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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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als ein Kunstwerk ersten Ranges erhalten (im Brandenburger
Dom), damals der Stolz des Klosters, die Bewundrung der
Fremden war. Die wohl erhaltene Unterschrift: "anno dom.
1518 sub d. Valentino Abbate"
hat in aller Sichtlichkeit den
Namen Abt Valentin's bewahrt.

Ueber 25 Jahre waren die Wirren der Zeit an Abt
Valentin vorübergegangen, das Ausharren seines kurfürst-
lichen Herrn hatte ihn vor den schwersten Kümmernissen bewahrt,
da kam, fast unmittelbar nach dem Regierungsantritt Joa-
chims
II., die sogenannte "Kirchenvisitation," und auch Lehnin
wurde ihr unterworfen. Man verfuhr nicht ohne Milde, nicht
ohne Rücksichten der Form, aber in Wahrheit erschienen die
Visitatoren zu keinem andern Behuf, als um dem Kloster
den Todtenschein zu schreiben. Draußenstehende fingen
an es in ihre "Obhut" zu nehmen, man stellte es unter
Curatel. Es ward diese "Obhut" von Abt und Kloster auch
durchaus als das empfunden, was sie war, und ein schwacher

in der Schönheit der Malereien, die sich auf beiden Flügeln und zwar
auf der Vorder- wie auf der Rückseite derselben befinden. Sind diese
Flügel (wie gewöhnlich) geöffnet, so erblicken wir die beiden besonderen
Schutzheiligen der Cistercienser, den heiligen Benedikt, aus dessen
Orden sie hervorgingen, und den heiligen Bernhard, der den Orden
zu höchstem Glanz und Ansehen führte. (Die Cistercienser werden des-
halb auch oft Bernhardiner genannt.) Neben den beiden Heiligen
stehen die Gestalten der Maria Magdalena und der heiligen Ursula.
Auf der Rückseite befinden sich: der heilige Gregorius, St. Ambro-
sius, St. Augustinus
und der heilige Hieronymus, lauter Kir-
chenväter, die zu dem Klosterleben der katholischen Kirche in besonderer
Beziehung stehn. Die Köpfe aller dieser Gestalten, besonders der des
St. Benedikt und des heiligen Bernhard (die Frauenköpfe sind
weniger vollendet) haben immer für Meisterwerke gegolten und man hat
sie ebenso um ihrer Ausführung wie um ihrer Charakteristik willen,
abwechselnd dem Albrecht Dürer, dem Lucas Kranach und endlich
dem Grunewaldt, einem der besten Schüler Dürers, zugeschrieben.
Der letzteren Ansicht ist Ernst Förster in München. Grunewaldt
war allerdings speziell durch seine Charakterisirung der Köpfe ausge-
zeichnet.

als ein Kunſtwerk erſten Ranges erhalten (im Brandenburger
Dom), damals der Stolz des Kloſters, die Bewundrung der
Fremden war. Die wohl erhaltene Unterſchrift: „anno dom.
1518 sub d. Valentino Abbate“
hat in aller Sichtlichkeit den
Namen Abt Valentin’s bewahrt.

Ueber 25 Jahre waren die Wirren der Zeit an Abt
Valentin vorübergegangen, das Ausharren ſeines kurfürſt-
lichen Herrn hatte ihn vor den ſchwerſten Kümmerniſſen bewahrt,
da kam, faſt unmittelbar nach dem Regierungsantritt Joa-
chims
II., die ſogenannte „Kirchenviſitation,“ und auch Lehnin
wurde ihr unterworfen. Man verfuhr nicht ohne Milde, nicht
ohne Rückſichten der Form, aber in Wahrheit erſchienen die
Viſitatoren zu keinem andern Behuf, als um dem Kloſter
den Todtenſchein zu ſchreiben. Draußenſtehende fingen
an es in ihre „Obhut“ zu nehmen, man ſtellte es unter
Curatel. Es ward dieſe „Obhut“ von Abt und Kloſter auch
durchaus als das empfunden, was ſie war, und ein ſchwacher

in der Schönheit der Malereien, die ſich auf beiden Flügeln und zwar
auf der Vorder- wie auf der Rückſeite derſelben befinden. Sind dieſe
Flügel (wie gewöhnlich) geöffnet, ſo erblicken wir die beiden beſonderen
Schutzheiligen der Ciſtercienſer, den heiligen Benedikt, aus deſſen
Orden ſie hervorgingen, und den heiligen Bernhard, der den Orden
zu höchſtem Glanz und Anſehen führte. (Die Ciſtercienſer werden des-
halb auch oft Bernhardiner genannt.) Neben den beiden Heiligen
ſtehen die Geſtalten der Maria Magdalena und der heiligen Urſula.
Auf der Rückſeite befinden ſich: der heilige Gregorius, St. Ambro-
ſius, St. Auguſtinus
und der heilige Hieronymus, lauter Kir-
chenväter, die zu dem Kloſterleben der katholiſchen Kirche in beſonderer
Beziehung ſtehn. Die Köpfe aller dieſer Geſtalten, beſonders der des
St. Benedikt und des heiligen Bernhard (die Frauenköpfe ſind
weniger vollendet) haben immer für Meiſterwerke gegolten und man hat
ſie ebenſo um ihrer Ausführung wie um ihrer Charakteriſtik willen,
abwechſelnd dem Albrecht Dürer, dem Lucas Kranach und endlich
dem Grunewaldt, einem der beſten Schüler Dürers, zugeſchrieben.
Der letzteren Anſicht iſt Ernſt Förſter in München. Grunewaldt
war allerdings ſpeziell durch ſeine Charakteriſirung der Köpfe ausge-
zeichnet.
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[101/0119] als ein Kunſtwerk erſten Ranges erhalten (im Brandenburger Dom), damals der Stolz des Kloſters, die Bewundrung der Fremden war. Die wohl erhaltene Unterſchrift: „anno dom. 1518 sub d. Valentino Abbate“ hat in aller Sichtlichkeit den Namen Abt Valentin’s bewahrt. Ueber 25 Jahre waren die Wirren der Zeit an Abt Valentin vorübergegangen, das Ausharren ſeines kurfürſt- lichen Herrn hatte ihn vor den ſchwerſten Kümmerniſſen bewahrt, da kam, faſt unmittelbar nach dem Regierungsantritt Joa- chims II., die ſogenannte „Kirchenviſitation,“ und auch Lehnin wurde ihr unterworfen. Man verfuhr nicht ohne Milde, nicht ohne Rückſichten der Form, aber in Wahrheit erſchienen die Viſitatoren zu keinem andern Behuf, als um dem Kloſter den Todtenſchein zu ſchreiben. Draußenſtehende fingen an es in ihre „Obhut“ zu nehmen, man ſtellte es unter Curatel. Es ward dieſe „Obhut“ von Abt und Kloſter auch durchaus als das empfunden, was ſie war, und ein ſchwacher *) *) in der Schönheit der Malereien, die ſich auf beiden Flügeln und zwar auf der Vorder- wie auf der Rückſeite derſelben befinden. Sind dieſe Flügel (wie gewöhnlich) geöffnet, ſo erblicken wir die beiden beſonderen Schutzheiligen der Ciſtercienſer, den heiligen Benedikt, aus deſſen Orden ſie hervorgingen, und den heiligen Bernhard, der den Orden zu höchſtem Glanz und Anſehen führte. (Die Ciſtercienſer werden des- halb auch oft Bernhardiner genannt.) Neben den beiden Heiligen ſtehen die Geſtalten der Maria Magdalena und der heiligen Urſula. Auf der Rückſeite befinden ſich: der heilige Gregorius, St. Ambro- ſius, St. Auguſtinus und der heilige Hieronymus, lauter Kir- chenväter, die zu dem Kloſterleben der katholiſchen Kirche in beſonderer Beziehung ſtehn. Die Köpfe aller dieſer Geſtalten, beſonders der des St. Benedikt und des heiligen Bernhard (die Frauenköpfe ſind weniger vollendet) haben immer für Meiſterwerke gegolten und man hat ſie ebenſo um ihrer Ausführung wie um ihrer Charakteriſtik willen, abwechſelnd dem Albrecht Dürer, dem Lucas Kranach und endlich dem Grunewaldt, einem der beſten Schüler Dürers, zugeſchrieben. Der letzteren Anſicht iſt Ernſt Förſter in München. Grunewaldt war allerdings ſpeziell durch ſeine Charakteriſirung der Köpfe ausge- zeichnet.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/119>, abgerufen am 27.11.2024.