucht verach- tet wird, die Religion selber Schiffbruch leidet. Wir haben daher Vorsorge getroffen, damit nicht durch Verachtung
Biſchof ſtehen. Dies war nicht das Herkömmliche. Wir finden in der Geſchichte des Ciſterzienſer-Ordens folgendes: Der heilige Ste- phan (Stephan Harding, ein Engländer) hatte mit den Biſchöfen, in deren Diöceſen die Klöſter ſtanden, einen wichtigen Vertrag ge- ſchloſſen. Er verſprach ihnen nämlich, daß in ihren Sprengeln nie ohne ihre Gutheißung ein Kloſter errichtet werden ſollte, und ſie gaben ihm ihrerſeits wiederum die Verſicherung, daß ſie freiwil- lig auf ihr Recht hinſichtlich der Beaufſichtigung ver- zichten wollten. So weit die Geſchichte des Ordens. Doch iſt es möglich, daß in der Mark Brandenburg von Anfang an dieſe Dinge ſich anders (oder wenn man ſo will, wieder im Einklang mit den früheren Zuſtänden des Ordens) geſtalteten und die Klöſter, ohne Ciſteaux und das franzöſiſche Herkommen zum Mu- ſter zu nehmen, in eine Abhängigkeit von den Biſchofſitzen ein- traten.
Das andere, was in dieſem Eingangsſatz der Urkunde auf- fällt, iſt das Vorhandenſein — neben der Aebtiſſin und dem Prä- poſitus — einer beſonderen Priorin, während doch die Klöſter im Allgemeinen nur eine Aebtiſſin oder Priorin, aber nicht beides zugleich kannten. Ja (das ſei ſchon hier bemerkt) unſer Kloſter Friedland ſcheint in der Folge noch um einen Schritt weiter ge- gangen zu ſein, indem wir aus dem Jahre 1486 einer andern Urkunde begegnen, in der nicht nur von einem Präpoſitus, einer Aebtiſſin, einer Priorin, ſondern auch noch von einer Subprio- rin geſprochen wird. Es ſcheint faſt, daß ſich die Einrichtungen in dieſen, vom Mittel- und Ausgangspunkte des Ordens (Ci- ſteaux) weit abgelegenen Klöſtern, ſehr weſentlich anders geſtalte- ten, als in Gegenden, die dieſem Mittelpunkte näher lagen.
2. Die Urkunde fährt nun (die Thatſache des Verfalls conſtatirend) folgendermaßen fort:
Wir wiſſen und haben aus der Evidenz der Thatſachen erfahren, daß überall, wo die Herrſchaft der Zucht verach- tet wird, die Religion ſelber Schiffbruch leidet. Wir haben daher Vorſorge getroffen, damit nicht durch Verachtung
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Biſchof ſtehen. Dies war nicht das Herkömmliche. Wir finden in
der Geſchichte des Ciſterzienſer-Ordens folgendes: Der heilige Ste-
phan (Stephan Harding, ein Engländer) hatte mit den Biſchöfen,
in deren Diöceſen die Klöſter ſtanden, einen wichtigen Vertrag ge-
ſchloſſen. Er verſprach ihnen nämlich, daß in ihren Sprengeln nie
ohne ihre Gutheißung ein Kloſter errichtet werden ſollte, und ſie
gaben ihm ihrerſeits wiederum die Verſicherung, daß ſie freiwil-
lig auf ihr Recht hinſichtlich der Beaufſichtigung ver-
zichten wollten. So weit die Geſchichte des Ordens. Doch iſt
es möglich, daß in der Mark Brandenburg von Anfang an dieſe
Dinge ſich anders (oder wenn man ſo will, wieder im Einklang
mit den früheren Zuſtänden des Ordens) geſtalteten und die
Klöſter, ohne Ciſteaux und das franzöſiſche Herkommen zum Mu-
ſter zu nehmen, in eine Abhängigkeit von den Biſchofſitzen ein-
traten.
Das andere, was in dieſem Eingangsſatz der Urkunde auf-
fällt, iſt das Vorhandenſein — neben der Aebtiſſin und dem Prä-
poſitus — einer beſonderen Priorin, während doch die Klöſter im
Allgemeinen nur eine Aebtiſſin oder Priorin, aber nicht beides
zugleich kannten. Ja (das ſei ſchon hier bemerkt) unſer Kloſter
Friedland ſcheint in der Folge noch um einen Schritt weiter ge-
gangen zu ſein, indem wir aus dem Jahre 1486 einer andern
Urkunde begegnen, in der nicht nur von einem Präpoſitus, einer
Aebtiſſin, einer Priorin, ſondern auch noch von einer Subprio-
rin geſprochen wird. Es ſcheint faſt, daß ſich die Einrichtungen
in dieſen, vom Mittel- und Ausgangspunkte des Ordens (Ci-
ſteaux) weit abgelegenen Klöſtern, ſehr weſentlich anders geſtalte-
ten, als in Gegenden, die dieſem Mittelpunkte näher lagen.
2. Die Urkunde fährt nun (die Thatſache des Verfalls
conſtatirend) folgendermaßen fort:
Wir wiſſen und haben aus der Evidenz der Thatſachen
erfahren, daß überall, wo die Herrſchaft der Zucht verach-
tet wird, die Religion ſelber Schiffbruch leidet. Wir haben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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