Es sauset und brauset Das Tamburin, Es rasseln und prasseln Die Schellen darin. Clemens Brentano.
In Tagen sommerlicher Lust:
Mai, Juni, Juli und August
vergeht kein Sonntag, wo nicht Schaaren von Besuchern den Brieselang umschwärmten. Aber die Tausende, die kommen und gehn, begnügen sich damit, den Zipfel seines Gewandes zu fassen, die Parole lautet nicht "Brieselang", sondern "Finkenkrug." Und doch ist der Finkenkrug, an der südlichsten Stelle der Süd- hälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch das man hindurch muß, um in die eigentliche Schönheit des Waldes einzutreten; nicht diesseits liegt die Herrlichkeit, sondern jenseits, und alles, was den Brieselang ausmacht, seinen Charakter, seine Erinnerungen, seine Schätze, alles liegt drüber hinaus. Der Finkenkrug ist nur erste Etappe; wer den Brieselang kennen will, der muß auch, rüstigen Fußes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wissen: die För- sterei und die Eiche. Nur erst wer bei der "Königs-Eiche" steht, der hat den Brieselang hinter sich und kann mitsprechen.
Wir thun's. Der geneigte Leser wolle uns folgen.
Es ist Sonntag vor Pfingsten; wir haben den 11 Uhr- Zug benutzt und die Sonne steht bereits in Mittag, als wir landen. Wir sind zu drei; mein Reisegefährte, ein pommersch Blut; ich selbst; der dritte (unser Führer) ein Autochthone dieser Gegenden. Das Dreieck Spandau-Nauen-Cremmen
1. Finkenkrug.
Es ſauſet und brauſet Das Tamburin, Es raſſeln und praſſeln Die Schellen darin. Clemens Brentano.
In Tagen ſommerlicher Luſt:
Mai, Juni, Juli und Auguſt
vergeht kein Sonntag, wo nicht Schaaren von Beſuchern den Brieſelang umſchwärmten. Aber die Tauſende, die kommen und gehn, begnügen ſich damit, den Zipfel ſeines Gewandes zu faſſen, die Parole lautet nicht „Brieſelang“, ſondern „Finkenkrug.“ Und doch iſt der Finkenkrug, an der ſüdlichſten Stelle der Süd- hälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch das man hindurch muß, um in die eigentliche Schönheit des Waldes einzutreten; nicht dieſſeits liegt die Herrlichkeit, ſondern jenſeits, und alles, was den Brieſelang ausmacht, ſeinen Charakter, ſeine Erinnerungen, ſeine Schätze, alles liegt drüber hinaus. Der Finkenkrug iſt nur erſte Etappe; wer den Brieſelang kennen will, der muß auch, rüſtigen Fußes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wiſſen: die För- ſterei und die Eiche. Nur erſt wer bei der „Königs-Eiche“ ſteht, der hat den Brieſelang hinter ſich und kann mitſprechen.
Wir thun’s. Der geneigte Leſer wolle uns folgen.
Es iſt Sonntag vor Pfingſten; wir haben den 11 Uhr- Zug benutzt und die Sonne ſteht bereits in Mittag, als wir landen. Wir ſind zu drei; mein Reiſegefährte, ein pommerſch Blut; ich ſelbſt; der dritte (unſer Führer) ein Autochthone dieſer Gegenden. Das Dreieck Spandau-Nauen-Cremmen
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[[37]/0055]
1.
Finkenkrug.
Es ſauſet und brauſet
Das Tamburin,
Es raſſeln und praſſeln
Die Schellen darin.
Clemens Brentano.
In Tagen ſommerlicher Luſt:
Mai, Juni, Juli und Auguſt
vergeht kein Sonntag, wo nicht Schaaren von Beſuchern den
Brieſelang umſchwärmten. Aber die Tauſende, die kommen und
gehn, begnügen ſich damit, den Zipfel ſeines Gewandes zu faſſen,
die Parole lautet nicht „Brieſelang“, ſondern „Finkenkrug.“
Und doch iſt der Finkenkrug, an der ſüdlichſten Stelle der Süd-
hälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch das man hindurch
muß, um in die eigentliche Schönheit des Waldes einzutreten;
nicht dieſſeits liegt die Herrlichkeit, ſondern jenſeits, und alles,
was den Brieſelang ausmacht, ſeinen Charakter, ſeine Erinnerungen,
ſeine Schätze, alles liegt drüber hinaus. Der Finkenkrug iſt nur
erſte Etappe; wer den Brieſelang kennen will, der muß auch, rüſtigen
Fußes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wiſſen: die För-
ſterei und die Eiche. Nur erſt wer bei der „Königs-Eiche“
ſteht, der hat den Brieſelang hinter ſich und kann mitſprechen.
Wir thun’s. Der geneigte Leſer wolle uns folgen.
Es iſt Sonntag vor Pfingſten; wir haben den 11 Uhr-
Zug benutzt und die Sonne ſteht bereits in Mittag, als wir
landen. Wir ſind zu drei; mein Reiſegefährte, ein pommerſch
Blut; ich ſelbſt; der dritte (unſer Führer) ein Autochthone
dieſer Gegenden. Das Dreieck Spandau-Nauen-Cremmen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [37]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/55>, abgerufen am 09.11.2024.
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