Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

1) Das Schattenbild auf weißer durchsichtiger Fläche.
Eine Art Laterna magica. Dies war die plumpeste Art.

2) Das Hohlspiegelbild auf weißer Wandfläche. Ein
Verfahren, das, bei Geisterscenen auf der Bühne, auch jetzt
noch zu gelegentlicher Anwendung kommt.

3) Das Hohlspiegelbild auf Rauch und Qualm.

4) Bloße Benebelung und Einwirkung auf die Ima-
gination, so daß man Dinge sieht, die gar nicht da sind.

Ueber diese letztere Art des Verfahrens, die die unglaub-
lichste scheint und, richtig gehandhabt, doch vielleicht die sicherste
war, entnehmen wir zeitgenössischen Memoiren das Folgende:

Friedrich II. erfuhr, daß in Halle ein Professor sei, der
Geister citiren könne. Der König ließ ihn kommen. Der Be-
treffende erschien auch, lehnte es aber ab, Geister erscheinen
zu lassen, erklärte vielmehr dem Könige ganz einfach, wie er
dabei zu operiren pflege. Er sagte: "Ich benutze dazu ein
Räucherwerk. Dies Räucherwerk -- wovon hier das Recept
ist -- hat zwei Eigenschaften: 1) den "Patienten" in einen
Halbschlaf zu versetzen, welcher leicht genug ist, ihn alles ver-
stehen zu lassen, was man ihm sagt, und tief genug, ihn am
Nachdenken zu verhindern; 2) ihm das Gehirn dergestalt zu
erhitzen, daß seine Einbildungskraft ihm lebhaft das Bild der
Worte, die er hört, abmalt. Er ist in dem Zustande eines
Menschen, der nach den leichten Eindrücken, die er im Schlaf
empfängt, einen Traum zusammensetzt. Nachdem ich in der
Unterredung mit meinem Neugierigen möglichst viele Einzel-
heiten über die Person, die ihm erscheinen soll, kennen gelernt
und ihn nach der Form und den Kleidern gefragt habe, in
denen er die zu citirende Person sehen will, lasse ich ihn in
das dunkle, mit dem Dunst des Räucherwerks angefüllte Zim-
mer treten. Dann -- nach einiger Zeit -- spreche ich zu ihm:
"Sie sehen den und den, so und so gestaltet und gekleidet,"
worauf sich sofort seiner erregten Phantasie die Gestalt abmalt.
Hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme: "Was willst Du?"
Er ist überzeugt, daß der Geist zu ihm spricht; er antwortet.

1) Das Schattenbild auf weißer durchſichtiger Fläche.
Eine Art Laterna magica. Dies war die plumpeſte Art.

2) Das Hohlſpiegelbild auf weißer Wandfläche. Ein
Verfahren, das, bei Geiſterſcenen auf der Bühne, auch jetzt
noch zu gelegentlicher Anwendung kommt.

3) Das Hohlſpiegelbild auf Rauch und Qualm.

4) Bloße Benebelung und Einwirkung auf die Ima-
gination, ſo daß man Dinge ſieht, die gar nicht da ſind.

Ueber dieſe letztere Art des Verfahrens, die die unglaub-
lichſte ſcheint und, richtig gehandhabt, doch vielleicht die ſicherſte
war, entnehmen wir zeitgenöſſiſchen Memoiren das Folgende:

Friedrich II. erfuhr, daß in Halle ein Profeſſor ſei, der
Geiſter citiren könne. Der König ließ ihn kommen. Der Be-
treffende erſchien auch, lehnte es aber ab, Geiſter erſcheinen
zu laſſen, erklärte vielmehr dem Könige ganz einfach, wie er
dabei zu operiren pflege. Er ſagte: „Ich benutze dazu ein
Räucherwerk. Dies Räucherwerk — wovon hier das Recept
iſt — hat zwei Eigenſchaften: 1) den „Patienten“ in einen
Halbſchlaf zu verſetzen, welcher leicht genug iſt, ihn alles ver-
ſtehen zu laſſen, was man ihm ſagt, und tief genug, ihn am
Nachdenken zu verhindern; 2) ihm das Gehirn dergeſtalt zu
erhitzen, daß ſeine Einbildungskraft ihm lebhaft das Bild der
Worte, die er hört, abmalt. Er iſt in dem Zuſtande eines
Menſchen, der nach den leichten Eindrücken, die er im Schlaf
empfängt, einen Traum zuſammenſetzt. Nachdem ich in der
Unterredung mit meinem Neugierigen möglichſt viele Einzel-
heiten über die Perſon, die ihm erſcheinen ſoll, kennen gelernt
und ihn nach der Form und den Kleidern gefragt habe, in
denen er die zu citirende Perſon ſehen will, laſſe ich ihn in
das dunkle, mit dem Dunſt des Räucherwerks angefüllte Zim-
mer treten. Dann — nach einiger Zeit — ſpreche ich zu ihm:
„Sie ſehen den und den, ſo und ſo geſtaltet und gekleidet,“
worauf ſich ſofort ſeiner erregten Phantaſie die Geſtalt abmalt.
Hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme: „Was willſt Du?“
Er iſt überzeugt, daß der Geiſt zu ihm ſpricht; er antwortet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0317" n="299"/>
          <p>1) Das <hi rendition="#g">Schattenbild</hi> auf weißer durch&#x017F;ichtiger Fläche.<lb/>
Eine Art <hi rendition="#aq">Laterna magica</hi>. Dies war die plumpe&#x017F;te Art.</p><lb/>
          <p>2) Das <hi rendition="#g">Hohl&#x017F;piegelbild</hi> auf weißer Wandfläche. Ein<lb/>
Verfahren, das, bei Gei&#x017F;ter&#x017F;cenen auf der Bühne, auch jetzt<lb/>
noch zu gelegentlicher Anwendung kommt.</p><lb/>
          <p>3) Das <hi rendition="#g">Hohl&#x017F;piegelbild</hi> auf Rauch und Qualm.</p><lb/>
          <p>4) <hi rendition="#g">Bloße Benebelung</hi> und Einwirkung auf die Ima-<lb/>
gination, &#x017F;o daß man Dinge &#x017F;ieht, die gar nicht da &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Ueber die&#x017F;e letztere Art des Verfahrens, die die unglaub-<lb/>
lich&#x017F;te &#x017F;cheint und, richtig gehandhabt, doch vielleicht die &#x017F;icher&#x017F;te<lb/>
war, entnehmen wir zeitgenö&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Memoiren das Folgende:</p><lb/>
          <p>Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi> erfuhr, daß in Halle ein Profe&#x017F;&#x017F;or &#x017F;ei, der<lb/>
Gei&#x017F;ter citiren könne. Der König ließ ihn kommen. Der Be-<lb/>
treffende er&#x017F;chien auch, lehnte es aber ab, Gei&#x017F;ter er&#x017F;cheinen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, erklärte vielmehr dem Könige ganz einfach, wie er<lb/>
dabei zu operiren pflege. Er &#x017F;agte: &#x201E;Ich benutze dazu ein<lb/>
Räucherwerk. Dies Räucherwerk &#x2014; wovon hier das Recept<lb/>
i&#x017F;t &#x2014; hat zwei Eigen&#x017F;chaften: 1) den &#x201E;Patienten&#x201C; in einen<lb/>
Halb&#x017F;chlaf zu ver&#x017F;etzen, welcher <hi rendition="#g">leicht</hi> genug i&#x017F;t, ihn alles ver-<lb/>
&#x017F;tehen zu la&#x017F;&#x017F;en, was man ihm &#x017F;agt, und <hi rendition="#g">tief</hi> genug, ihn am<lb/>
Nachdenken zu verhindern; 2) ihm das Gehirn derge&#x017F;talt zu<lb/>
erhitzen, daß &#x017F;eine Einbildungskraft ihm lebhaft das <hi rendition="#g">Bild</hi> der<lb/>
Worte, die er hört, abmalt. Er i&#x017F;t in dem Zu&#x017F;tande eines<lb/>
Men&#x017F;chen, der nach den leichten Eindrücken, die er im Schlaf<lb/>
empfängt, einen Traum zu&#x017F;ammen&#x017F;etzt. Nachdem ich in der<lb/>
Unterredung mit meinem Neugierigen möglich&#x017F;t viele Einzel-<lb/>
heiten über die Per&#x017F;on, die ihm er&#x017F;cheinen &#x017F;oll, kennen gelernt<lb/>
und ihn nach der Form und den Kleidern gefragt habe, in<lb/>
denen er die zu citirende Per&#x017F;on &#x017F;ehen will, la&#x017F;&#x017F;e ich ihn in<lb/>
das dunkle, mit dem Dun&#x017F;t des Räucherwerks angefüllte Zim-<lb/>
mer treten. Dann &#x2014; nach einiger Zeit &#x2014; &#x017F;preche ich zu ihm:<lb/>
&#x201E;Sie &#x017F;ehen den und den, &#x017F;o und &#x017F;o ge&#x017F;taltet und gekleidet,&#x201C;<lb/>
worauf &#x017F;ich &#x017F;ofort &#x017F;einer erregten Phanta&#x017F;ie die Ge&#x017F;talt abmalt.<lb/>
Hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme: &#x201E;Was will&#x017F;t Du?&#x201C;<lb/>
Er i&#x017F;t überzeugt, daß der Gei&#x017F;t zu ihm &#x017F;pricht; er antwortet.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0317] 1) Das Schattenbild auf weißer durchſichtiger Fläche. Eine Art Laterna magica. Dies war die plumpeſte Art. 2) Das Hohlſpiegelbild auf weißer Wandfläche. Ein Verfahren, das, bei Geiſterſcenen auf der Bühne, auch jetzt noch zu gelegentlicher Anwendung kommt. 3) Das Hohlſpiegelbild auf Rauch und Qualm. 4) Bloße Benebelung und Einwirkung auf die Ima- gination, ſo daß man Dinge ſieht, die gar nicht da ſind. Ueber dieſe letztere Art des Verfahrens, die die unglaub- lichſte ſcheint und, richtig gehandhabt, doch vielleicht die ſicherſte war, entnehmen wir zeitgenöſſiſchen Memoiren das Folgende: Friedrich II. erfuhr, daß in Halle ein Profeſſor ſei, der Geiſter citiren könne. Der König ließ ihn kommen. Der Be- treffende erſchien auch, lehnte es aber ab, Geiſter erſcheinen zu laſſen, erklärte vielmehr dem Könige ganz einfach, wie er dabei zu operiren pflege. Er ſagte: „Ich benutze dazu ein Räucherwerk. Dies Räucherwerk — wovon hier das Recept iſt — hat zwei Eigenſchaften: 1) den „Patienten“ in einen Halbſchlaf zu verſetzen, welcher leicht genug iſt, ihn alles ver- ſtehen zu laſſen, was man ihm ſagt, und tief genug, ihn am Nachdenken zu verhindern; 2) ihm das Gehirn dergeſtalt zu erhitzen, daß ſeine Einbildungskraft ihm lebhaft das Bild der Worte, die er hört, abmalt. Er iſt in dem Zuſtande eines Menſchen, der nach den leichten Eindrücken, die er im Schlaf empfängt, einen Traum zuſammenſetzt. Nachdem ich in der Unterredung mit meinem Neugierigen möglichſt viele Einzel- heiten über die Perſon, die ihm erſcheinen ſoll, kennen gelernt und ihn nach der Form und den Kleidern gefragt habe, in denen er die zu citirende Perſon ſehen will, laſſe ich ihn in das dunkle, mit dem Dunſt des Räucherwerks angefüllte Zim- mer treten. Dann — nach einiger Zeit — ſpreche ich zu ihm: „Sie ſehen den und den, ſo und ſo geſtaltet und gekleidet,“ worauf ſich ſofort ſeiner erregten Phantaſie die Geſtalt abmalt. Hierauf frage ich ihn mit rauher Stimme: „Was willſt Du?“ Er iſt überzeugt, daß der Geiſt zu ihm ſpricht; er antwortet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/317
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/317>, abgerufen am 24.11.2024.